Bulletin Nr. 10; Juni 1995

Bericht eines Besuchers im Ausschaffungsgefängnis

 
Samstag, im Mai '95
Ein Versuch, in der Polizeikaserne ein Fresspaket für einen Gefangenen im Ausschaffungsgefängnis abzugeben:
Ein Polizist in zivil, mit zwei Pistolen bewaffnet, sowie Handschellen am Gürtel, mit T-Shirt bekleidet, wird vom Mann an der Réception in die 'Vorhalle' bestellt. Er fragt, was ich wolle, nimmt den Brief mit, lässt mich warten, kommt schnell zurück und teilt den Bescheid des Vorgesetzten (Dienstchef Schmid) mit: Briefe müssen über die Bezirksanwaltschaft zugestellt werden, Esswaren werden keine entgegengenommen, die Gefangenen bekämen zu essen.
Ich verlange den Dienstchef oder den Chef des Ausschaffungsbüros zu sprechen. Antwort: Die hätten beide keine Zeit, für Arrestanten Esswaren entgegenzunehmen. Ich frage, warum man manchmal etwas bringen könne und manchmal nicht. Der Zivile beruft sich auf die Weisung des Dienstchefs, der gesagt habe, dass nichts reinkomme. Es komme eben darauf an, wer Dienst habe.
PS: Auf telefonische Nachfrage sagt Dienstchef Schmid, auch Pakete müssten vom Bezirksanwalt kontrolliert werden, sie selbst würden da gar nichts machen. Sie könnten übers Wochenende die Pakete aus Sicherheitsgründen nicht aufbewaren, ich würde ja sicher die Zeitung lesen.
 
Montagmorgen der nächsten Woche
Der zweite Versuch, ein Paket abzugeben:
Das Paket wird mitgenommen zur Untersuchung. Nach einer Weile kommt der Polizist zurück und sagt, er finde den Gefangenen nicht im Computer. Ich müsse jetzt noch warten, weil sie 'Neuzugänge' bekommen hätten. Er kommt bald wieder und sagt, der Betreffende sei nicht mehr da. Auf die Frage, ob er ausgeschafft worden sei, meint er, er sei nicht mehr hier, er dürfe nicht sagen, wo er sei. Aus Sicherheitsgründen, ich hätte doch sicher in der Zeitung von den vielen Ausbrüchen gelesen. Es könne aber sein, dass er im Ausschaffungsgefängnis Kloten sei.
Eine Liste mit erlaubten Esswaren gebe es nicht. Fladenbrot komme nicht rein, sie könnten es nicht durchleuchten, Mandeln nicht wegen der Blausäure, eingepackte Sachen (z.B. Datteln) überhaupt nicht. Schokolade und Bananen werden akzeptiert.
Nach dem gescheiterten Versuch, in der Kaserne ein Paket abzugeben:
Telefonische Nachfrage beim Ausschaffungsbüro mit Antrag auf Besuchsbewilligung. Der Beamte kann den betreffenden Häftling im Computer nicht finden.
Telefonische Nachfrage im Ausschaffungsgefängnis Kloten: Dort können sie ihn im Comuter auch nicht finden.
 
Dienstag derselben Woche
Erneute Nachfrage beim Beamten im Ausschaffungsbüro, diesmal unter Angebe der Zellennummer. Nach einer Weile kommt ein knappes Ja; der sei da, er müsse mich mit dem zuständigen Sachbearbeiter verbinden. Dieser fragt zuerst, wer ich sei und ob ich mit dem Inhaftierten verwandt sei, und woher ich wisse, dass er im Gefängnis sei. Ich sagte, dass ich nicht verwandt sei, und es von einem Bekannten erfahren habe. Eine Besuchsbewilligung will er nicht geben, er müsse "mit däm no schaffe", ich solle am nächsten Montag wieder anrufen.
 
Donnerstag
Wieder gehe ich in die Kaserne. Die Frau am Empfang lässte einen Zivilpolizisten kommen. Ich muss zuerst einen Zettel mit Name und Zellennummer abgeben. Er schaut nach, ob der Gefangene noch 'da' ist. Er ist. Dann gebe ich eine Tasche mit folgendem Inhalt: Bananen, Zucker, Schokolade, Melone, Schreibpapier und Kugelschreiber. Der Polizist verschwindet damit, ich muss warten. Dann kommt er zurück und sagt, das müssten "die hinten" entscheiden, was akzeptiert wird, ich solle mitkommen. Wir gehen nach hinten zum Ausschaffungscontainer. Er geht rein, ich muss warten. Nach kurzer Zeit kommt er mit nahezu voller Tasche zurück. Sie hätten nur die Schokolade akzeptiert. Ich wurde wütend, man habe mir vor zwei Tagen gesagt, Bananen seien kein Problem. Er erwidert, Bananen seien ein Problem, man könne andere Sachen daraus machen. Ich solle jetzt gehen, oder ob ich hierbleiben wolle. Dann bin ich halt gegangen.
 
Montag der nächsten Woche
Ich habe wie vereinbart nochmal den Sachbearbeiter angerufen, um eine Besuchsbewilligung zu erhalten. Er sagte sofort ja und wollte wissen, wann es mir gehe. Er gab dann sein OK für den nächsten Tag.
 
Dienstag
Um 9 Uhr melde ich mich bei der Kantonspolizei. Der Mann an der Réception telefoniert mit dem Portier des Gefängnisses und erkundigt sich nach meiner Besuchsbewilligung, die ich vom Sachbearbeiter hätte. Nachdem das abgeklärt ist, lässt er einen Zivilpolizisten in die Vorhalle holen, der mich zum Ausschaffungsgefängnis begleitet. Der Portier dort fragt nach meinem Namen und dem Namen des Gefangenen. Ich erwähne auch die Zellennummer. Darauf höre ich, dass er gar nicht in dieser Zelle sitzt, sondern in einer anderen. Dann trägt er beide Namen in ein Buch ein und ruft einen Wärter. Dieser bringt mich durch die Glasschiebetür zur Besucherzelle, nachdem er abgeklärt hat, ob ich mit oder ohne Trennscheibe Besuch habe. Durch eine Klappe schaut er in die Besucherzelle und stellt fest, dass sie besetzt ist. Ich müsse warten. Zurück in den Vorraum. Nach einer Weile fällt dem Portier dort ein, dass er meinen Ausweis sehen möchte. Er guckt ihn kurz an und gibt ihn zurück. Ich warte. Es kommen zwei arabisch sprechende Männer, die Kleider für einen Freund bringen. Der Sachbearbeiter kommt persönlich und sagt, die beiden könnten ihren Freund auch kurz sehen. Kurz darauf können sie rein, und auch ziemlich kurz darauf kommen sie wieder raus. Ich warte. Es kommt eine Gruppe von Leuten, um das Gefängnis zu besichtigen. Nach etwa einer Viertelstunde kommen sie wieder heraus. Ich warte. Ich schaue auf einen der Monitore, der einen Zellengang zeigt. Es passiert nicht viel. Einmal wird eine Matratze in eine Zelle geschleppt. Ich warte. Es kommt ein Zivilpolizist mit Handschellen am Gürtel und plaudert mit dem Portier. Dieser erzählt ihm, dass es "auch in Zelle 208 'Lämpe' gegeben habe". Ein Brünneli hätten sie runtergeschlagen, er habe die Scherben gesehen. Der Portier bedeutet ihm dann, mit einem Seitenblick auf mich, nicht weiterzuerzählen. Ich warte. Zur Abwechslung erkundige ich mich nach den erlaubten Mitbringseln. Der Portier sagt: Schokolade, Biskuits und wenig Früchte weil sie verderblich sind. Der Sachbearbeiter, den ich vorher auch danach gefragt hatte, sagte, Früchte nicht, weil sie die zum Fenster rauswerfen würden. Ich warte. Eine Zivilpolizistin bringt einen Mann, und sagt, er komme von der Urania, heisse Ali, und sie wisse nicht, wohin mit ihm. Sie bringen ihn in eine Abstellzelle, von wo sie ihn zwanzig Minuten später wieder holen.
Nach mehr als einer Stunde ist es endlich soweit. Es kommt ein Mann ohne Uniform und bringt mich durch die erste Glasschiebetür, dann durch eine zweite, die zum Zellentrakt im Parterre führt. Dort gleich am Anfang rechts befindet sich die vorgenannte Abstellzelle. Er sagt, der Besuch finde hier statt, und er müsse dabei sein.Gleich darauf holt er meinen Bekannten. Dieser freut sich über den Besuch. Die 10 Minuten sind sehr kurz, ich werde es die nächste Woche noch einmal versuchen.

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