Bulletin Nr. 46; September 2005

 

Trennung im Transit

Ein Ehepaar, das des Zusammenlebens müde ist, lässt in unseren Breitegraden von einem Richter auf Antrag des einen Partners oder im Einverständnis beider Parteien eine gerichtliche Trennung verfügen.
Nun gibt es Ehepaare, die – weit entfernt von solchen Trennungswünschen – sich doch unvermutet und gegen ihren Willen getrennt sehen auf weiteste Distanzen. Dies nicht etwa nach Beschluss eines ordentlichen Gerichts, sondern aus reiner Willkür polizeilichen Handelns.
Ch. und A stellen im Flughafen Zürich-Kloten ein Asylgesuch, nachdem ihnen der Weiterflug zur gewählten Destination verweigert wurde. Das Gesuch wird erstinstanzlich abgewiesen. Sie reichen Beschwerde ein, die aufschiebende Wirkung wird jedoch von der Rekurskommission nicht anerkannt, obwohl die Beschwerdefrist noch gar nicht abgelaufen ist. Das bedeutet: zurück an den Ort, wo der letzte Flugabschnitt begann.
Ch. erwartet ihr erstes Kind, die Schwangerschaft ist weit fortgeschritten. Sie wird zur Abklärung der Reisefähigkeit ins nahe Spital gebracht. Während ihrer Abwesenheit nimmt die Polizei den Mann fest und lässt ihn in einer Zelle warten. Die Untersuchung ergibt, dass die Frau an behandlungsbedürftiger Blutarmut leidet. Die Polizei weiss also, dass die Reisefähigkeit, mindestens vorübergehend, nicht gegeben ist. Trotzdem wird ihr Mann am Abend begleitet nach Sri Lanka ausgeschafft, ohne dass er Nachricht vom Zustand seiner Frau hat, ohne Abschied. Am nächsten Morgen kommt ein Telefonanruf aus dem Transit in Colombo, er werde dort festgehalten, da für einen Weiterflug kein Ticket mehr vorhanden sei.
In Kloten wird die Frau verhaftet und ins Flughafengefängnis verlegt. Dass der Kommissar für Menschenrechte des Europarats in einem Dokument festgestellt hat, schwangere Frauen sollten nicht in Haft genommen werden, kümmert die Haftrichterin nicht, das seien eben nur «Empfehlungen»! Einige Tage später wird Ch. dann doch freigelassen und kommt in ein ordentliches Asylverfahren. Der Kontakt zwischen den Eheleuten wird notdürftig via Mail und Telefon hergestellt. Ob sich die beiden Ehepartner irgendwo und irgendwann wieder finden, steht in den Sternen.
Auf telefonische Vorhaltungen antwortet der verantwortliche Polizeichef trocken: «Ja, das machen wir schon manchmal gestaffelt …» Art. 44,1 AsylG lautet: «… und ordnet den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Einheit der Familie». Im Transit scheint es grundsätzlich möglich, das Asylgesetz je nach Bedarf anzuwenden oder auch nicht.


augenauf Basel

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