Bulletin Nr.52; Februar 2007

«Er wäre so oder so überall gestorben – auch im Spital»

Einsamer Tod in Altstätten

Am 3. Januar 2007 wurde der 20-jährige Ousman Sow aus Guinea im St. Galler Regionalgefängnis Altstätten in seiner Zelle tot aufgefunden. Der behandelnde Arzt – dem zunächst fahrlässige Tötung vorgeworfen wurde – wurde schliesslich freigesprochen.

Nachdem der Tod des jungen Mannes bekannt wurde, gaben die Behörden an, Ousman Sow habe sich in einem Hungerstreik befunden. Tatsächlich stellte das Institut für Rechtsmedizin «eine ungenügende Flüssigkeitseinnahme» als Todesursache fest. Die Anklagekammer eröffnete daraufhin eine Untersuchung gegen den zuständigen Gefängnisarzt wegen fahrlässiger Tötung. Die Anklage forderte eine nach dem neuen Strafgesetz mögliche bedingte Strafe von 28 500 Franken und eine Busse von 2000 Franken. Nun wurde der Arzt am 7. März 2007 durch das Gericht entlastet und freigesprochen.  
Laut Aussage des Anklagevertreters soll sich Ousman Sow zunehmend renitent und auffällig verhalten haben. Unter anderem habe er sich geweigert zu duschen und Kleider anzuziehen. Seine Bewegungen seien «ziellos» gewesen und er habe beispielsweise nur unverständlich geredet und Wasser aus Putzeimern getrunken. Ein Verhalten also, das auf eine schwere psychische Störung und Gefängnispsychose hinweisen könnte. Unverständlich bleibt, weshalb er angesichts der massiven Ängste nicht sofort psychologische Betreuung erhielt. Ein Notarzt wurde erst geholt, als Wärter beim Häftling Untertemperatur feststellten. Der Notarzt hielt zwar angesichts des schlimmen Zustandes einen fürsorgerischen Freiheitsentzug (FFE), also eine Einweisung in die Psychiatrie, für angebracht und teilte dies auch dem zuständigen Gefängnisarzt per Fax mit. Dieser stufte den Zustand des jungen Mannes jedoch als nicht lebensbedrohlich ein und bezichtigte den Häftling, ein Simulant zu sein.

Der 20-jährige Ousman Sow starb noch in derselben Nacht
Die Behörden gaben tags darauf an, Ousman Sow habe sich im Hungerstreik befunden. Eine Untersuchung des Instituts für Rechtsmedizin bestätigte in der Tat eine ungenügende Flüssigkeitseinnahme als Todesursache. Ein weiteres, von der Verteidigung des Arztes eingeholtes Gutachten stellte jedoch den Tod durch eine Lungenembolie fest – der Mann sei also weder verhungert noch verdurstet. Vielmehr «wäre er so oder so überall gestorben – auch im Spital», so die Argumentation des Anwalts des Arztes.
Das Kreisgericht folgte der Verteidigung und bekräftigte eine Lungenembolie als Todesursache. Dass der Tod durch das frühzeitige Einweisen in ein Spital hätte verhindert werden können, sei «so gut wie ausgeschlossen» gewesen. Dies war die einzige, lapidare Bemerkung, die zu dem unnötigen Tod des 20-jährigen Ousman Sow angemerkt wurde.

augenauf Zürich



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