Bulletin Nr. 49; Juli 2006
10 Jahre augenauf Bern – mehr als 10 Jahre rassistische Polizeibrutalität in Bern
Nur noch «korrekt» und «gefahrlos» würgen
Vor 10 Jahren – im Sommer 1996 – beschlossen Angehörige und
FreundInnen eines Opfers von rassistischer Polizeibrutalität sich
zu organisieren. Sie gründeten 1997 das Berner Büro von augenauf.
Ein kurzer Rückblick über die Strategien der Polizei gegenüber Schwarzen, gegenüber der Reitschule und vermeintlichen
und wirklichen Drogendealern.
Der damalige Fall betraf einen 32-jährigen afrikanischen Familienvater,
der Ende April 1996 in der Berner Innenstadt von Polizeigrenadieren
angehalten, als «mutmasslicher Drogendealer»
verdächtigt und danach verprügelt, bewusstlos gewürgt, verhaftet
und auf dem Waisenhausposten weiter misshandelt wurde.
Zurück blieben seelische und körperliche Prellungen sowie eine
Verletzung am Kehlkopf – ein Folge des Würgens.
Die Öffentlichmachung des Übergriffs und eine Strafanzeige
gegen die beteiligten Polizisten zwangen die Stadtpolizei medial
zu reagieren: An einer Medienkonferenz teilten die damals Verantwortlichen
der Öffentlichkeit mit, dass die Stadtpolizei in
Zukunft «korrekt» bzw. «gefahrlos» würgen werde. Medial elegant
präsentierten ein Stadtpolizist und eine Stadtpolizistin unter Aufsicht
eines «kompetenten Mediziners» den neuen «korrekten»
Würgegriff der Obrigkeit.
Monate später befand ein Gericht über den Vorfall und sprach
die beteiligten Polizisten vom Vorwurf des Amtsmissbrauchs
und der einfachen Körperverletzung frei:
«Die Schilderung des Schwarzafrikaners seien ’relativ abenteuerlich’.
Da er grösser gewachsen sei als die Polizisten und diese ’wenig kampferprobt’, müsse die vom Zeugen geschilderte
Misshandlung als unwahrscheinlich angeschaut werden.»(Bund
17.9.1997)
Wie schon in den Jahren zuvor setzte die Stadtpolizei Bern
ihre gezielte Desinformationskampagne fort, in der afrikanische
Männer bzw. «mutmassliche» afrikanische «Chügelidealer» als
aggressiv und extrem gewaltbereit dargestellt wurden. Im gleichen
Atemzug bat die Polizei jeweils um «Verständnis» für allfällige
unschöne Szenen bei Verhaftungen.
Die Folgen waren unvermeidlich: PolizeigrenadierInnen verwechselten
ihre Arbeit mit einem Rugby-Spiel und beleidigten,
verprügelten, verletzten und verhafteten dealende und nicht dealende
Schwarze. Die TäterInnen wurden selten angezeigt und
noch seltener von einem Gericht zur Rechenschaft gezogen.
«Task Farce» Drogenpolitik
Die Zustände in der Berner Innenstadt seien unzumutbar, befand
im Herbst 1997 die rot-grüne Regierungsmehrheit – sie meinte
damit nicht die rassistischen Polizeiübergriffe, sondern die
Zustände rund um den Berner Bahnhof. Diesen habe der damalige
freisinnige Polizeidirektor Kurt «Wegweisung» Wasserfallen
verslumen lassen, um Stimmung für die Abstimmungen über das
kantonale Polizeigesetz und über die Initiative «Jugend ohne Drogen
» zu machen. Das Dossier wurde ihm teilentzogen, die Rotgrünen
gründeten die Task Force Drogenpolitik, in der sie Polizei,
Sozialamt, Drogeninstitutionen, etc. zwecks koordinierter Zusammenarbeit
gleichschalteten.
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