Bulletin Nr. 12; Januar 1996

Stellungnahme der Polizeidirektion

Am 23. November '95 haben wir gemeinsam mit der Freiplatzaktion eine Pressekonferenz durchgeführt, an der wir folgende Punkte kritisiert haben:
- Faktische Missachtung des Besuchsrechts bei Gefangenen in Ausschaffungshaft. Seit ca. Mitte Juli können von uns keine neuen Häftlinge besucht werden. Durch verschiedene bürokratische Schikanen bis hin zur Behauptung, dass die betreffenden Gefangenen keinen Besuch wünschen, werden Besuchsbewilligungen verweigert oder verschleppt, bis die Ausschaffung erfolgt ist.
- Behinderung der Rechtsvertretung durch LaiInnen. Auch mit einer Vollmacht zur Rechtsvertretung einen Gefangenen war es teilweise nicht möglich, diesen zu besuchen.
Haftentlassungen ohne Gerichtsentscheid. Oft werden Ausschaffungsgefangene kurz vor einem Termin beim Haftrichter freigelassen, was bedeutet, dass von keiner Seite ein offizieller Entscheid gefällt wird. Die so Entlassenen sind 'vogelfrei' und können jederzeit wieder verhaftet werden.
 
Die Antwort
Zu diesen Vorwürfen nahm Frau Fuhrer am folgenden Tag im Lokalsender 'Tele Züri' Stellung. Im Folgenden wollen wir die wichtigsten Antworten kommentieren, da sie die verschiedenen Antworten der einzelnen Polizeistellen prägnant zusammenfassen.
"Selbstverständlich habe ich die verschiedenen Vorwürfe abgeklärt, bereits mehrfach. Es ist eigenartig, dass diese Gruppe 'augenauf' noch nie bei uns direkt interveniert oder sich bemüht hat, diese Vorwürfe bei einem Anwalt oder Haftrichter zu deponieren, sondern diese Gruppe geht über die Presse, und zwar immer so spät, dass ich diese Vorwürfe nicht mehr abklären kann - es ist immer mehrere Wochen danach, und die Häftlinge sind nicht mehr erreichbar. Das reduziert die Glaubwürdigkeit dieser Vorwürfe sicher ein Stück weit."
Bereits im Juni 95 hat ein Anwalt eine Klage beim Bundesgericht eingereicht, die detailliert die Polizeigefängnisverordnung und die Änderungen im Hinblick auf die Zwangsmassnahmen kritisiert hat. Ebenfalls im Juni hat Haftrichter Steiner aufgrund der unzumutbaren Zustände im Propog eine sofortige Haftentlassung verfügt. Dessen exakte und Kritik ist unter anderem dafür verantwortlich, dass sich im Propog inzwischen kaum mehr Ausschaffungsgefangene befinden. Im Übrigen wäre es Sache der Polizeidirektion zu gewärleisten, dass sich Gefängnisinsassen ohne Angst vor Repressalien sofort wegen schlechter Behandlung beschweren können, und zwar auch wenn sie kein Deutsch verstehen. Im weiteren fällt auf, dass die Möglichkeit von Misshandlungen und Demütigungen nicht mehr generell ausgeschlossen wird:
"Ich weiss aber auch, dass ganz viele Leute im Propog ein- und ausgehen, die nicht zur Polizei gehören. Wir haben Anwälte, die ein- und ausgehen. Die Justiz ist letzlich verantwortlich für den Strafvollzug, die auch eine Kontrollfunktion hat. Und dann haben wir noch Gefängnispfarrer, die noch genau Bescheid wissen."
"Der nie solche Vorwürfe bestätigt hat?"
"Nein, gerade der Gefängnisspfarrer, der sehr kritisch gegenüber dem Propog und den Haftbedingungen ist, hat mir wieder gesagt - und schon früher mal bestätigt, dass er sich so etwas nicht vorstellen kann - nicht systematisch."
"Es hat geheissen, es sei auch zu rassistischen Sprüchen des Gefängnispersonals gekommen."
"Das könnte ich mir noch vorstellen, ganz am Anfang, an dem wir noch eine Ueberbelegung hatten. Aber jetzt ist die Situation wirklich eine ganz andere. V.a. haben wir keine Ausschaffungshäftlinge mehr über längere Zeit im Propog. Im Moment sind es zwei. sie bleiben 24 Stunden im Propog, und kommen dann in ein Bezirks- oder ins Flughafengefängnis."
"Sie haben noch nie solche Vorwürfe von rassistischen Aussagen gehört?"
Nein. V.a. nicht in den letzten Monaten. Ich könnte mir vorstellen, dass zu Zeiten des Waid-Gefängis solches möglich gewesen wäre. Jetzt ist es nicht mehr realistisch."
Frau Fuhrer versucht den Schaden zu begrenzen, indem sie den Zeitpunkt der Misshandlungen möglichst weit nach hinten verlegt. Dummerweise bestätigt sie damit genau unsere Aussagen, denn wir sprechen von Vorfällen in der ersten Jahreshälfte. Seit anfangs Juli haben wir keinen Zugang mehr zu den Polizeigefängnissen. Die Gefangenen, die wir treffen, können uns meistens auch erst nach ihrer Freilassung erzählen, was sie erlebt haben. Darin liegt der Hauptgrund unserer 'späten' Veröffentlichungen. Doch auf die Missstände im Propog haben wir bereits seit dem Mai aufmerksam gemacht, was ja dann auch zu unserem Besuchsverbot geführt hat. Noch wird uns die Glaubwürdigkeit abgesprochen, wenn wir Misshandlungen in den Polizeigefängnissen veröffentlichen. Doch werden nun plötzlich Misshandlungen im Waidgefängniss für möglich gehalten, obwohl noch vor Jahresfrist PolitikerInnen und Polizisten entsprechende Feststellungen als bösartige und gezielte Desinformation bekannter ExtremistInnen bezeichnet haben.
Frau Fuhrer sagt, Misshandlungen seien nicht möglich, weil zu viele Leute ein- und ausgehen, die doch etwas sehen müssten. Abgesehen davon, dass die meisten nur kurze Zeit im Propog sind, und wir nie behauptet haben, dass tagtäglich Prügelorgien stattfinden, sagen die Gefangenen, dass sie am v.a. am Abend geschlagen werden, wenn niemand anders als sie und die Polizei im Gefängnis ist. Die Gefangenen, welche später ihre Abreibung erhalten sollten, sind mit Kreuzen an den Türen vorgemerkt worden. Damit die Wärter die Gefangenen unterscheiden können, sind nämlich an jeder Zelle die Namen der Personen und ihr Foto angebracht.
Zum Schluss bastelt Frau Fuhrer fleissig weiter am Mythos, dass die Zwangsmassnahmen dem Kampf gegen den Drogendeal dienen. Wer nur schon Verdacht gerät zu dealen, wird in Untersuchungshaft gesetzt. Die Gefangenen in Ausschaffungshaft sind einzig und allein ohne gültige Aufenthaltspapiere oder Ausweise kontrolliert und verhaftet worden. D.h. sie befinden in einer sogenannten 'Administrativhaft', welche dazu dient, den Gefangenen bis zu einer eventuellen Ausschaffung 'auf sicher zu haben..
"Das Propog ist kein Sicherheitstrakt wie andere Gefängnisse, wo jeder Uebergriff - auch von Häftlingen auf Wärter - zum vornherein ausgeschlossen wäre. Es ist auch bereits mehrfach vorgekommen, dass wir verletzte Wärter gehabt haben. Aber eigentlich noch nie verletzte Häftlinge. Der Vorwurf der Trennscheibe kommt daher, dass diese Leute sich eben als Rechtsvertreter Zugang verschaffen wollen. Das können wir ihnen aber nicht gewährleisten, weil sie als Rechtsvertreter eine Verantwortung hätten. Das sind sie aber nicht, es sind ganz normale Leute, die sich einfach interessieren. In dem Fall müssen wir Sicherheitsbestimmungen einhalten. Das ist entweder eine Leibesvisitation oder eine Trennscheibe, da können sie wählen, was sie wollen. Auch das, glaube ich, ist gerechtfertigt, weil die Leute, die wir dort in Haft nehmen, wissen wir letztendlich nicht, was an ihnen hängen bleibt. Vielfach kommen sie mit dem Verdacht in Haft bezüglich Ungesetzmässigkeiten, Betäubungsmittel, usw. Wir müssen auch gewisse Vorsichtsmassnahmen treffen.

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