Bulletin Nr. 9; Mai 1995

Neue Erkenntnisse zu den Haftbedingungen im provisorischen Polizeigefängnis

Nach verschiedenen Gesprächen mit ehemaligen Insassen des Polizeigefängnisses haben sich die geäusserten Befürchtungen bezüglich der Haftbedingungen mindestens bestätigt.

 
Zellenbelegung:
Auf den 10.7 Quadratmeter, die für zwei Insassen gebaut wurden, werden drei bis vier Leute untergebracht, dies auch über mehrere Monate hinweg. Ein Insasse sprach auch schon von einer Belegung zu fünft. Die Ausstattung der Zellen besteht aus einem Doppelstockbett, einem Tisch und zwei an die Wand montierten Bänken. Für den überzähligen dritten Insassen wird eine Matratze mit Leintuch auf den Boden gelegt, dies wiederholt sich wahrscheinlich für den Vierten und Fünften.
 
Verpflegung:
Das 'Frühstück' besteht bei verschiedenen Aussagen übereinstimmend aus zwei Scheiben Brot. Die Informationen über die Zutaten variieren von 'etwas Marmelade und ab und zu ein Ei' bis 'wenig Butter'. Zum Mittagessen gibts Suppe (Kohlsuppe), wenig Teigwaren oder Kartoffeln, eventuell eine Brotscheibe. Einzelne Angaben sprechen von wenig Salat, oder auch manchmal etwas Fleisch.
Abends werden noch einmal zwei Scheiben Brot abgegeben.
An Getränken wird zum Frühstück kalter Kaffee gebracht, zum Brot am Abend Tee. Zucker ist nicht erhältlich.
 
Hygiene:
Auch zu diesem Punkt variieren die Aussagen. Ein Insasse spricht von einem regelmässigem Kleider- und Handtuchwechsel alle vier Tage. Ebenso bestand in diesem Rhytmus die Möglichkeit, zu duschen. Es wurde weder Zahnpasta noch Zahnbürste verteilt. Ein weiterer Insasse hat mitgeteilt, dass er keine frischen Kleider erhielt, bloss einmal wöchentlich duschen konnte und die Unterwäsche selber in der Zelle mit kaltem Wasser waschen musste.
 
Beschäftigung, Hofgang und Rauchen:
Eine Beschäftigung wird den Inhaftierten nicht abgegeben. Alle paar Tage findet ein Hofgang statt. Manchmal wird ein Sprechverbot über die in Gruppen Spazierenden verhängt, einige wurden zu dritt aneinadergekettet. Der Hofgang dauert ca. 10 bis 20 Minuten. Nur dann ist es den Häftlingen erlaubt, zu rauchen. Da die Insassen keine eigenen Zigaretten haben, müssen sie zu diesem Zweck das Wachpersonal um Zigaretten bitten. Es werden normalerweise pro Person zwei Stück abgegeben.
 
Medizinische Versorgung:
Arztbesuche finden einmal wöchentlich statt. Auch auf Verlangen hin erscheint kein Arzt ausserhalb des Turnus. In einem Fall soll die 'Untersuchung' nicht mehr als eine halbe Minute gedauert haben, dies obwohl der Häftling auf einer ernsthaften Untersuchung bestand.
 
Lesestoff/Schreibmaterial:
An Stelle von Lesestoff wird Werbematerial verteilt. Schreibmaterial wird auf auf Antrag hin willkürlich verteilt.
 
Kontaktsperre:
Den Häftlingen wird jeglicher Kontakt mit der Aussenwelt verunmöglicht. Sie haben weder die Möglichkeit, Briefe zu schreiben, noch zu telefonieren. Dies betrifft auch Kontakte mit AnwältInnen.
 
Ausschaffungshaft als Beugehaft
Diese Haftbedingungen sind in der Verordnung über kantonale Polizeigefängnisse höchstens als Disziplinarmassnahmen definiert. Es war jedoch in keinem der jetzt bekannten Fälle von einer solchen Massnahme die Rede. Die harten, teilweise ungesetzlichen Haftbedingungen scheinen für die verantwortlichen Behörden eher die Funktion eines Druckes zu haben, mit dem die Häftlinge zu besserer Kooperation im Ausschaffungsprozedere gezwungen werden. So wurde von einem Insassen erzählt, dass er ca. alle 10 Tage bei der Fremdenpolizei vorgeführt wurde. Einem Entlassenen wurde offiziell gesagt, er solle sich in ein Nachbarland begeben. Er habe ja gesehen, dass es hier nicht gut sei für ihn...

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