Bulletin Nr. 44; Dezember 2004

Zwangsmassnahmen für Säuglinge

Neues Mutter-Kind-Angebot: MuKi-Knast

MuKi-Turnen, MuKi-Schwimmen, niedliche Abkürzungen für Aktivitäten engagierter Mütter mit ihren Kleinsten. Eine neues «Angebot» der MuKi-Sorte hat sich nahe beim Flughafen Zürich-Kloten etabliert: der MuKi-Knast.
Eine junge Mutter mit ihrem sechs Monate alten Baby wird im Transit-Asylverfahren abgewiesen. Sie weigert sich, den Rückflug anzutreten, weil sie ernsthafte Probleme in ihrem Heimatland geltend macht, die sie zur Flucht gezwungen haben. Man glaubt ihr nicht, wie den meisten, die aus dieser Weltgegend kommen. Kongo, Bürgerkrieg, Umsturzversuche, Polizeiwillkür, was geht das uns an ... Mutter und Kind werden verhaftet. Trennen kann man sie nicht, das Baby wird noch gestillt. In einem Dokument des Europarats vom 19. September 2001 empfiehlt der Kommissar für Menschenrechte den Mitgliedstaaten, verletzliche Personen nicht in Haft zu nehmen. Dazu zählen auch Mütter mit kleinen Kindern. Die Schweiz ist Mitgliedstaat des Europarats (wenigstens bis heute noch). Wie viel ist eine «Empfehlung» wert, die von der parlamentarischen Versammlung des Rats zuhanden der Regierungen der Mitgliedsländer verabschiedet wurde? - Nicht mehr als das Papier, auf dem sie gedruckt ist. Die Rechtsvertreterin der jungen Mutter legt dem Haftrichter das Dokument bei der Überprüfung der Haftanordnung vor. Vergeblich. Ihr jüngster Mandant und seine Mutter bleiben im Gefängnis. Auf haftrichterliche Verfügung muss die Gefängnisverwaltung ein Kinderbettli anschaffen. Auf die ebenfalls richterlich verfügte Einzelzelle verzichtet die Mutter, weil sie sich davor fürchtet, während der langen Einschlusszeiten allein zu sein mit dem Kind. augenauf verschickt am 26. Oktober eine Pressemitteilung. Einer Journalistin, die Mutter und Kind im Gefängnis besuchen will, wird der Zutritt nicht erlaubt. Dafür gibt der Direktor Auskunft: das Baby werde liebevoll umsorgt. Diesen Direktor hat die Mutter nie gesehen. Nach Ablauf der Wartefrist wird ein Haftentlassungsgesuch eingereicht. Zur Verhandlung erscheint die Mutter allein, mit verheultem Gesicht. Die Polizei hätte ihr gesagt, der Richter dulde keine Babys am Gericht. Was sagt der Richter dazu? - Er sei gar nicht gefragt worden, für ihn wäre es selbstverständlich möglich gewesen.
 
Richter: Nichts gegen die MuKi-Abteilung einzuwenden
Warum lügt die Polizei? Die Gefangenentransportverordnung verlangt Handschellen. Kindersitzli gibt es keine in Polizeifahrzeugen. Wie die Mutter fesseln, wenn sie das Baby hält? Dazu findet sich keine Anweisung in der Verordnung. Minihandschälleli für Achtmonatige werden auch nicht vorhanden sein - also greift man zu einer Zwecklüge. Der Richter lehnt das Haftentlassungsgesuch ab. Er hat an der MuKi-Abteilung des Hochsicherheitsgefängnisses nichts auszusetzen. Der Kommissar für Menschenrechte des Europarats wird Gelegenheit erhalten, sich eine Meinung zu bilden über die Behandlung verletzlicher Personen durch die Schweizer Behörden. augenauf Zürich

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