Bulletin Nr. 43; September 2004

Gehandelt wie kritische BürgerInnen - behandelt wie gewalttätige TerroristInnen

Nachspiel zum Landquarter Polizeikessel

In der letzten Augustwoche fanden in diversen Schweizer Städten Aktionen statt, mit denen ein Teil der 1082 in Landquart kontrollierten Personen gegen ihre Fichierung als «gewalttätige Extremisten» durch den Dienst für Analyse und Prävention (DAP) protestierten (siehe auch Bulletin Nr. 41, März 2004)
Am 24. Januar 2004 fand in Chur eine bewilligte Demonstration gegen das WEF statt. Im Anschluss traten über 1000 Personen die Rückreise an und stiegen in den Zug nach Zürich. In Landquart war die Fahrt zu Ende. Polizisten räumten mit massiver Gewalt den Zug, warfen Tränengas in einen Wagen, trieben die Leute auf dem Perron zusammen, prügelten auf sie ein und sprühten ihnen Pfefferspray ins Gesicht. Sie trieben die Menschen auf den Bahnhofplatz und beschossen sie mit Tränengas, Gummischrot und Schockgranaten. Panik kam auf. Die Polizei nahm bei ihrem Vorgehen auch schwere Verletzungen in Kauf. Nach stundenlangem Festhalten in der Kälte wurden sämtliche Personen gefilmt, registriert, die Effekten kontrolliert und teilweise beschlagnahmt. Einige dieser Personen haben ein Gesuch um Akteneinsicht gestellt. Dieses wurde wie folgt beantwortet: «Am 24. Januar 2004 wurden von Ihnen handschriftlich die folgenden Angaben erhoben und anschliessend digital erfasst: [Name, Vorname, Geburtsdatum, Heimatort, Wohnort, Adresse, Telefon] Diese Daten wurden in digitaler Form zwischenzeitlich auf Ersuchen hin und in Anwendung des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) dem Dienst für Analyse und Prävention gemeldet. Bei der Kantonspolizei Graubünden wurden diese Daten in digitaler wie papierner Form vernichtet.» Dies bedeutet, dass alle in Landquart registrierten Personen zur Fichierung im informatisierten Staatsschutz-Informations-System Isis gemeldet wurden. Das BWIS erläutert, dass gegen die 1082 von der friedlichen Demo in Chur heimreisenden Personen der «begründete Verdacht besteht», dass sie «die Ausübung der politischen Rechte oder der Grundrechte als Vorwand nehmen, um … gewalttätig extremistische Tätigkeiten vorzubereiten oder durchzuführen» (Art. 3 Abs. 1 BWIS). Gemäss dem Brief des Polizeikommandos war es der Bund, der von Graubünden die Übermittlung der Namen verlangte («auf Ersuchen hin»). Die Betroffenen haben in diese Daten weder Einsicht, noch können sie die Löschung verlangen - ihr «Auskunftsrecht» können sie gemäss Art. 18 BWIS folgendermassen geltend machen: «Jede Person kann beim Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten verlangen, dass er prüfe, ob im Informationssystem des Bundesamtes rechtmässig Daten über sie bearbeitet werden. Der Datenschutzbeauftragte teilt der gesuchstellenden Person in einer stets gleichlautenden Antwort mit, dass in Bezug auf sie entweder keine Daten unrechtmässig bearbeitet würden oder dass er bei Vorhandensein allfälliger Fehler in der Datenbearbeitung eine Empfehlung zu deren Behebung an das Bundesamt gerichtet habe.» Die Fichierungen nach dem Landquarter Kessel zeigen, dass die Behörden aus dem Fichenskandal nichts gelernt haben und das Registrieren von Daten politisch unliebsamer Personen unvermindert weitergeht. augenauf Bern

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