Bulletin Nr.56; März 2008

Der Bericht über die Polizeimethoden bei der verhinderten Demo in Basel liegt vor

Befehl: «Möglichst viele Festnahmen»

Nach den Verhaftungen in Basel vom 26. Januar 2008 hat der Vorsteher des Sicherheitsdepartements, Regierungsrat Hanspeter Gass, eine Untersuchung in Auftrag gegeben. Diese bezeichnet den Polizeieinsatz phasenweise als «unverhältnismässig».

Der Untersuchungsbericht des ehemaligen Strafgerichtspräsidenten und FDP-Parteikollegen von Regierungsrat Hanspeter Gass, Dr. iur. Christoph Meier, kommt zum Schluss, dass der Polizeieinsatz vom 26. Januar phasenweise unverhältnismässig verlief. Er listet eine ganze Reihe von Punkten auf, die «im Hinblick auf künftige Einsätze mit vergleichbarem Szenario kritisch zu überprüfen» sind. Zudem gebe es bereits zwei polizeiinterne Arbeitsgruppen, um künftig im Umgang mit Jugendlichen und mit dem Datenschutz geschickter zu handeln. Und die Regierung entschuldigte sich öffentlich bei all jenen, die ungerechtfertigt verhaftet, ihrer Freiheit beraubt und fichiert worden waren.
Die Tatsache, dass die öffentlich zugängliche Version des 20-seitigen Berichts über den 26. Januar einzig auf Polizeiprotokollen basiert und sich die Regierung darin entschuldigt, zeigt, wie unverhältnismässig der Polizeieinsatz gewesen sein muss. Beschwerden von Betroffenen werden mit keinem Wort verwertet. Eine interessante Lektüre ist der Bericht allemal. Daraus wird ersichtlich, wie sich die Bedrohungslage in den Köpfen der Polizeistrategen in den Tagen vor der Demo steigerte. Der Verlauf der Anti-WEF-Demo in Bern, Brandanschläge auf Luxusautos, Banken und Chemie sowie «Erfahrungen von früheren Anti-WEF-Demos» in Basel verleiteten die Polizei dazu, in ihrem Einsatzbefehl drei Punkte hervorzuheben: «Möglichst viele Festnahmen und Befragungen gemäss PolG durchführen zu können», «durch äusserst hohe Mobilität und Entschlossenheit einen professionellen Zugriff zu ermöglichen» und «Rücksicht auf Unbeteiligte zu nehmen».

Revolutionärer Aufbau Schweiz – eine Bewegung?
Dass sich Punkt eins und Punkt drei im Übereifer und in schwerer Grenadieruniform zwangsläufig beissen müssen, wurde der Polizei erst nachträglich bewusst. Alle, die sich aber zu früh freuen, werden enttäuscht: Von den 66 verhafteten Personen waren nur gerade 25 unbeteiligt (darunter zwölf tschechische Architektur-StudentInnen, die äusserlich Anti-WEF-Aktivisten zum Verwechseln ähnlich sahen). Zwei Drittel der Verhafteten nämlich, 41 Personen, werden laut Polizei und Untersuchungsbericht «der Bewegung revolutionärer Aufbau Schweiz (RAS) zugerechnet». Erstaunlich, wie schnell in polizeilichen Datenbanken aus einer revolutionären Gruppe eine Bewegung wird … Die Informationen stammen vom «Dienst für Analyse und Prävention» der Bundespolizei.
Warum und wie 41 Personen in die Linksextremisten-Datenbank und die Rubrik Aufbau-Mitglied gelangt sind, darüber gibt der Bericht keine Auskunft. Der unabhängige Berichterstatter Christoph Meier konnte aus Bern keine Informationen erhalten.
In der flächendeckenden Fichierung von Menschen tut sich also hier ein kleines Fensterchen auf. Und dahinter ist ein grosses schwarzes Loch. Dem Datenmissbrauch werden Tür und Tor geöffnet. Die Bundesberner FichiererInnen registrieren nach wie vor unkontrolliert, wen auch immer sie wollen, und kein unabhängiger Untersuchender, sei er auch noch so FDP, erhält Einsicht in ihre Karteien.

«Polizist fiel mir durch seine Aggressivität auf»
Einer der Verhafteten vom 26. Januar berichtet, was ihm und seiner Freundin an jenem Samstagnachmittag widerfahren ist. Wir geben Auszüge aus seinem Bericht wieder.

«Wir waren mit Freunden unterwegs zum Restaurant ‹Hasenburg›, als uns auf einmal eine geschlossene Reihe Polizisten in Kampfmontur das Weitergehen verweigerte. Es stand zwar ein Häufchen junger Leute herum. Von einer Demonstration oder Kundgebung war aber nicht das Geringste zu erkennen. Es gab weder Sprechchöre noch Transparente. Und es behinderte auch niemand den Verkehr.
Plötzlich bemerkten wir, wie sich die Polizisten ohne jeden ersichtlichen Anlass ausgerechnet auf einen Mann stürzten, den wir entfernt kennen und der uns als schwerer Epileptiker bekannt ist. In meiner Funktion als Journalist fragte ich die Polizisten, was das solle, verlangte, den Mann frei zu lassen und erkundigte mich nach den Personalien der Beamten. Obwohl ich deutlich darauf aufmerksam machte, dass ich Journalist bin und dies auch belegte, stürzten sich völlig willkürlich sieben bis acht Beamte auf mich und meine Freundin, überwältigten uns mit roher Gewalt und fesselten uns die Hände mit Kabelbindern auf den Rücken. Ein Polizist mit der Nummer 5313 fiel mir durch seine Aggressivität auf. Ein weiterer Polizist in Kampfmontur schubste meine bereits gefesselte Freundin unablässig und versuchte, ihr ein Bein zu stellen. Er hatte entgegen den Vorschriften keine Nummer auf seiner Montur. Als meine Freundin nach seiner Nummer oder seinem Namen fragte, verhöhnte er sie.
Auf unsere wiederholten Fragen nach dem Anlass unserer Verhaftung wurde uns keine Auskunft gegeben.

Wir wurden in Kastenwagen ins Untersuchungsgefängnis Waaghof gebracht, wo wir sechs Stunden ohne Nahrung und Informationen festsassen und fotografiert wurden.»

augenauf Basel



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