Bulletin Nr. 43; September 2004

Die von der Rückschaffung Bedrohten sollen selber wählen, wo sie leben wollen

Keine Ausschaffungen im Kanton Waadt!

Der Widerstand im Kanton Waadt gegen die angedrohten Zwangsausschaffungen wächst. Ein Zwischenbericht aus dem Refugium von Lausanne.
Seit mehreren Jahren sind im Kanton Waadt Dossiers von etwa 2000 MigrantInnen hängig. Hauptgrund dafür ist, dass der waadtländische Regierungsrat auf Druck von Widerstandsbewegungen auf Zwangsausschaffungen verzichtet hat. Um diesbezüglich «aufzuräumen» und möglichst viele Dossiers zu regularisieren, wandte sich Regierungsrat Pierre Chiffelle (SP) an das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) von Christoph Blocher. Der Kanton Waadt traf aufgrund der so genannten Metzler-Kriterien eine erste Auswahl und reichte Dossiers von 600 Personen gar nicht erst in Bern ein. Am 28. Mai 2004 unterzeichneten Blocher und Chiffelle ein geheimes Abkommen, dessen Inhalt erst drei Monate später bekannt wurde. Darin entschied das EJPD - das schon im Voraus erklärte, das Ziel sei 50 Prozent der Betroffenen auszuschaffen - über das Schicksal von 1280 Personen. Blochers Beamte siebten noch rücksichtsloser: Nur 580 MigrantInnen bekamen einen positiven Bescheid (Eine Aufenthaltsbewilligung F mit erleichterten Bedingungen für eine spätere Aufenthaltsbewilligung B). Auf die Dossiers von 175 Personen trat das EJPD gar nicht ein, 523 erhielten einen negativen Entscheid. Bis zum 31. 12. 2004 müssen also fast 700 Personen zwischen einer «freiwilligen» Ausreise oder einer Zwangsauschaffung «wählen». Dabei gibt es weder Begründungen für die Zurückweisung der Dossiers noch die Möglichkeit, diese willkürlichen Entscheide anzufechten. Was die Betroffenen im Falle einer Ausweisung in Regionen wie den Kosovo, Bosnien, Angola, Irak oder die Türkei riskieren, interessierte die Berner Schreibtischtäter nicht. Sie sollten nur das schwammige «Integrationskriterium» berücksichtigten. Dabei unterliefen ihnen krasse Fehler (zahlreiche Personen mit negativem Entscheid leben seit mehr als einem Jahrzehnt in der Schweiz). Dass Leute gezwungen werden, an Orte grausamer Massaker (z. B. Überlebende von Srebrenica) zurückzukehren oder in von Diktatoren regierte Länder auszureisen, wo Frauen Zwangsheirat oder Prostitution riskieren, interessierte im Departement von Blocher niemanden. Eine kurdische Familie zum Beispiel, die den Druck der Behörden nicht mehr aushielt und die Schweiz selbständig verliess, wurde am 2. September 2004 unmittelbar nach ihrer Ankunft im Flughafen von Istanbul verhaftet. Seit mehreren Monaten kämpfen im Kanton Waadt verschiedene Gruppierungen gegen die Ausweisung der 700 Personen und die skandalöse Asylpolitik. Am 21. August entstand in Lausanne ein Refugium, das von Kirchen, Gewerkschaften, linken Parteien, Quartierorganisationen und Privatpersonen unterstützt wird. Die Hauptforderungen der Bewegung sind «zéro renvois» («Null Ausschaffungen»), und dass die Betroffenen selber entscheiden können, wo sie leben wollen. Refugium Lausanne, 3. 9. 2004 Für Spenden: «Non aux Expulsions», PC 17-249218-9 (mit dem vermerk «occupation»)

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