Bulletin Nr.55; Dezember 2007

Die Basler Behörden versuchen, mit hohen Bussen ein Exempel zu statuieren

Die langen Schatten des WEF

Die Anti-WEF-Demonstration 2005 hat ein gerichtliches Nachspiel: Die DemonstrantInnen, die am 29. Januar 2005 von einem riesigen Polizeiaufgebot eingekesselt und verhaftet worden sind, müssen fast drei Jahre danach vor Gericht erscheinen.

Der Prozess gegen 15 DemonstrantInnen findet am 5. und 6. Dezember 2007 statt. Den Angeklagten drohen Bussen von tausend und mehr Franken. Zum Prozess kommt es, weil die Betroffenen gegen die ungerechtfertigten und unverhältnismässig hohen Bussen Einsprache erhoben haben. Allerdings hat sich bereits im Vorfeld des Prozesses Bemerkenswertes ereignet: Das Gericht stellte in 16 Fällen, in denen Angeschuldigte auf Anraten der Anti-Repressions-Gruppe gegen die Anklagen rekurriert hatten, das Verfahren ein. Offensichtlich hielten die Anklagen der Prüfung durch den Richter nicht stand. Wer keine Einsprache erhoben hatte, wurde bereits zur Kasse gebeten.

Das grösste Polizeiaufgebot aller Zeiten
Wie ist es zu dem Strafbefehl gekommen? Ein Bündnis in Basel lädt am 29. Januar 2005 zu einer Demonstration gegen das World Economic Forum (WEF) nach Basel ein. Zuvor ist eine landesweite Demo in Bern abgesagt worden, weil die Behörden die Durchführung an unsinnige Bedingungen geknüpft hatten. Aufgrund dieser Erfahrung verzichten die Basler VeranstalterInnen darauf, ebenfalls eine Bewilligung einzuholen.
Es ist nicht die erste unbewilligte Demo in Basel. Diesmal aber bieten die Behörden das gesamte Nordwestschweizer Polizeikonkordat auf. PolizistInnen aus Basel, Bern, Aargau, Baselland und anderen Kantonen, zahlreiche Einsatzfahrzeuge und ein Wasserwerfer – extra aus Zürich ausgeliehen – sollen für Ruhe und Ordnung sorgen. Selbst Polizeisprecher Klaus Mannhart gibt zu, dass es sich um das grösste Polizeiaufgebot aller Zeiten in Basel handelt.
Menschen werden bereits im Vorfeld fest- und in Präventivhaft genommen. Etwa 300 Personen schaffen es bis zum Besammlungsort auf dem Barfüsserplatz. Dort werden sie von einem fünfreihigen Polizeikordon eingekesselt, der sich bis in die angrenzenden Gassen ausdehnt. Die Polizei fordert die Menge auf, den Platz innert drei Minuten zu verlassen, was wegen des Kessels jedoch gar nicht möglich ist. Die Sicherheitskräfte wollen die Leute nämlich erst ziehen lassen, nachdem sie kontrolliert worden sind. Hierfür werden von den BeamtInnen an mehreren Stellen «Schleusen» eingerichtet, wo jede Person einzeln kontrolliert und registriert werden soll. Natürlich dauern die detaillierten Kontrollen länger als drei Minuten. Nach drei Stunden stehen immer noch etwa 60 Personen im Polizeikessel. Nun beschliesst die Einsatzleitung der Polizei, die restlichen Menschen auf dem Platz zu verhaften. Diese DemonstrantInnen werden von der Polizei als «die Bösen» abgestempelt, die sich der Kontrolle angeblich widersetzen. 54 von ihnen erhalten ein Jahr später – übrigens im Vorfeld des folgenden WEF – einen Strafbefehl, gegen den die meisten von ihnen Einspruch erheben.

Der Schnüffelstaat lebt
Insgesamt werden an jenem Tag 777 Personen kontrolliert. Deren Daten werden wohl – genauso wie die der über tausend Kontrollierten von Landquart 2004 – direkt an den Dienst für Analyse und Prävention (DAP), den Inlandgeheimdienst, weitergeleitet.
Die Zusammenarbeit zwischen Polizei bzw. Staatsanwaltschaft und DAP gehört heute zur Routine und der Staatsschutz sammelt wieder ungeniert Daten von politisch bewegten Menschen. Doch obwohl der Fichenskandal noch keine zwei Jahrzehnte alt ist, scheint die neuerliche Datensammelwut kaum jemanden aufhorchen zu lassen. Dabei lassen die schier unbegrenzten Möglichkeiten digitaler Datenverarbeitung und -weitergabe die papierernen Fichen, Akten und Spitzelberichte reichlich antiquiert erscheinen.
Alles deutet darauf hin, dass die StaatsschützerInnen wieder Datenbanken anlegen und vernetzen. Transparenter, demokratischer oder kontrollierbarer als zur Zeit des Fichenskandals ist der Staatsschutz nicht geworden. So muss zum Beispiel die parlamentarische Geschäftsprüfungskommission Basels in ihrem Jahresbericht 2006 festhalten, dass es ihren Mitgliedern nicht möglich ist, die kantonale Abteilung des DAP zu prüfen. Was der Geheimdienst macht, bleibt also weiterhin geheim.
Ein Mittel, sich gegen die Fichierung zu wehren, gibt es nicht. Einsicht können Betroffene nicht nehmen. Es kann höchstens indirekt über den Datenschutzbeauftragten abgeklärt werden, ob die Einträge allenfalls nicht rechtmässig sind.
Über die Urteile im Prozess von Anfang Dezember berichten wir im nächsten augenauf-Bulletin.         

augenauf Basel



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