Bulletin Nr. 43; September 2004

Die Schweizer Botschaft in Kinshasa verhält sich unkooperativ und inhuman

Eine «Staatsaffäre» per Zufall

Es ist nicht ganz auszuschliessen, dass ein in der Schweiz verunfallter Asylsuchender den zukünftigen Migrationsdialog zwischen der Demokratischen Republik Kongo und der Schweiz massgeblich bestimmen wird.
Ein Asylsuchender in der Schweiz erleidet einen schweren Velounfall. Mit dem Helikopter wird er ins Spital geflogen, sofort operiert und in künstlichem Koma auf der Intensivstation behandelt. Tagelang weiss man nicht, ob er überleben wird. Drei Tage nach dem Unfall versucht seine Mutter bei der Schweizer Botschaft in Kinshasa ein Visum zu erhalten, um ihren Sohn zu besuchen. Eine Einladung liegt vor, ein Arztzeugnis bestätigt den kritischen Zustand. Tagelang blockt die Botschaft: sie habe kein Bankkonto in der Schweiz, sie habe keine Hotelreservation, sie habe keine Krankenversicherung, und der Sohn als Asylbewerber habe kein Recht, Besuch ein-zuladen. Als ob der Bewusstlose auf der Intensivstation eingeladen hätte! Die der Botschaft per Fax übermittelte Einladung einer schweizerischen Privatperson wird ignoriert. Nun wird Druck auf das EDA in Bern gemacht, konkreter auf das Büro für konsularische Angelegenheiten. In Kinshasa versucht inzwischen der verzweifelte Vater Bewegung in die verstockte Sache zu bringen. Dieser Vater ist nun zufällig nicht ein kleiner Altkleiderhändler auf dem Markt, sondern ein bekannter Politiker. Zufällig ist in der Demokratischen Republik Kongo ein neuer Aussenminister ernannt worden, und zufällig sind die Kinder des neuen Aussenministers mit den Kindern des Politikers zusammen zur Schule gegangen - er kennt den Verunglückten persönlich. Der neue Minister greift zum Telefon und ruft den Schweizer Botschafter an, vermutlich seine erste «Amtshandlung» in Bezug auf die Schweiz. Ohne Erfolg. Vom Büro für konsularische Angelegenheiten in Bern ist unterdessen zu erfahren, die Sache sei jetzt bei der politischen Direktion gelandet, die Verweigerung des Visums habe eben mit der Rolle des Vaters zu tun. Wie bitte? - Man droht mit einem Brief an die Aussenministerin, falls das Visum nicht umgehend erteilt werde. Am 20. Tag nach dem ersten Versuch kommt ein Telefonanruf von der politischen Direktion: Man habe nun die Botschaft angewiesen, aus «rein humanitären Gründen» das Visum auszustellen. Ja, hat denn irgendjemand irgendwann etwas anderes verlangt? Ist der Besuch einer Mutter bei einem lebensgefährlich verletzten Kind nicht von Anfang an rein humanitär? Die gute Nachricht: Der Sohn hat überlebt und erholt sich erstaunlich rasch. Bis die Mama ankommt, ist er bereits in die Rehabilitationsklinik verlegt worden. Eine Staatsaffäre? - Vorerst eine Klarstellung: Wäre die Mutter eine bescheidene Gelegenheitsgemüseverkäuferin auf dem Markt, hätte sie natürlich das gleiche Recht auf ein Visum, sofern sie denn überhaupt in der Lage wäre, sich sofort einen Pass zu beschaffen und das nötige Reisegeld aufzubringen.
 
Verwandtschaft von Arroganz und Dummheit
Eine Staatsaffäre? - Arroganz und Dummheit sind nahe Verwandte. In einem Artikel der «NZZ am Sonntag» vom 21. März 2004 heisst es, dass die Schweiz in der zweiten Jahreshälfte mit der Demokratischen Republik Kongo einen formellen Migrationsdialog aufnehmen wolle, nachdem ein informeller Versuch im August 2003 kläglich gescheitert ist. Die direkten Verhandlungen des Bundesamtes für Flüchtlinge mit dem Generaldirektor des Migrationsamtes in Kinshasa endeten mit einem Landeverbot des Charters, der in Genf schon gefüllt mit Polizisten und gefesselten Kongolesen auf den Abflug wartete. Der Hoffnungsträger der BFF-Abteilung Vollzugsunterstützung wurde am 17. Juli vom Amt suspendiert «pour des raisons d'enquête». Bei der Aufnahme von Verhandlungen über einen Staatsvertrag dürfte ja wohl der neue Aussenminister ein Wörtchen mitzureden haben. Dass das, höflich gesagt, unkonziliante Verhalten der Botschaft in Kinshasa solchen Verhandlungen förderlich gewesen ist, darf bezweifelt werden. Den abgewiesenen und noch nicht rückkehrwilligen kongolesischen Flüchtlingen in der Schweiz wird es Recht sein. Die Verhältnisse im Kongo sind nach wie vor prekär. augenauf Zürich

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