Bulletin Nr. 43; September 2004

Von der tiefen Betroffenheit des Bundesamtes für Flüchtlinge

Wie eine heisse Kartoffel weitergereicht

In der lautstarken, medienfüllenden Asyldebatte wird andauernd von Asylmissbrauch berichtet, von den Schwierigkeiten der Rückschaffung der Abgelehnten, von der ärgerlichen «Renitenz». Es wird geklagt über den mangelnden Kooperationswillen der Herkunftsländer. Praktisch nie wird von der Politik oder der Presse die Qualität der Entscheide in Frage gestellt, welche die Schwierigkeiten der Rückkehr verursacht. Sind die Entscheide unserer Asylbehörden über jeden Verdacht erhaben?
Wenn, wie kürzlich am Fernsehen, von einer krassen Fehlentscheidung berichtet wird, dann drückt der Direktor des Bundesamtes «die tiefe Betroffenheit» aus, was dem zu 19 Jahren Gefängnis verurteilten, zu Unrecht nach Burma ausgeschafften Flüchtling wohl als blanker Zynismus vorkommen würde, sollte er es je zu Ohren bekommen. Was tut die Schweiz, um das begangene Unrecht gutzumachen? Geht die Schweizer Vertretung vor Ort mit einer Einreisebewilligung zu den Behörden und ersucht um Freilassung? Wohl kaum - dafür müssen wir uns Ausreden von mangelnder Glaubwürdigkeit im Asylverfahren anhören. Die Textbausteine in den Negativentscheiden zeugen von der mangelnden Glaubwürdigkeit der Beurteilung: Die Aussagen der Gesuchsteller sind: zu wenig «substanziiert», sie entsprechen nicht der allgemeinen Erfahrung, widersprechen der Logik des Handelns usw. Als ob diejenigen, die die Entscheide treffen, je eine Erfahrung in einem Gefängnis einer afrikanischen Diktatur gemacht hätten, als ob ein Willkürregime unserer Logik des Handelns entspräche. Aufgrund solcher Kriterien wird über Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit entschieden. Von den meisten Fehlurteilen, die zu Zwangsausschaffungen führen, erfahren wir nichts. Bei Fehlurteilen, die nicht gross in der Presse erscheinen, ist von der tiefen Betroffenheit des Bundesamtes nichts zu spüren. Ein abgewiesener Flüchtling aus einem repressiven Land im Nahen Osten wird Ende Mai in Polizeibegleitung ausgeschafft und am Heimatflughafen direkt vom Sicherheitsdienst verhaftet. Ohne Anklage, ohne Rechtsanwalt, ohne Familienbesuch wird er zwei Monate festgehalten und misshandelt. Auf massiven Druck des Familienclans holt ihn die Sicherheitsbehörde aus dem Gefängnis und bringt ihn nicht etwa zur Familie, sondern an den Flughafen, wo er begleitet nach Europa geflogen wird.
 
Respektiert denn die Schweiz die Flüchtlingskonvention?
Er versucht, in die Schweiz zurückzukehren, um erneut ein Asylgesuch einzureichen. An der Grenze wird er beim ersten Versuch zurückgewiesen, später gelingt es ihm. In einem beschleunigten Empfangsstellenverfahren erfolgt in kürzester Zeit die vorsorgliche Abschiebung ins Nachbarland, wo er sich «einige Zeit» aufgehalten hat. Die heisse Kartoffel wird fallen gelassen. Die Rekurskommission betont, er habe dort nichts zu befürchten, weil dieses Land die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention respektiere. Ja, und die Schweiz? Hat sie diese Abkommen respektiert beim vorausgegangenen Fehlentscheid? augenauf Zürich

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