Bulletin Nr. 5; März 1995
Drogenbekämpfung als Alibi
Unter dem Vorwand, die Ausbreitung der Drogenszene zu bekämpfen, ist in der
Schweiz die Justiz- und Polizeimaschinerie massiv ausgebaut worden. Noch
vor wenigen Jahren wäre es völlig unvorstellbar gewesen, ein solch
völkerrechtswidriges Gesetzt wie die "Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht"
ohne nennenswerten Widerstand durchzupauken. Oder gar eine Stadt
polizeilich einzunehmen und zu belagern, wie das zur Zeit in Zürich geschieht.
Nach dem Fichenskandal musste die Regeierung einen Vorwand finden, um den
Repressionsapparat weiter zu rechtfertigen und auszubauen. Bereits bei der
Räumung der Bäckerstrasse und des Wohlgroths mit Hilfe von
Anti-Terror-Einheiten zeichnete sich ab, wie der Staat zukünftig mit
"Widerspenstigen" umzugehen gedenkt.
Nicht nur dKräfte links von der SP hätten diese Massnahmen manniv bekämpft,
wären sie nicht unter dem Vorwand der Drogenbekämpfung lanciert worden. Die
Wirklichkeit beweist, dass die Warnungen derjenigen, welche die
"Zwangsmassnahmen" bekämpften, richig waren. Es geht heute in Zürich schon
längst nicht mehr "nur" um die Bekämpfung der Drogenszene. Die jüngsten
Ereignisse beweisen es. Es geht um einen "saubere" Stadt. Alles
randständige, unangepasste muss weg. Dazu gehören Junkies genauso wie
AusländerInnen, Alkis oder HausbesetzerInnen. Auch diejenigen, welche in
den Augen der Ordnungshüter nicht "normal" gekleidet und frisiert
herumlaufen, gehören jetzt zur Kategorie potentielle/r Kriminelle/r.
"Jetzt haben wir die Giftler und Ausländer von der Strasse, jetzt
seid ihr an der Reihe"
In de Nacht vom 10. Auf den 11. März 1995 wollte eine Gruppe von Leuten,
welche die horrenden Preise der Kommerzdiscos satt habe, aber trotzdem
tanzen möchten, eine sogenannet "Sauvage" in einer leerstehenden
Liegenschaft an der Röschibachstrasse in Zürich veranstalten. Selbst diese
wenige Stunden nicht kommerziellen Vergnügens habe in Zürich keinen Platz.
Ein Grossaufgebot der Stadtpolizei schoss, schlug und biss (mit dem Hund
Wotan) die meist jugendlichen BesucherInnen. Die Äusserungen des
Einsatzleiters, der sich als Herr Escher vorstellte, mögen in der
Ehrlichkeit überraschen, zeigen aber klar worum es den Stadtbehörden geht.
"Jetzt habe wir die Giftler und Ausländer von der Strasse, jetzt seid ihr
an der Reihe"! Nahtlos reiht sich die Räumung des besetzten Hauses "Hotel
Ascona" sowie die erneute Säuberung der Bäckeranlage von Alkis in das Bild
ihrer sauberen Stadt.
Ausschaffen und Einsperren
Dass bei diesem neurotischen Sauberkeitswahn die sozial Schwachen zuerst
drankommen, ist klar. Dass dabei Menscherechtsverletzungen bewusst in Kauf
genommen werden, bewisen die Äusserungen von Polizeivorstand Neeukomm und
Stadtpräsident Estermann: Sie fordern die Wiederinbetriebnahme des
illegalen Waidgfängnisses. Dass sie dabei den bürgerlichen Regierungsrat
Homberger vor den Wahlren rechts überholen, scheint weder sie noch ihre
Partei zu stören. Stolz erklären sie, dass innert einem Monat 400(!)
AusländerInnen "ausgeschafft" wurden.
Der Rechtsanwalt, Präsident der Vereinigung für die Verhütung von Folter
(APT) und SP-Mitglied Marco Mona schreibt in einem bemerkenswerten Artikel
zum Waidgefängnis: "Es gibt keine halben Menschenrechte. Das Verbot
schlechter Behandlung vonPesonen, dnen die Freiheit entzogen ist, hat nach
Lehre und Praxis absoluten Charakter. Das heisst, dass es keinen noch so
gearteten Notstand gibt, der Folter und schlechte Behandlung und demnach
auch die Missachtung der Mindestvorschriften auch nur teilweise oder
vorübergehend zulässt."
Die sozialdemokratische Partei wäre gut beraten, sich ernsthaft zu
überlegen, auf welcher Seite sie steht. Solane die SP diese Politik ihrer
Regierungsmitglieder deckt, muss sie sich den Vorwurf gefallen lassen, für
die systematische Verletzung von Menschenrechten mitverantwortlich zu sein.
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