Bulletin Nr.52; Februar 2007

«Failure in Swissland is not the end»

Zum Tod von Alhusein Douto Kora

Seine Schweizer Freunde kannten ihn als Modou Keita. In einer Zelle des Zürcher Polizeigefängnisses starb am Morgen des 5. März 2007 Alhusein Douto Kora nach vier Monaten «Ausländerhaft» in Altstätten (SG) und einem Irrflug von Kloten nach Gambia und zurück.

Am 17. März 2007 nahmen im St. Galler Stadtgarten rund 50 Freundinnen und Freunde des Solidaritätsnetzes St. Gallen von Modou Abschied. Der 43-jährige Afrikaner war eine der tragenden Figuren des Mittagstischs, die das Netz als Antwort auf den Ausschluss vieler Flüchtlinge von der Nothilfe gegründet hatten. Einen Tag später, am 18. März, trafen sich Männer und Frauen aus der westafrikanischen Community mit seinen Angehörigen – dem aus Paris angereisten Bruder Sekou, seinem in Barcelona lebenden Cousin Lamin und dem ebenfalls aus Paris angereisten Jugendfreund Kawsu – in Zürich.
Sie alle fragen sich, warum der seit fünf Jahren in der Schweiz lebende, von allen als ausserordentlich liebenswürdig und kerngesund beschriebene Mann gestorben ist. Haben ihm die Gefängnisbehörden die richtige Hilfe gegeben, als er nach den drei Tagen Irrflug von der Schweiz nach Gambia in die Schweiz über Atembeschwerden klagte? Wäre Douto, der nach Gambia zurückkehren wollte, noch am Leben, wenn das St. Galler Migrationsamt nicht auf einer kontrollierten Ausschaffung bestanden hätte?
Die Zürcher Justiz hat eine Untersuchung angeordnet. Das ist üblich, wenn Gefangene in ihrer Zelle sterben. Die untersuchende Staatsanwältin Ruth Budliger ist jedoch sehr wortkarg – wie das in solchen Fällen ebenfalls üblich ist. Klarheit werden wir auch in diesem Fall erst haben, wenn der Anwalt der Familie, die im Verfahren von augenauf unterstützt wird, die Ergebnisse der gerichtsmedizinischen Untersuchung und der Befragungen einsehen kann.

Doutos Lebensgeschichte
Erinnern wir uns deshalb der Lebensgeschichte Doutos, die typisch ist für unsere Zeiten. Alhusein Douto Kora ist in Tambasan Sang aufgewachsen, einem kleinen Dorf in Gambia. Im Nachbardorf besuchte er die englische Schule, lebte anschliessend zwischen der Hauptstadt Banjul und seiner Heimat, heiratete zweimal, hatte Kinder, die seit längerem in den Familien ihrer Mütter leben.
2002 kam er in die Schweiz. Sein Asylgesuch, das er als Modou Keita, Mali, eingereicht hatte, wurde abgelehnt. Der Rekurs gegen die Ablehnung auch. Seither schlug sich Douto mit den Ausschaffungsbehörden herum. Er musste sich einem Lingua-Test unterziehen, der ihn als «30 Prozent Senegalese und 70 Prozent Gambier» bestimmt hat und wurde auf Nothilfe gesetzt. Man führte ihn auch noch der famosen Delegation aus Guinea vor.
Die viermonatige Ausschaffungshaft in Altstätten hat ihm die Lust an der Schweiz genommen. In seinem letzten Brief sagte er, dass er nach Afrika zurückkehren wolle: «Failure in Swissland is not the end» – «wenn ein Tor zugeht, geht ein anderes auf». Die St. Galler Behörden organisierten die unbegleitete Ausschaffung. Polizisten brachten Douto am Donnerstag, den 1. März 2007, in Zürich zum Flugzeug. Auf den zwei Zwischenstopps wurde er von lokalen Polizisten durch den Transit geführt. In Gambia verweigerten ihm die Behörden die Einreise. Am Samstag, drei Tage nach seiner Abreise, kam er wieder in Zürich an, wurde ins Polizeigefängnis auf der Zürcher Kasernenwiese gebracht, wo er auf den für Montag vorgesehenen Rücktransport nach St. Gallen wartete.
Laut der Pressemitteilung der Zürcher Kantonspolizei habe er am Sonntag über Atembeschwerden geklagt. Am Sonntagabend und am Montagmorgen habe er ein Medikament bekommen. An diesem Montagmorgen, den 5. März 2007 um 9.30 Uhr, habe der Arzt den Mann tot auf dem Boden liegend gefunden.

Offizielle Schweiz: Kein Geld für den Leichentransport
Die Familie möchte Douto Kora nach muslimischer Sitte neben seinem Vater in Tambasan Sang beerdigen. Den Ausschaffungsflug haben die Schweizer Behörden bezahlt. An den Kosten des Leichentransports – 5000 bis 8000 Franken – beteiligt sich die offizielle Schweiz nicht. Die Familie bittet um finanzielle Unterstützung. Zahlungen mit dem Vermerk «Douto Kora» wird augenauf der Familie überweisen. Was nicht für den Leichentransport gebraucht wird, kommt den in Gambia lebenden Kindern von Douto zu Gute. augenauf Zürich

Todesanzeige:
«Der Pass ist der edelste Teil an einem Menschen.
Er kommt auch nicht so auf einfache Weise zustande wie ein Mensch.
Ein Mensch kann überall zustande kommen,
auf die leichtsinnigste Art und Weise,
aber ein Pass niemals.
Dafür wird er auch anerkannt, wenn er gut ist,
während ein Mensch noch so gut sein kann
und doch nicht anerkannt wird.»
Bertold Brecht, Flüchtlingsgespräche

Wir trauern um
Alhusein Douto Kora - Modou Keita

Es gab keinen Platz für ihn in der Schweiz. Sein Wunsch, nach Gambia in sein Herkunftsland zurückzukehren, hat sich nicht erfüllt.
Er starb am 5. März aus noch ungeklärten Gründen im Zürcher Polizeigefängnis.

Seine Freunde, Freundinnen und Kollegen aus Zürich und St. Gallen

augenauf Zürich, Solidaritätsnetz Ostschweiz



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