Bulletin Nr. 48; April 2006

Zürcher Komitee gegen das neue Polizeigesetz und Basler Plattform gegen Polizeirepression

Gegen den Polizeistaat

Der Entwurf für das neue Polizeigesetz in Zürich gibt der Polizei einen Freibrief und hebelt die Grundrechte aus. Um das Gesetz zu verhindern, haben augenauf und die Demokratischen Ju- ristInnen ein «Komitee gegen das neue Polizeigesetz» gegrün- det. In Basel haben fast alle linken Kräfte gemeinsam eine «Plattform gegen zunehmende Polizeirepression» verabschiedet.

Im Sommer 2005 hat der Zürcher Regierungsrat den Vernehmlassungsentwurf für ein neues Polizeigesetz vorgelegt. Er knüpft darin nahtlos an jenes Polizeigesetz an, das 1983 in der Volksabstimmung bachab geschickt worden ist. Nach dem Willen des Regierungsrats soll die Polizei alle nur erdenklichen Befugnisse erhalten. Was auf der Strecke bleibt, ist der Schutz des Einzelnen vor der Polizei.

Zürich: Angriff auf die Grundsätze eines liberalen Rechtsstaats
Der Entwurf ist voll von Gummiparagrafen. Die Polizei soll bei möglichst allem, was sie tut, sagen können: «Wir haben nach Gesetz gehandelt.» Nach dem Konzept des Entwurfs muss man nichts Illegales gemacht haben, um ins Visier der Polizei zu geraten. Es genügt, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Insgesamt gibt der Entwurf der Polizei einen Freibrief und hebelt die Grundrechte aus.
Zu kritisieren ist nicht nur der viel diskutierte Wegweisungsartikel. Andere Bestimmungen halten wir für genauso verfehlt, insbesondere jene bezüglich Schusswaffengebrauchs, Personenkontrollen, polizeilichen Gewahrsams, Vor-, Zu- und Rückführung, Überwachung des öffentlichen Raums, Durchsuchung, Sicherstellung, Verwertung und Vernichtung von sichergestellten Gegenständen, Datenbearbeitung, einschliesslich Daten über «gewaltbereite Personen», und die im Entwurf enthaltenen Strafbestimmungen.

Wir haben uns entschlossen, diesem Angriff auf die Grundsätze eines liberalen Rechtsstaates mit einer breiten Sensibilisierungskampagne entgegenzutreten. Wir wollen verhindern, dass mit der Einführung eines Polizeigesetzes die Tore für die Transformation des Kantons Zürich in einen Sicherheitsstaat noch weiter aufgehen. Mit unserem Widerstand wollen wir die verheerenden Folgen, die das «Null-Toleranz-Denken» und die «Kontrollstrategien » auf die gesellschaftlichen Verhältnisse und die Alltagsbeziehungen haben, sichtbar machen.
Es gehört zu den Pfeilern des Rechtsstaats, dass das Individuum wirksamen Schutz vor Willkürmassnahmen und Übergriffen des Staates erhalten muss. Gerade bei der Polizei, die das Gewaltmonopol des Staates ausübt, ist dies eminent wichtig. Die Kompetenzen der Polizei dürfen die Grundrechte der Betroffenen nicht erdrücken. Diesbezüglich weist der vorliegende Entwurf eine extreme Schieflage auf. Mit unserer Kampagne wollen wir dieser Schieflage entgegenwirken und den Grundrechtsschutz wirksam verankern.
Angesichts der Vielzahl von Fällen, in denen der Polizei unrechtmässiges Verhalten vorgeworfen wurde, halten wir es ausserdem für notwendig, dass eine unabhängige Kontroll- und Beschwerdeinstanz für die Opfer von Übergriffen und Willkürmassnahmen geschaffen wird.
Um einen wirksamen Schutz der Bevölkerung vor Übergriffen der Ordnungskräfte zu gewährleisten, müssen unserer Meinung nach zusätzlich Personengruppen, die einer erhöhten Gefahr ausgesetzt sind, Opfer von Polizeiwillkür zu werden, mit aktiven Massnahmen geschützt werden.
Mit unserem Komitee wollen wir auf das laufende Gesetzgebungsverfahren Einfluss nehmen. Wir wollen verhindern, dass das vom Regierungsrat vorgeschlagene Polizeikonzept Gesetz wird. Gleichzeitig nehmen wir das laufende Gesetzgebungsverfahren zum Anlass, um eine breite Sensibilisierungskampagne zu starten – damit die Opfer der staatlichen Zwangsmassnahmen wieder jenes öffentliche Interesse erhalten, das Opfern von Übergriffen und Gewalt zusteht. Schliesslich wollen wir dafür besorgt sein, dass die Tätigkeit der Polizei von der Öffentlichkeit verstärkt kritisch beobachtet wird.
Zürich, 13. Februar 2006

Gegen das neue Zürcher Polizeigesetz
     
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Basel: Gegen Repression und für Grundrechte
Die Aufrüstung der Polizei nimmt zu: Mehr PolizistInnen und neue Waffen wie Schockgranaten und Taser zum Einsatz. Die Polizeieinsätze richten sich immer öfter gegen Grundrechte wie Streikrecht, Recht auf Versammlungsfreiheit, Recht auf freie Meinungsäusserung usw. Die Datensammlungen sind ausufernd und grenzenlos.
Diese Entwicklungen brachten die linken Kräfte in Basel dazu, eine gemeinsame Plattform gegen Polizeirepression zu verabschieden.
Die Anti-Repressionsgruppe Basel lud im Herbst 2005 alle interessierten Kräfte zu einer ersten Sitzung ein, an der ein Entwurf für ein gemeinsames Manifest präsentiert wurde. augenauf arbeitete von Anfang an entscheidend an der Plattform mit, verschiedenste VertreterInnen parlamentarischer und ausserparlamentarischer Organisationen kamen dazu. Althergebrachte Animositäten, aber auch unterschiedliche Einstellungen wurden konstruktiv eingebracht. Das führte nach mehreren Sitzungen zu einer breiten Unterstützung für die Basler Plattform.
Rechtzeitig eine Woche vor der Anti-WEF-Demo 2006 wurde die Plattform der Öffentlichkeit präsentiert.
In einer ersten gemeinsamen Aktion traten Plattform-Mitglieder an der Anti-WEF-Demo als BeobachterInnen an den Bahnhöfen und rund um die Demo auf und behielten das Vorgehen der Ordnungshüter im Auge. Dabei wurden unverhältnismässige Kontrollen und Fichierungen vor allem am Bahnhof festgestellt. Die Unverhältnismässigkeit und die enorme Datensammelwut führte erneut im Sinne der Plattform zu verschiedenen Reaktionen der beteiligten Organisationen. Die Anti-Rep-Gruppe Basel schrieb beispielsweise einen offenen Brief an den Vorsteher des Sicherheitsdepartements, Jörg Schild, der bis Redaktionsschluss unbeantwortet blieb. Die SP machte eine Anfrage im Grossen Rat.


Basler Plattform gegen zunehmende Polizeirepression

Unsere Grundrechte werden zurzeit massiv eingeschränkt: Dieser Entwicklung der fortschreitenden Aushöhlung von Grundrechten und der Tendenz zu polizeistaatlichem Krisenmanagement steht heute zu wenig entgegen, sowohl auf politischer als auch auf gesellschaftlicher Ebene.

Mit dem Netzwerk der diese Plattform unterstützenden Einzelpersonen und Organisationen wollen wir versuchen, diese Entwicklung aufzudecken, dagegen anzugehen und den von Repression betroffenen Personen Unterstützung zu gewähren.

1. Wir halten fest, dass die Grundrechte für alle gelten, ungeachtet ihrer Herkunft, Nationalität und ihres sozialen Hintergrunds.

2. Das Demonstrationsrecht ist integraler Bestandteil des Rechts auf freie Meinungsäusserung und Versammlungsfreiheit und darf nicht durch eine willkürliche Bewilligungspraxis eingeschränkt werden.
Demonstrationen dürfen nicht verboten werden mit der Begründung, dass es zu gewalttätigen Ausschreitungen kommen könnte. Wir lehnen die Stigmatisierung von Gruppen und Einzelpersonen als gewaltbereit durch die Polizei ab. Provokationen der Polizei im Ordnungsdienst gegenüber DemonstrationsteilnehmerInnen sind zu unterlassen. Es kann nicht angehen, dass Demonstrationsrouten durch die Innenstadt nicht bewilligt werden mit der Begründung, dass den Geschäften und den KonsumentInnen dies nicht zugemutet werden könne. Demonstrationen ohne Publikum verlieren ihren Sinn, Demonstrationsrouten und -zeiten dürfen keiner generellen Beschränkung unterliegen.

3. Politische Aktivitäten dürfen nicht kriminalisiert werden.
Die Kriminalisierung und Fichierung von Tausenden DemonstrantInnen und AktivistInnen in den letzten Jahren hat den Zweck, die TeilnehmerInnen einzuschüchtern und von der Wahrnehmung ihrer Grundrechte abzubringen. Beispielsweise wurden im Frühling 2003 über 130 SchülerInnen bei einer Anti-Kriegs-Demonstration eingekesselt und kontrolliert; viele mussten anschliessend eine DNA-Probe abgeben. Während des WEF 2004 wurden in Landquart über 1000 Personen auf der Rückreise von einer bewilligten Demonstration in Chur kontrolliert und fichiert, während des WEF 2005 wurden bei der verhinderten Demonstration in Basel mehrere hundert Personen kontrolliert und registriert.

4. Präventive Repression und Überwachung sind zu unterlassen.
Jenseits von konkretem Verdacht auf einen Straftatbestand werden
– den Behörden nicht genehme Demonstrationen bereits am Versammlungsort von einem Grossaufgebot der Polizei eingekesselt und alle Teilnehmenden erkennungsdienstlich behandelt und fichiert,
– Fussballfans eingekesselt und fichiert,
– bei Grossanlässen wie dem WEF potenzielle DemonstrationsteilnehmerInnen
bereits an der Grenze oder am Bahnhof abgefangen, in Haft gesetzt und am Betreten bestimmter Quartiere gehindert. Dieser Praxis der Einschüchterung und Datensammlung muss Einhalt geboten werden.

5. Das Recht auf Streik ist legitimer Ausdruck der Organisationsfreiheit der ArbeitnehmerInnen und zentrales Kampfmittel und darf unter keinen Umständen eingeschränkt werden.
Das Streikrecht ist in der Bundesverfassung verankert, wird in der Praxis jedoch unterlaufen, wenn die Polizei auf Geheiss der ArbeitgeberInnen StreikbrecherInnen in die Betriebe lotst und die Informationstätigkeit der Gewerkschaften strafrechtlich verfolgt wird.

6. Die Bewegungsfreiheit von Menschen darf nicht auf Grund von Aussehen, Nationalität und sozialem Hintergrund eingeschränkt werden. Menschen mit dunkler Hautfarbe wird auf blossen Verdacht hin, mit Drogen zu handeln, verboten, sich in innerstädtischen Zonen aufzuhalten (Rayonverbot). Diese Polizeipraxis muss ein Ende haben. Ebensowenig dürfen DrogenkonsumentInnen, AlkoholikerInnen, Obdachlose etc. von zentralen Plätzen der Stadt vertrieben werden, wie dies heute sogar mit dem Argument der Stadtbildverschönerung geschieht.

7. Wir wehren uns gegen eine stete Ausweitung polizeilicher Befugnisse und deren Legitimierung.
Die Kompetenzen, wann und wie die Polizei eingreifen soll und darf, müssen klar formuliert und transparent sein und dürfen nicht seitens der Polizei stillschweigend ausgeweitet werden. So darf es nicht sein, dass die Polizei Räumungen durchführt, ohne dass eine Räumungsklage eingereicht wurde oder dass sie z.B. LiegenschaftsbesitzerInnen zu Räumungsklagen drängt. Es geht nicht an, dass die Polizei Politik macht.

Wir wehren uns gegen eine Politik der Verdrängung, die gesellschaftliche und wirtschaftliche Probleme mittels Polizei und Repression zu bewältigen sucht. Die unterzeichnenden Organisationen und Einzelpersonen verpflichten sich, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu intervenieren, wenn Organisationen oder Einzelpersonen Opfer polizeilicher oder staatlicher Repression im oben beschriebenen Sinn werden oder wenn solche Vorfälle beobachtet werden. Zudem werden sie gemeinsam die Situation weiterverfolgen, sich gegenseitig über entsprechende Vorkommnisse informieren und ein gemeinsames Vorgehen entwickeln.

Unterzeichnende Organisationen (in alphabetischer Ordnung)
Anti-Repressions-Gruppe Basel, Armutskonferenz Basel, augenauf Basel, Basels starke Alternative (BastA!), Basler Appell gegen Gentechnologie, Basler Gewerkschaftsbund (BGB), Bewegung für den Sozialismus (bfs), Demokratische JuristInnen Basel (DJS), Föderation der kurdischen Kulturvereine (FEKAR), Gewerkschaftsbund Baselland (GBBL), Grüne Partei Basel-Stadt, Interprofessionelle Gewerkschaft der ArbeiterInnen (IGA), JungsozialistInnen Basel-Stadt (JUSO), Komitee Sans Papiers, Nordwestschweiz, Liste 13 – gegen Armut und Ausgrenzung, Neue Partei der Arbeit Basel (Neue PdA), Roter Faden, Solidaritätsnetz Region Basel, Sozialdemokratische Partei Basel-Stadt (SP), Sozialistische Alternative (SoAL), Union der ArbeiterInnen ohne geregelten Aufenthalt, Uni Guerilla, Villa Rosenau.

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