Bulletin Nr. 11; Oktober 1995

Der aufgeblähte Repressions- und Verwaltungsapparat muss sich legitimieren - womit auch immer

 
Berichte von Betroffenen
N. nimmt teil an einem Heroin-Abgabeprojekt. Der Weg zwischen Wohnung und Abgabeort führt durch die Langstrasse.
- Wie geht es Dir, seit Du bei diesem Programm mitmachst?
- Ich habe viel weniger Stress, muss nicht dem Stoff nachlaufen.
- Was bedeutet es für Dich, täglich und pünktlich dort zu erscheinen?
- Ich habe einen geregelten Tagesablauf, endlich etwas zu tun.
- Trägst Du nebst Deinem Ausweis noch eine Karte des Abgabeprojekts auf Dir?
- Ja, immer.
- Wie verhält sich die Polizei, wenn du in eine Kontrolle gerätst?
- Katastrophal, der Ausweis nützt nichts. Er scheint eher ein Grund zu sein, in die Kaserne ins Rückführungszentrum gebracht zu werden. Obwohl ich in Zürich wohne, ist das schon mehrfach vorgekommen. Von dort kann ich nicht telefonieren. Ich bin wegen einer Kontrolle auch schon zu spät zu einem Termin gekommen, obwohl ich das den Polizisten gesagt habe.
- Hast Du den Eindruck, die Kontrollen seien häufiger geworden?
- Ja, deutlich. Ich bin auch schon innert fünf Minuten dreimal angehalten worden. Die Polizei wartet vor dem Haus des Abgabeprojekts, um die Leute zu kontrollieren. Auch aus dem Bus, mit dem man dorthinkommt, holen sie ihnen bekannte Gesichter oder Personen, die ihrer Ansicht nach nicht wie NormalbürgerInnen aussehen, heraus, und filzen sie. Der Bus wird dazu extra angehalten.
- Hat Dich das Verhalten der Polizei schon einmal auf die Idee gebracht, aus dem Programm auszusteigen, obwohl es Dir jetzt besser geht?
- Ja, häufig. Ich habe aus diesem Grund auch schon ein Methadon-Programm bei einem Privatarzt abgebrochen.
- Gäbe es einen anderen Weg zwischen Deiner Wohnung und dem Abgabeort, um diese Kontrollen zu vermeiden ?
- Nein, das ist nicht möglich. Ich könnte wohl einen riesigen Umweg machen, aber das nützt nichts, wenn die Polizei die Umgebung der Abgabestelle abdeckt.
 
Sperrzone Platzspitz
Nach der Lehr-Abschlussprüfung wollte ich im Platzspitz-Park mittagessen und etwas lesen. Anfangs waren wir zu viert. Zwei Patrouillen der Kapo und der Stapo bemerkten uns. Als ich alleine war, kamen 3 uniformierte Kapos auf mich zu und forderten mich auf, den Ausweis zu zeigen, was ich auch tat. Der Einsatzleiter fragte mich, ob ich Gift dabeihätte. Ich verneinte. 'Wirklich nicht?' 'Nein.' 'Hatten Sie noch nie etwas mit Gift zu tun?' 'Nein.' Ein anderer fragte: 'Und Spritzen? Wo sind die Spritzen?' Sie begannen meine Sachen zu durchsuchen, meine Jacke, meine Tasche. 'Was tun Sie hier?' Ich erklärte, dass ich in Ruhe essen wolle. 'Was tun Sie in Zürich?' 'Ich legte eine Prüfung ab.' 'Ja, aber man kommt ja nicht einfach so nach Zürich.' Alle weiteren Erklärungen von mir führten zu Missverständnissen. So schwieg ich. Sie fanden nichts und zogen davon. Ich hatte auch nichts.' Nach einer Abschlussprüfung bist Du ziemlich k.o. Ich sah wohl nicht mehr allzu frisch aus. Mir wurde klar gemacht, dass ich als ZH-Oberländerin, und dazu noch ausländischer Herkunft, kein Recht habe, mich in Zürich aufzuhalten, schon gar nicht auf dem Platzspitz. Danach traute ich mich auch mehrere Tage nicht mehr nach Zürich.

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