Bulletin Nr. 50; September 2006

Seit zwei Jahren dienen Fussballfans zur Legitimierung des staatlichen Fichierungswahns

Das neue Feindbild: Der Fussballfan

Ohne Feindbilder kommen Polizeiapparate und Polizeibehörden nicht aus. Zu den bekannten Gruppen HausbesetzerInnen, Punks und dunkelhäutige, junge Männer sind nun neu die Fussballfans hinzugekommen.


In Zürich sind es seit den Achtzigerjahren vor allem HausbesetzerInnen, Punks und Hip-Hopper, die von der Polizei als Blitzableiter missbraucht werden. Die «unangepassten» Jungen dienen als Begründung zur Etablierung von noch mehr Staatsmacht, noch mehr technischer Ausrüstung und noch breiterer Überwachung und Fichierung. Die «arbeitende Bevölkerung» wird zum Denunziantentum angehalten, einige Medien basteln kreativ an negativen Klischees dieser störrischen, jungen und konsumfeindlichen Randgruppe, die man nur mit «polizeilichen Hilfs- und Abwehrmitteln» wie Tasern, Tränengas-Wasserwerfern und Gummischrotgewehren in Schach halten könne.Neu sind nun die Fussballfans dazu gekommen. Dass sie in die obere Liga der Staatsfeinde aufsteigen konnten, verdanken sie in erster Linie der sozialdemokratischen Zürcher Stadträtin und Polizeivorsteherin Esther Maurer.

Der Kessel von Altstetten
Ihre fatale Strategie, präventiv alle Fans einer gewalttätigen Klientel zuzuordnen, setzte sie im Dezember 2004 um: Vor dem Meisterschaftsspiel GC (Grasshopper-Club Zürich) gegen den FCB (Fussball-Club Basel) am 5. Dezember 2004 hielt ein massives Zürcher Polizeiaufgebot 427 Personen in einem Kessel am Bahnhof Altstetten, einem Vorort von Zürich, fest, darunter viele Minderjährige. Alle Fans wurden vor dem Spiel aus dem Extrazug, mit dem sie angereist waren, herausgeholt und festgenommen.
Bereits in Basel verhinderte die Polizei, vermutlich in Absprache mit den Zürcher Behörden, dass Fans mit öffentlichen Zügen nach Zürich reisen konnten. Alle wurden genötigt, in den Extrazug einzusteigen. Im Bahnhof Altstetten wurden die Fans sofort eingekesselt. Die mit Schildern, Schlagstöcken, und Gummischrotgewehren ausgerüstete Polizei sperrte alle Ausgänge ab, um eine Personenkontrolle durchzuführen. Als ein Rauchtopf gezündet wurde, brach Panik aus. Die Polizisten reagierten ebenso panisch und sprayten Tränengas in die zusammengepferchte Menge.
Das Resultat: 300 verhaftete Fans, darunter 14-jährige Mädchen und 40 Jahre alte Familienväter, wurden in der Polizeikaserne in Massenzellen untergebracht – ohne Möglichkeit zu telefonieren oder auf die Toilette zu gehen. Alle wurden fichiert.Der 13. Mai 2006 brachte den Wächtern der inneren Sicherheit dann den Durchbruch. Das Meisterschafts-Endspiel zwischen den Erzrivalen Zürich und Basel versprach eine «Fussballparty» der ganz besonderen Art zu werden. Während die Zürcher Fans hinter einem über zwei Meter hohen Sicherheitszaun in Schach gehalten wurden, blieb der Zugang der Basler aufs Spielfeld offen. Wider Erwarten verlor der FCB das Spiel in letzter Minute. Die Hatz auf Spieler und Zürcher Fans wurde eröffnet, das Spielfeld durch Basler Fans gestürmt. Kaum war das Tränengas der massiv aufgebotenen Polizei verflogen, die letzten Feuerwerkskörper der Hooligans gegen Mitternacht verschossen, wetteiferten Mit- und Unverantwortliche in Sachen Fan-Bashing um die Wette.

«Wer unterschreibt, unterstützt Gewalttäter»
Der Sicherheitsverantwortliche der «Swiss Football League» Thomas Helbling unterstellte jenen, die das Referendum gegen die Änderung des Bundesgesetzes zur Wahrung der Inneren Sicherheit (BWIS, siehe Kasten) unterschrieben, sie machten gemeinsame Sache mit kriminellen und gewalttätigen Hooligans. Bundesrat Samuel Schmid von der SVP zog nach und freute sich über die unerwartete Hilfe für die Gesetzesvorlage. Auf die brisanten Inhalte des so genannten Hooligangesetzes ging niemand ein. Aber selbst der «Blick» schrieb: «Jetzt schreien alle laut nach dem Hooligangesetz. Aber das ist ein durchsichtiges Manöver, um vom bisherigen Nichtstun abzulenken. Schon heute sind Stadionverbote möglich, man muss sie nur durchsetzen.» Und der Einsatzleiter der Basler Polizei meinte: «Das Hooligangesetz hätte am Samstag wenig bis gar nichts gebracht. Die Gesetze gegen Randalierer sind heute schon da, man muss sie nur konsequent anwenden.»

Das «Hooligangesetz»
Das Referendum gegen das Bundesgesetz zur Wahrung der Inneren Sicherheit (BWIS), oft Hooligangesetz genannt, ist definitiv gescheitert. Ergriffen hatten es Fussball- und Eishockey-Fanclubs, unterstützt wurden sie u. a. von augenauf und den Demokratischen Juristinnen und Juristen (DJS).Somit treten die neuen Massnahmen am 1. Januar 2007 in Kraft. Mithilfe des Hooligangesetzes können Bürgerrechte massiv eingeschränkt werden. Willkürliche Aussagen von Angestellten privater Sicherheitsdienste können erwirken, dass Leute jahrelang vom Staat fichiert und mit Zwangsmassnahmen belegt werden. Das BWIS ist vor allem eine grosse Fichierungsaktion des Staates, die privaten Sicherheitsdiensten Zugriff auf Polizeidaten verschafft. Mit einer Datenbank und der Meldepflicht für Hooligans wird erreicht, dass diese überall erfasst und mit Rayonverboten belegt werden können. Diese Massnahmen können gegen Jugendliche ab 12 Jahren verhängt werden. Als schärfste Massnahme können Personen ab 15 Jahren für bis zu 24 Stunden in Polizeihaft genommen werden.

augenauf Zürich

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