Bulletin Nr.52; Februar 2007

Der «Öko-Terrorist» wird nicht verwahrt

Der Prozess von Marco Camenisch

Mitte März 2007 rückte Marco Camenisch erneut in den Fokus der Medien. Der militante AKW-Gegner, der als «Öko-Terrorist» in die Schweizer Kriminalgeschichte eingegangen ist, stand einmal mehr vor Gericht.

Ein Blick zurück:  In den Siebzigerjahren wird Marco Camenisch zum Öko-Aktivisten und setzt sich gegen Atomkraftwerke ein. Zusammen mit einigen Genossen verübt er mehrere Sprengstoffanschläge gegen Starkstrom-Masten der Nordostschweizerischen Kraftwerke AG. Für diese Taten wird er im Zuge der Terrorhysterie zu nicht weniger als zehn Jahren Knast verurteilt.
Marco bleibt nicht lange im Gefängnis. Nach zwei Jahren gelingt ihm die Flucht. In der Folge gehört er elf Jahre lang zu den meistgesuchten Personen der Schweiz – bis er in Italien verhaftet wird. 1993 verurteilt ihn ein italienisches Gericht wegen schwerer Körperverletzung (Schusswechsel mit der Polizei bei der Verhaftung) und diverser Sabotage-Aktionen zu zwölf Jahren Zuchthaus.
Im Jahr 2002 erfolgt Marcos Auslieferung an die Schweiz, wo ihn die Verbüssung der Reststrafe von acht Jahren, ein Haftbefehl wegen seiner Flucht und die Anklage wegen Verdachts auf Tötung eines Grenzwächters im bündnerischen Brusio 1989 erwartet.
Um das Strafmass für diese Tötung ist es nun vor dem Zürcher Geschworenengericht gegangen. Das Gericht hat die Strafe von 17 Jahren aus dem Jahr 2004 auf acht Jahre gesenkt. Trotzdem: Wenn Marco frühestens im Jahr 2012 freikommt – vorausgesetzt, er bekommt den «Drittel» – wird er über 27 Jahre im Gefängnis verbracht haben. Im Vergleich dazu lässt man einen «normalen» zu lebenslänglich Verurteilten in der Regel nach 15 Jahren auf Bewährung frei.
Zudem hat Staatsanwalt Ulrich Weder einen Antrag auf Verwahrung gestellt. Diesen hat das Gericht abgelehnt, u. a. mit der Begründung, dass ein nachträglicher Antrag gegen Völker- und Menschenrecht verstosse. Im alten Strafrecht, das für Marco noch gilt, muss ein Delinquent entweder Gewohnheitsverbrecher oder geistig abnormal sein, damit man ihn verwahren kann. Doch es ist dem Ankläger nicht gelungen, aus dem politischen Aktivisten Marco Camenisch einen Geisteskranken zu machen. Ein kleiner Lichtblick.

Aber auch beim Licht heisst es auf der Hut zu sein – sofern es nicht von Stromsparlampen kommt. Zum Glück lassen sich die Öko-Ideale von Camenisch nicht verwahren. Denn diese werden wir in Zukunft wieder vermehrt brauchen. Und das nicht nur wegen der erneut aufgeflammten AKW-Träume der Wirtschaft.

augenauf Basel



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