Bulletin Nr. 48; April 2006

Biometrie: Sozialkontrolle und Repression

Mit Vollgas in den Überwachungsstaat

Biometrische Pässe werden ab September in einer Pilotphase in der Schweiz eingeführt. augenauf Basel lädt ein zu einer Podiumsdiskussion am 20. April mit BefürworterInnen und KritikerInnen der biometrischen Datensammlung und Über- wachung in der Schweiz.

Die biometrische Erfassung von Menschen ist die Überwachungstechnologie der Zukunft. Sie erlaubt die Identifizierung Einzelner in grossen Gruppen und an jedem beliebigen Ort über Gesichtserkennung und funklesbare Chipkarten (RFID [Radio Frequency Identification]). Damit diese Technologie zum Einsatz kommen kann, müssen biometrische Gesichtsdaten grösserer Bevölkerungsgruppen erfasst und die dazugehörigen Personen mit einem fernlesbaren Ausweis ausgestattet werden. Die Erfahrungen von augenauf mit Rayonverboten lassen erwarten und befürchten, dass mit den neuen Überwachungsmöglichkeiten verschiedene Instrumente der Sozialkontrolle und Repression auf eine ganz neue Ebene gehoben werden sollen und deren Umsetzung nicht lange auf sich warten lässt.
Für die Schweiz ist die biometrische Erfassung einerseits aktuell geworden im Zusammenhang mit den US-Vorgaben, in Zukunft eine visumsfreie Einreise nur noch mit einem biometrischen Pass zu gestatten; anderseits im Kontext von Pilotversuchen zur Kontrolle von Sportfans mittels Gesichtserfassung. Einige Zeit zurück liegt ein Versuch am Flughafen Zürich, Asylsuchende per Videoerkennung und biometrischer Erfassung bei der Einreise zu registrieren.
Die biometrische Erfassung und Speicherung menschlicher Daten auf fernlesbaren Dokumenten hat Konsequenzen, die über die Vor- und Nachteile bei der Einreise in die USA weit hinausgehen. Sie bietet staatlichen und privaten Organisationen die Möglichkeit zur totalen Überwachung der Einzelnen. Zusammen mit mobilen Lesegeräten sowie im öffentlichen und privaten Raum installierten Überwachungskameras wird es in Zukunft möglich sein, die Identität eines Menschen zweifelsfrei zu erkennen und später zu rekonstruieren – sei es an politischen Anlässen, bei Reisen in «problematische» Länder, bei Demonstrationen oder beim Kontakt mit überwachten Personen.
In diesem Zusammenhang sei die Verwendung der gleichen Technologie erwähnt, die mit unter der Haut implantierten Funksendern den genauen Aufenthaltsort von ArbeitnehmerInnen und KrankenhauspatientInnen bereits heute in einigen Gemeinden der USA ortet. Anfang Februar 2006 wurde vom erfolgreichen «tagging» von ArbeiterInnen der Firma City-Watcher in Ohio berichtet, um sicherzustellen, dass nur diese Personen Zugang zum Tresorraum der Firma haben würden. Natürlich nur auf freiwilliger Basis – bisher. Die gleiche Methode hat man auch schon bei bewusstlosen KrankenhauspatientInnen angewendet.

Überwachung total an der Fussball EM 2008
Eine aktive politische Diskussion dieser neuen Dimension des Überwachungsstaates ist in der Schweiz noch ausstehend. Die neuen biometrischen Pässe werden in einem fünfjährigen Pilotversuch ab Herbst diesen Jahres ausgegeben. Die rechtlichen Grundlagen für den biometrischen Pass und die spätere Nutzung in neuen Überwachungsstrategien sollen erst im Nachhinein, wenn bereits mehr als 100 000 BürgerInnen mit den neuen Pässen ausgestattet sind, im Parlament abgesegnet werden. Parallel dazu werden in dieser Parlamentsession in einem Sondergesetz für die Fussball EM 2008 die Möglichkeiten für den breiten Einsatz von Ein- und Ausgrenzungen von beliebigen Personen (im offiziellen Sprachgebrauch «Hooligans») und deren Fichierung geschaffen.
     augenauf warnt vor dieser Entwicklung und will mit Podiumsgesprächen und einer Informationskampagne aktiv werden.

Veranstaltungshinweis:

«Wer will den biometrischen Pass?»

Podiumsveranstaltung mit BehördenvertreterInnen und KritikerInnen des biometrischen Passes über die Zukunft der totalen Überwachung. Organisiert von der Menschenrechtsgruppe augenauf Basel
Datum: 20. April 2006, 19.30 bis 21.30 Uhr
Ort: Basel, «Unternehmen Mitte», Gerbergasse 30, 1. Stock
Alle Interessierten sind herzlich eingeladen mitzudiskutieren.

augenauf Basel

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