Bulletin Nr. 51; Dezember 2006

Der Preis, den keiner will: Auf den Spuren der Datenspürer

«Nicht lamentieren – nominieren!»

Der «Preis, den keiner will» wurde auch 2006 an jene verteilt, die im vergangenen Jahr durch ihren guten Willen aufgefallen sind, den Datenschutz zu verletzen, emsig Daten zu sammeln, die sie einen Dreck angehen, und immer mehr Überwachung anzustreben. Hinter den Big-Brother-Awards stehen das Archiv Schnüffelstaat Schweiz und die Swiss Internet User Group.

Am 16. November fand zum siebten Mal die Verleihung der Big Brother Awards statt – dieses Jahr im Sudhaus Warteck in Basel. Durchs Programm führte Ernst Jenni, der immer wieder satirische Beiträge von «Tele G», einem erfundenen TV-Sender, auf Grossleinwand einspielte. Improvisierte Instant-Sketches spielte die Theatergruppe «Die Mauerbrecher» aus Freiburg im Breisgau, die nach jeder Preisverleihung spontan Bezug nahm auf die neu in die «Hall of Shame» aufgenommenen Gewinner. Für einen Beton-Wanderpokal nominiert wurden unzählige Personen, Institutionen und Firmen wegen ihren äusserst einfallsreichen Schnüffelefforts (Jenni: «Datensammeln erfordert neben Fleiss und Ausdauer auch Kreativität»). Festzuhalten gilt, dass in der heutigen Zeit aber eine hundskommune kommunale Videoüberwachung, für die mehr als ein Dutzend Schweizer Gemeinden nominiert waren, nicht mehr reicht, um einen Preis zu gewinnen. Ebenfalls genügt es nicht, unbemannte Drohnen über der Zentralschweiz kreisen zu lassen, als Sportclub seine Fans biometrisch erfassen zu wollen oder ein einpflanzbares GPS für Hunde anzubieten. Nicht einmal ein nächtlicher Einbruch und das Durchsuchen des Papierkorbs im Büro eines Richterkollegen vermochten die Jury zu überzeugen. Denn diese hatte im wahrsten Sinne des Wortes die Qual der Wahl angesichts der sich in Innovationen und Unverschämtheiten übertrumpfenden Schnüffler der Nation.

Wer warum welchen Preis gewann:
  1. Kategorie, Staat: Der Gesamtbundesrat, vertreten durch BR Christoph Blocher. Grund: Änderung des BWIS (Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit), gegen das das Referendum leider nicht zustande kam (siehe Winkelried-Award).
  2. Kategorie, Business: Krankenkasse CSS. Grund: Im Computersystem der Christlichsozialen Krankenkassen der Schweiz wurden vertrauensärztliche Daten der Mitglieder für mehrere hundert MitarbeiterInnen sichtbar gemacht.
  3. . Kategorie, Arbeitsplatz: Mediamarkt Dietikon. Grund: Die MitarbeiterInnen wurden permanent videoüberwacht, auch ausserhalb der Verkaufsfläche. Zudem wurde einem Mitarbeiter gekündigt, weil er zu viel mit seiner Freundin gesprochen habe.
  4. Kategorie, Award fürs Lebenswerk: Hans Wegmüller. Grund: Wegmüller ist seit fünf Jahren Direktor des SND (Schweizerischer Nachrichtendienst) und aktiv in der «Amerikafraktion im VBS» (Militärdepartement). Bekannt wurde er u. a. durch die Faxaffäre im Januar dieses Jahres.
  5. Kategorie, Winkelried Award (der positive Preis): Referendumskomitee gegen das BWIS. Obwohl das Referendum gegen das BWIS nicht zustande gekommen war, schaffte es das Referendumskomitee in einem Achtungserfolg unter erschwerten Bedingungen und im kalten medialen und politischen Gegenwind, immerhin 40 000 Unterschriften zu sammeln.



augenauf Basel

Weitere Infos: www.bigbrotherawards.ch

Winkelried-Award 2005 für augenauf

augenauf schätzt sich glücklich, im vergangenen Jahr den Big Brother Award der einzigen positiven Kategorie erhalten zu haben: Den Winkelried Award als besondere Leistung im Kampf gegen Überwachung und Kontrolle. Die Ehre wurde uns zuteil aufgrund der sogenannten «Handy-Aktion» (siehe Bulletin 43/2004 und 47/2005). augenauf registrierte die Handys jener Menschen, die wegen «falschem» (z. B. NEE) oder gar keinem Ausweis keine Möglichkeit mehr hatten, ihre Prepaid-Handys zu nutzen, da per 31. Oktober 2004 sämtliche Handys dieser Kategorie registriert werden mussten. Diese Aktion bescherte mehreren tausend AsylbewerberInnen und anderen AusländerInnen anhaltenden Kontakt zum Kommunikationsnetz und Vertretern des rechtspolitischen Lagers nachhaltig rote Köpfe.

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