Bulletin Nr.52; Februar 2007

Basler Grenzpolizisten misshandeln Menschenrechtsaktivisten aus Aserbaidschan

«Du kannst eh nichts gegen uns machen, du Scheiss-Ausländer!»

Einmal mehr zeichnen sich Basler Polizisten durch rohe Gewalt und verbale Entgleisungen gegenüber einem Ausländer aus. Im Unterschied zu anderen Fällen wehrt sich der Betroffene erfolgreich.

So beginnt eine alltägliche Geschichte: Eine Gruppe, zwei Männer, eine Frau, klar erkennbar als NichtschweizerInnen, geraten im Frühjahr 2005 an einem Nachmittag in eine Personenkontrolle. Die drei kennen sich von früher aus einem Asylheim im Kanton Baselland. Sie befinden sich alle auf der Suche nach Arbeit und waren deshalb in der «Elvetino Railbar», gleich neben dem Bahnhofsgebäude. Wieder draussen, beim Überqueren der Bahnhofpasserelle, gerät Bewegung in die Geschichte: Zwei Polizisten stellen sich ihnen in den Weg und verlangen ihre Ausweise. Alle drei sind mit den Verhältnissen in der Schweiz vertraut und anerkannte Flüchtlinge. Alle drei händigen ihre Ausweise einem der Polizisten aus.
Der Älteste aus der Gruppe ist am Rauchen. Die Polizisten deuten in Gebärdensprache an, dass er die Zigarette sofort wegwerfen soll. Auf sprachliche Kommunikation wird offenbar ganz verzichtet, obwohl alle Beteiligten sich auf Deutsch verständigen können. G. R., Familienvater, etwa 40 Jahre alt, Menschenrechtsaktivist aus Aserbaidschan, ist in dieser Situation verunsichert. Was ist jetzt hier in der Schweiz das höhere Rechtsgut, sofortiger Gehorsam gegenüber den Behörden oder Sauberkeit und Ordnung? Soll er die Kippe auf den Boden werfen und austreten, ein klarer Fall von Littering in direkter Gegenwart der Polizei? G. R. zögert einen Augenblick zu lange.
Der Gerichtspräsident wird ihm zum Abschluss der Verhandlung mahnend mit auf den Weg geben: «Nächstes Mal, wenn die Polizei verlangt, dass Sie die Zigarette auf den Boden schmeissen, überlegen Sie nicht, Sie wissen jetzt, es gibt sonst Ärger.»

Nonverbale Kommunikation
Und es gibt Ärger. Die beiden Polizisten bleiben beim ’bewährten’ Konzept der nonverbalen Kommunikation. Sie werfen G. R. zu Boden, legen ihm Handschellen an und schleifen ihn zum Entsetzen der beiden anderen, nun auch ZeugInnen des Vorfalls, in den nahegelegenen Bahnhofspolizeiposten. Dort wird G. R. zur ’Abklärung der Personalien’ geschlagen, mit Fusstritten traktiert, beschimpft und in eine Zelle gesperrt. G. R. erklärt, dass er als politischer Flüchtling in der Schweiz Schutz gesucht habe und verlangt nach einem Anwalt. Nach anderthalb Stunden werfen die beiden Beamten ihr Opfer wieder aus dem Posten, nicht ohne ihm aus ihrer Sicht die Rechtslage darzulegen: «Du kannst eh nichts gegen uns machen, du Scheiss-Ausländer!» und «Wenn du dich irgendwo beschwerst, verlierst du deine Aufenthaltserlaubnis und fliegst raus» – aus der Schweiz, nicht aus dem Polizeiposten.
G. R. ist zutiefst schockiert über das Vorgefallene. augenauf weiss leider, es ist kein Einzelfall. G. R. war in seinem Heimatland politisch in einer Menschenrechtsorganisation aktiv, wurde aber verfolgt, eingesperrt und gefoltert und ist in die Schweiz geflohen, um hier Schutz und Sicherheit für sich und seine Familie zu finden. Mit diesem persönlichen Erfahrungshintergrund schreibt er an die Beschwerdestelle der Polizei.
André Auderset, der Mediensprecher der Polizei, antwortet: «Der Vorfall wird von den Mitarbeitenden der Grenzpolizei deutlich anders geschildert», alles andere hätte uns eigentlich doch erstaunt. «Gemäss den uns vorliegenden Unterlagen ist kein Fehlverhalten der Grenzpolizei erkennbar oder wahrscheinlich.» Postwendend, nämlich 14 Tage später, kommt eine Anzeige wegen Diensterschwernis. Auf diesem Weg scheint die polizeiliche Kommunikation besser zu klappen.

Erfolgreiche Einsprache
G. R. erhebt Einsprache gegen die Anzeige, obwohl solche Einsprachen oder gar Anzeigen gegen die Polizei in der Regel chancenlos sind. Es kommt zum Gerichtsverfahren, bei dem augenauf G. R. mit der Vermittlung eines Anwalts, der Organisation von Presse und mit Anwesenheit unterstützt.
Bei der Verhandlung hat Gerichtspräsident Lukas Faesch (LDP) eine schwierige Situation vor sich. Die Polizei schickt nur einen der beteiligten Beamten, der sich jedoch an nichts mehr erinnern kann und der auch den Rapport nicht geschrieben hat, auf den sich die Anzeige wegen Diensterschwernis stützt. Zwei ZeugInnen bestätigen den geschilderten Hergang ausserhalb des Polizeipostens. Sie bestätigen auch, dass G. R. länger als eine Stunde auf dem Polizeiposten festgehalten wurde – entgegen der im Polizeirapport vermerkten 20 Minuten. Auch wenn der Richter mehrmals darauf hinzuweisen versucht, dass in diesem Verfahren nicht die Schläge, Tritte und Beschimpfungen beurteilt werden, sondern lediglich die Behinderung der Polizeiarbeit, kommt er nicht umhin anzuerkennen, dass sich der Vorfall wohl anders als von der Polizei geschildert abgespielt haben muss. Vielleicht auch, weil Öffentlichkeit und Presse im Saal vertreten sind und weil der Angeklagte mit einem Anwalt erscheint, wird er schliesslich freigesprochen (siehe «Basler Zeitung» vom 21. 2. 2007).
Natürlich nicht ohne die dritte zitierwürdige Belehrung, noch einmal vom Gerichtspräsidenten: «Es ist nicht an uns, den Betroffenen, sich Gedanken über den Sinn polizeilicher Massnahmen zu machen.» Das sehen G. R. und augenauf anders und haben deshalb einen Brief an den Basler Regierungsrat Hanspeter Gass geschrieben (siehe Kasten unten).       augenauf Basel

Beschwerdebrief von augenauf an den Basler Regierungsrat Hanspeter Gass
Sehr geehrter Herr Regierungsrat Gass
Wie Sie der Beilage entnehmen können, hat Herr R. am 15. Juni 2005 bei der Beschwerdestelle der Polizei eine Beschwerde wegen Übergriffen anlässlich einer Polizeikontrolle eingereicht. Nachdem Herr R. im Verzeigungsverfahren vom 19. Feb. 2007 von der Anschuldigung der Diensterschwernis freigesprochen worden ist, erwarten wir, dass die Beschwerdestelle die Untersuchung dieses gravierenden Vorfalls wieder aufnimmt.
Im Verfahren gegen Herrn R. ist klar geworden, dass es Unstimmigkeiten im Rapport dieser Polizeikontrolle gibt. Die erste Antwort auf die Beschwerde stützt sich aber offenbar allein auf die Lektüre dieses Polizeirapports.
In diesem Zusammenhang möchten wir auch wissen, welchen Ablauf die interne Untersuchung bei einer solch gravierenden Beschwerde nimmt.
Wie wir aus unserer Arbeit wissen, handelt es sich bei diesem Vorfall ja keineswegs um einen Einzelfall. Nur hat sich hier das Opfer des Übergriffs als anerkannter Flüchtling gegen die zusätzliche Anschuldigung der Diensterschwernis wehren können, ohne direkte Repressalien, Entzug der Arbeits- oder Aufenthaltserlaubnis gewärtigen zu müssen.

Wir danken Ihnen für Ihre Antwort und verbleiben

augenauf Basel



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