Bulletin Nr. 51; Dezember 2006

Private Sicherheitsfirmen sind noch schlechter als ihr Ruf

Schlägertrupps von Protectas und Securitrans

Die Firmenphilosophie der Protectas – eine Tochter der Securitas – beruht laut Eigenwerbung und den Aussagen ihres Generaldirektors Yves Berchten, auf den drei Punkten «Integrität – Wachsamkeit – Hilfsbereitschaft».

«Jeder Mitarbeiter [sic] muss seine Aufgabe mit einer tadellosen Ethik führen, indem er gewissenhaft die Regeln, die Verfahren und die Anweisungen respektiert. Sicherheit bedeutet Schutz, Vertrauen und innere Ruhe. Unser Beruf besteht darin, diese Werte mit bestimmten Situationen zu verbinden (…). Jeder neue Mitarbeiter [sic] erhält eine Fachausbildung in technischen Belangen, Berufsethik, Brandverhütung, erster Hilfe, Signalementslehre, Rechtskunde und Sozialkompetenz.»
Wohin diese «Fachausbildung» führen kann, erfuhr Liliane A.* hautnah im Bus von Montreux nach Vevey bei einer Billettkontrolle. Obwohl sie im Besitz einer gültigen Busfahrkarte war, die ihre Arbeitgeberin ihr gegeben hatte, bezichtigte der in «Sozialkompetenz» und «Rechtskunde» ausgebildete Kontrolleur die Frau im Beisein aller Buspassagiere des Schwarzfahrens und der Buskartenfälschung. Dann forderte er Liliane A. auf, den Bus zu verlassen. Während des ganzen Kontrollprozederes musste der voll besetzte Bus an der Haltestelle warten.
Liliane A. protokollierte anschliessend: «Dann nahm er mir die gültige Karte weg, rief die Polizei und verpasste mir eine Busse von 100 Franken. Für Fahren ohne gültiges Billett und für das gefälschte Billett» – angeblich.

Pfefferspray als Ausdruck von Sozialkompetenz
Dass MitarbeiterInnen privater Sicherheitsfirmen einen zweifelhaften Ruf haben, ist nicht neu. Seit Jahren melden sich Leute bei augenauf, um sich über schmerzhafte, chauvinistische und rassistische Übergriffe, Schikanen und Anmache zu beklagen. Protectas, Securitas und Securitrans Sheriffs halten sich offenbar ungern an geltende Gesetze (schliesslich steckt Mann/Frau in einer Uniform) und haben es vor allem auf sogenannte Randständige, Drogenkonsumierende, Punks und AusländerInnen abgesehen. In diesem Fall richtete sich der Übergriff gegen eine Busfahrende, in einem anderen gegen einen eiligen Zugpassagier, wie der zweite Fall verdeutlicht. Vor einiger Zeit wurde A. A.* in der Basler Bahnhofspasserelle ohne Grund von zwei Securitrans-Angestellten angehalten und nach einer kurzen Auseinandersetzung gewaltsam zu Boden geworfen. Obwohl sich der Angegriffene nur verbal zur Wehr setzte, sprühten ihm die Sicherheitskräfte aus kürzester Distanz Pfefferspray in die Augen. Um ihm Handfesseln anzulegen, kniete sich einer der Securitrans-Mitarbeiter mit seinem ganzen Gewicht auf den Rücken des sich vor Schmerz windenden Mannes, eine sehr gefährliche Zwangsmassnahme, die bis zum Tod durch Ersticken führen kann. Sie drohten einem schockierten Beobachter dieser unverhältmässigen Securitrans-Aktion mit einer Anzeige, falls er nicht sofort «verreisen und abhauen» würde.

Die Polizei kritisiert – und steht selbst in der Kritik
Anfang November dieses Jahres kritisierte just der Polizeibeamtenverband der Schweiz die Securitrans für Übergriffe an Zivilpersonen und zitierte als Beispiel einen Übergriff aus dem Jahr 2005 von zwei Angestellten im Bahnhof Bern (NZZ 10. 11. 2006). Aber auch die Polizei kann ihre Hände nicht in Unschuld waschen; kritische BeobachterInnen übergriffiger Kontrollen und Razzien weist sie immer wieder vehement weg und droht ihnen stets nach dem gleichen Muster: Anzeige wegen Nichtbefolgens einer polizeilichen Anordnung und Behinderung einer Amtshandlung, wie die Baslerin Anni Lanz miterlebt hat. Eine Klage kann für Betroffene leider ziemlich teuer und aufwändig werden und endet fast immer ergebnislos, d.h. mit Freispruch der TäterInnen. Dennoch möchten wir die LeserInnen des augenauf Bulletins einmal mehr daran erinnern, dass wir Beobachtungen und Mitteilungen über Misshandlungen und Übergriffe seitens der Polizei und sogenannter Sicherheitsfirmen wie Protectas, Securitas, ORS usw. entgegennehmen. Alle Hinweise und Protokolle werden vertraulich und wenn gewünscht anonym behandelt.

augenauf Zürich

* Name der Redaktion bekannt

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