Bulletin Nr. 43; September 2004

Das Minimalzentrum Jaunpass

Eingrenzung am Rande einer Randregion

Gegen die Idee des Kantons Bern, Asylsuchende mit Nichteintretensentscheid in einem unterirdischen Armeebunker auf dem Jaunpass unterzubringen, formierte sich umgehend Widerstand. Ende November ist das menschenverachtende Experiment beendet.
Am Wochenende vom 10./11. Juli 2004 fand auf dem Jaunpass ein Protestcamp gegen das dortige Minimalzentrum in einem alten Militärbunker statt. Die DemonstrantInnen waren der Gemeinde Boltigen, auf deren Boden das Zentrum steht, willkommen. Sie forderten: «Jaunpass schliessen! Herzen und Grenzen öffnen!» Die in der Interessengemeinschaft (IG) Jaunpass organisierten BoltigerInnen, die mit rassistischer Angstmache eine Schliessung forderten, hätten es sicher anders formuliert. Doch Hauptsache, das Zentrum verschwindet. Der Kanton Bern schickt seit Juni Asylsuchende mit Nichteintretensentscheid in das Minimalzentrum. Schon vorher wehrten sich die BoltigerInnen mit fremdenfeindlicher Hetze gegen die Unterkunft in der unterirdischen Anlage. Polizeidirektorin Dora Andres (FDP) versprach ihnen deshalb an einer Informationsveranstaltung vom 25. Mai 2004, ein Rayonverbot für alle Insassen auszusprechen. Dieses Versprechen löste sie am 30. Juli 2004 ein. Die Verfügung verbietet den Insassen des Minimalzentrums den Aufenthalt auf dem Jaunpass und begrenzt den Radius der Bewegungsfreiheit auf zwei Kilometer Richtung Boltigen. Jetzt wird das Minimalzentrum im November 2004 geschlossen. Das freut die IG Jaunpass und auch augenauf - jedoch aus ganz unterschiedlichen Gründen. Und: Damit ist das Problem der Gewährung der Nothilfe für abgewiesene Asylsuchende nicht gelöst. Sicherlich hat Dora Andres neue menschenverachtende Lösungen auf Lager.
 
Zweifelhafte rechtliche Grundlagen
augenauf ist schockiert, mit welcher Selbstverständlichkeit in einem demokratischen Staat «rechtliche» Schritte eingeleitet werden, welche Grundrechte ausser Kraft setzen und den so genannten Rechtsstaat untergraben. Die Verfügung von Dora Andres stützt sich auf Artikel 13e des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG). Gemäss diesem Artikel kann die zuständige Behörde einer ausländischen Person die Auflage machen, ein Gebiet nicht zu verlassen oder nicht zu betreten. Dafür braucht es aber zwei Voraussetzungen: Keine gültige Aufenthaltsbewilligung und Gefährdung von öffentlicher Sicherheit und Ordnung, insbesondere im Zusammenhang mit widerrechtlichem Betäubungsmittelhandel. Da ausser der fehlenden gültigen Aufenthaltsbewilligung kein Tatbestand erfüllt ist, ist der Artikel für die Verfügung nicht haltbar.
 
«Wer nicht ausreist, hält sich nicht an Gesetze»
Die Verfügung wird folgendermassen begründet: Eine Person die sich «weigert» auszureisen, würde sich auch nicht an die hiesigen Gesetze halten. Daher müsse die Person zum Schutz der Bevölkerung ausgegrenzt werden. Doch: In der Regel ist es nicht erwiesen, dass eine Person sich weigert auszureisen, da in den allermeisten Fällen die Ausreise wegen fehlender Papiere nicht möglich ist. Und das Argument, bei der Papierbeschaffung nicht kooperativ zu sein, ist eine reine Vermutung. Gisela Basler, die Vorsteherin des Amtes für Migration (BE), geht im «Bund» vom 30. Juli 2004 noch weiter: Es bestehe die Möglichkeit, dass mittellose und auf Nothilfe angewiesene Asylsuchende Diebstähle begingen und die Insassen des Minimalzentrums stellten daher ein Risiko dar, das man ausschliessen müsse. Die Frage, auf wen diese Regelung als Nächstes angewandt werden wird, lässt schon jetzt Schreckliches erahnen. Weiter ist es rechtlich nicht haltbar und diskriminierend, von einer fehlenden Aufenthaltsbewilligung auf nicht gesetzmässiges Verhalten einer Person zu schliessen. Im Übrigen wäre der Zweck von Art. 13e ANAG die öffentliche Sicherheit zu schützen. Die verantwortliche Behörde macht sich lächerlich, wenn sie behauptet, dass sieben Asylsuchende eine Gefahr für die Sicherheit auf dem Jaunpass sein könnten. augenauf Bern

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