Bulletin Nr. 46; September 2005
Sippenhaft bei Verwechslung
Wer einem Gesuchten ähnlich sieht, darf sich nicht wundern,
wenn sogar sein Vater von der Polizei schikaniert wird.
Eigentlich will R. zusammen mit seinem Bruder und seinem
Vater im Frühsommer 2005 nur mal einen Ausflug von
Karlsruhe nach Basel machen. Wie es sich gehört, stellen sie
den Wagen kurz nach der Grenze ab, um zu Fuss und mit dem
Tram ins Stadtzentrum zu gelangen.
Doch sie kommen nicht weit. Eine Polizeistreife will –
Hand an der Schusswaffe – die Ausweise sehen. Diese sind in
Ordnung, die Nachfrage über Funk bescheinigt den drei
Männern eine reine Weste. Dennoch erhalten sie die Papiere
nicht zurück. Nach ca. 20 Minuten taucht ein Gefangenentransporter
auf. Ohne Begründung werden die Touristen in
Handschellen gelegt und zum Badischen Bahnhof gefahren.
Nach einem Schaulaufen durch die Bahnhofshalle werden
die drei Gefesselten in getrennte Zellen gesteckt, nach längerer
Zeit von den Handschellen befreit, durchsucht und
schliesslich erkennungsdienstlich behandelt. Danach werden
sie in einer kalten Zelle zusammengelegt … der 61-jährige
Vater nackt. Auf Fragen nach dem Grund dieser Behandlung
reagieren die Polizisten nur mit unflätigen Bemerkungen («Die
Fragerei geht uns auf den Sack»), die Bitte nach Benachrichtigung der Deutschen Botschaft stösst auf taube Ohren («Halt
die Schnauze!») und die Forderung nach Rückgabe der Kleider
wird ignoriert.
Etwa drei Stunden später – die Polizei hat inzwischen auch
das Auto durchwühlt – erfahren die drei Männer endlich den
Grund ihrer Festhaltung: der jüngere der beiden Brüder sehe
angeblich einem Gesuchten ähnlich (ob das der Grund ist,
dass sich der Vater ausziehen musste?). Doch mit der
Aufklärung des Irrtums ist die Sache noch nicht vom Tisch.
Anstatt sich zu entschuldigen, behaupten die Beamten
nun, der Vater habe illegalerweise einen CS-Tränengasspray
auf sich getragen und drängen unter Drohungen auf ein
schriftliches Schuldeingeständnis. Dieses bekommen sie
nicht – den Spray hat der Vater noch nie gesehen. Angeblich
zur Sicherstellung einer zu erwartenden Busse wird dem
Mann sodann die gesamte Barschaft in Höhe von 250 Euro
abgenommen.
Schliesslich lässt man die drei Männer frei. Jedoch nicht
ohne der abschliessenden Bitte nach Rücktransport zum abgestellten
Auto mit einem Gesundheitstipp zu begegnen: «Sie
sind doch jetzt drei Stunden hier gesessen, seien Sie doch
froh, dass Sie nun ein wenig laufen können. Laufen ist ja
schliesslich gesund.»
augenauf Basel
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