Bulletin Nr. 43; September 2004

Basel verfügt munter Aus- und Eingrenzungen - wer im Drogenmilieu kontrolliert wird und schwarz und jung ist, wird unbesehen ausgegrenzt

Wohin Basler Beamte auch blicken - überall sehen sie Drogendealer

In den letzten Monaten und Jahren hat sich die Kontrolltätigkeit der Basler Polizei vorwiegend auf Menschen mit fremdländischem Aussehen fokussiert. Auf junge Schwarze fällt sehr schnell der Generalverdacht, mit Drogen zu dealen, speziell wenn sie sich im Gebiet zwischen Claraplatz und Feldbergstrasse aufhalten. Auch der Barfüsserplatz sowie die Gegend um den Bahnhof SBB sind «Hochrisikozonen».
Dass solche Kontrollen nicht selten jenseits der durch die Gesetze festgelegten Schranken stattfinden, hat augenauf schon des öfteren beschäftigt. Aber auch innerhalb des rechtlichen Rahmens wird der Spielraum im repressiven Sinn grosszügig ausgelegt.
 
Gesetz ...
Artikel 13e des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (Anag) erlaubt es den kantonalen Behörden, gegen AusländerInnen ohne gültige Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung eine Ein- resp. Ausgrenzungsverfügung zu erlassen, d. h. ein bestimmter Rayon darf von den Betroffenen nicht verlassen (Eingrenzung) oder betreten (Ausgrenzung) werden. Der Gesetzgeber erachtet diese Massnahmen als relativ milde Sanktion gegen «Störer der öffentlichen Sicherheit und Ordnung». Das Gesetz enthält jedoch weder detaillierte Angaben zu den Rechtfertigungsgründen noch zur Dauer einer Ein- bzw. Ausgrenzung oder zur Festlegung der Rayons. Klar ist lediglich, dass mit diesen Zwangsmassnahmen das medial breit ausgeschlachtete Phänomen der «schwarzen Kügelidealer» bekämpft werden soll.
 
... und Empfehlungen
Wie solche Rayons definiert werden sollen, wird in den «Erläuterungen und Empfehlungen zur Anwendung der Ein- und Ausgrenzung» (BFA/BFF) relativ ausführlich beschrieben. Hinsichtlich der Dauer der Massnahme wird nur gerade darauf verwiesen, dass sie «unbefristet» sein kann, der entsprechende Eintrag im Zentralcomputer (Ripol) jedoch nach einem Jahr überprüft werden sollte. Immerhin werden die Kantone gemahnt, dass die Festlegung von Rayongrösse und Massnahme-Dauer im Rahmen der «Verhältnismässigkeit» erfolgen soll. Die Festlegung von Kriterien, wann und warum jemand die «öffentliche Sicherheit und Ordnung stört», bleibt den Kantonen und letztendlich den Gerichten überlassen. Das Bundesgericht stellte diesbezüglich wiederholt fest, dass es sich um eine «niederschwellige» Massnahme handle. Zur Verfügung einer Ein-, bzw. Ausgrenzung sei es nicht notwendig, dass eine Straftat tatsächlich bewiesen werden könne; es reiche aus, wenn «konkrete Anhaltspunkte für den Verdacht» bestünden. Solche Anhaltspunkte können gemäss Rechtsprechung u. a. sein: - Zielloses Umherlaufen im Umkreis von Drogenszenen - Kontakte mit Drogenkonsumierenden - Auf dem Handy gespeicherte Nummern von Dealern - Das Mitführen von Bargeld in kleinen Scheinen - Belastende Aussagen
 
Anwendung in Basel (Januar 2000 bis Juni 2004)
Wer die Legitimität eines Gesetzes bejaht, mit dem das Grundrecht auf Bewegungsfreiheit schon auf blossen Verdacht hin eingeschränkt werden kann, sollte wenigstens äusserste Sorgfalt walten lassen, wenn es darum geht, einen Verdacht zu konkretisieren. So basieren die erwähnten Bundesgerichtsurteile auf dem Zusammentreffen mehrerer Verdachtsgründe. Basel-Stadt geht hier einen Schritt weiter und spricht gleich einmal einen Generalverdacht gegen eine ganze Bevölkerungsgruppe aus: Wenn sich junge, schwarze Asylsuchende in Quartieren aufhalten, in welchen sich auch Drogenkonsumierende bewegen, reicht dies den Behörden bereits aus, um einen «begründeten Verdacht» zu konstruieren. Dass es sich hierbei um genau diejenigen Basler Quartiere handelt, in welchen überdurchschnittlich viele Asylsuchende untergebracht sind, ist ein unbedeutendes Detail.
 
Es wird ausgegrenzt ...
Offizielle Ausgrenzungsstatistiken sucht man vergebens, doch dann und wann gelangt das Polizeidepartement mit «Erfolgsmeldungen» an die Öffentlichkeit. Denen ist zu entnehmen, dass fast alle «im Drogenmilieu kontrollierten Schwarzafrikaner» mit einer Ausgrenzung «beglückt» wurden (insgesamt 786 neue Ausgrenzungen im Zeitraum vom 1. Januar 2002 bis zum 30. Juni 2004, Tendenz steigend). Der tatsächlich stattfindende Kokain-Strassenhandel durch junge Schwarze wurde durch dieses Vorgehen allerdings in keiner Weise verringert.
 
... und eingegrenzt
Zahlen über verfügte Eingrenzungen sind rar. Immerhin ist bekannt, dass in Basel-Stadt in den ersten sechs Monaten des Jahres 2004 rund 30 Personen betroffen waren. Wie dies in qualitativer Hinsicht aussieht, kann in der Medienmitteilung vom 2. Juni 2004 nachgelesen werden: «Den Betroffenen wird untersagt, ein bestimmtes Gebiet wie beispielsweise die Bundesempfangsstelle für Asylsuchende Bässlergut zu verlassen …» Das bedeutet nichts anderes als Hausarrest für die Betroffenen. Es scheint, als hätten die kantonalen Behörden die Empfehlungen der zuständigen Bundesämter nicht gelesen. Dort wird ausdrücklich festgehalten: «Die Eingrenzung etwa auf ein bestimmtes Kollektivzentrum wäre hingegen unzulässig, da dies bereits einem Freiheitsentzug gleichkäme.» augenauf Basel

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