Bulletin Nr. 42; Juni 2004

Rassistische Gewaltexzesse der Polizei - Genfer Beamte setzen neue Massstäbe

In einer Blutlache liegen gelassen

Für Genfer Polizisten sind junge schwarze Asylsuchende anscheinend Freiwild: grundlos verprügeln zwei Beamte beim Genfer Bahnhof den 20-jährigen P. S. Sie verschleppen ihn in ein Waldstück nahe der französischen Grenze und lassen ihn bewusstlos liegen. P. S. erstattet Anzeige und wartet noch zwei Monate später auf einen Bescheid.
P. S., ein in Schaffhausen wohnhafter 20-jähriger Asylsuchender aus Guinea, will am Abend des 5. April 2004 seinen Freund in Genf besuchen. Gegen Mitternacht kommt P. S. mit der Bahn am Hauptbahnhof in Genf an. In der Bahnhofshalle, wo er auf seinen Freund warten will, stösst er auf einige ihm unbekannte Afrikaner, mit denen er sich kurz unterhält. Sie raten ihm, nicht an diesem Ort auf seinen Freund zu warten, da patrouillierende Polizisten hier oft Jagd auf Schwarzafrikaner machen. Wenn er also nicht riskieren wolle, von der Polizei verhaftet und - was auch schon mehrfach vorgekommen sei - geschlagen zu werden, soll er doch ausserhalb des Bahnhofs warten, so seine Gesprächspartner weiter. P. S. nimmt sich diesen Rat zu Herzen. Auf einem nicht weit vom Bahnhofsgelände gelegenen Platz will er eine Zeit lang ausharren, um sich dann später im Bahnhof nochmals nach seinem Freund umzusehen. Dazu soll es aber nicht kommen, denn nach wenigen Minuten tauchen zwei Polizisten auf, die ihm den Ausweis abnehmen und nach seinem Aufenthaltszweck fragen. P. S. antwortet ihnen, er möchte in Genf einen Freund besuchen, der ihn am Bahnhof abholen wolle. Die Polizisten haken nach und wollen wissen, weshalb er nicht wie abgemacht in der Bahnhofshalle auf seinen Freund warte. Daraufhin erzählt P. S. den beiden Beamten, dass er von einigen Unbekannten davor gewarnt worden sei, sich um diese Zeit in der Bahnhofshalle aufzuhalten. Der eine Polizist fügt an, dass ihm alle Afrikaner diese Ausrede präsentieren. Und nachdem P. S. die Bezichtigung, er wolle hier doch sicherlich Drogen verkaufen, entschlossen zurückweist, beginnen die beiden Polizisten plötzlich heftig auf ihn einzuschlagen. Gemeinsam traktieren sie ihn - der eine mit der blossen Faust, der andere mit einem Schlagstock. P. S. fleht seine Peiniger an, damit aufzuhören, er habe sich doch nichts zu Schulden kommen lassen. Die Polizisten zeigen sich aber unbeirrt und reissen P. S. die Hände auf seinen Rücken. Darauf stossen sie ihn gegen die Autotüre und auf den Boden. Während ein Beamter ihn mit dem Schuh am Hals fixiert, legt ihm der andere Handschellen an. Danach werfen sie ihn auf den Rücksitz des Polizeiautos. Das Kinn von P.S. ist durch die Hiebe aufgeschlagen und blutet stark. Immer wieder beschimpfen ihn die Polizisten auf übelste Art und Weise. Während der eine Polizist das Auto lenkt, drescht der andere kräftig auf den Wehrlosen ein, schlägt ihn immer wieder in die Seite (Rippen) und auf den Kopf. Als das Auto in einem Waldstück nahe der französischen Grenze anhält, ist er nicht mehr bei vollem Bewusstsein. Eine Rippe ist gebrochen, sein Gesicht aufgeschürft und geschwollen, er blutet aus der Nase, aus dem Mund, am Bein und am Kopf. Die Schläge des Polizisten zertrümmern auch die Zahnprothese von P. S.
 
Prügelorgie im Wald
Immer noch in Handschellen gelegt, werfen ihn die beiden Polizisten aus dem Auto und setzen ihre Prügelorgie auf dem Waldboden fort. Als sich P. S. nicht mehr bewegt, versuchen die Beamten die Handschellen des Opfers zu öffnen, was ihnen aber nicht auf Anhieb gelingt. Deshalb schlägt der eine Polizist mit einem Stein so lange auf die Handschellen, bis diese aufspringen. Bevor die beiden Peiniger das reglose Opfer in einer Blutlache liegen lassen, werfen sie ihm den Ausweis auf den Rücken und meinen, er solle doch hier vor die Hunde gehen. Dann fahren sie in ihrem Dienstauto davon. Über eine Stunde liegt P. S. im Waldstück und versucht, sich aufzurichten. Nur mit Müh und Not kann er zur nahe gelegenen Strasse kriechen, wo ihn eine Passantin entdeckt, die ihn auf seinen Wunsch hin zum Asylzentrum in Vernier fährt. P. S. weiss, dass hier viele Schwarzafrikaner untergebracht sind, von denen er sich Hilfe verspricht. Er erzählt den Bewohnern, was ihm zugestossen ist, worauf diese ihn zuerst einmal ins Bett legen. Als er gegen Abend mit starken Schmerzen aufwacht, alarmiert der Nachtwächter die Ambulanz.
 
Genesen und warten
Im Genfer Universitätsspital wird P. S. von einem Arzt untersucht. Dieser attestiert ihm eine Fraktur der 8. Rippe sowie eine Kontusion im Bereich der rechten Mandibula (Kieferquetschung). Nach der Untersuchung tauchen ein Polizist und eine Polizistin in seinem Spitalzimmer auf, die ihn nach den Verursachern seiner Verletzungen fragen. Als P. S. ihnen darauf vom Vorfall berichtet, raten sie ihm, am nächsten Tag auf der Polizei Anzeige zu erstatten. Mit einigen Schmerztabletten und einem Arzneirezept verlässt P. S. - noch immer benommen vom Polizeiübergriff - das Spital und geht ins Asylzentrum Vernier zurück. Am nächsten Tag fährt er mit der Bahn heim nach Schaffhausen. Zu Hause berichtet P. S. einem seiner Freunde vom brutalen Polizeiübergriff. Dieser informiert ein Mitglied der Asylgruppe Schaffhausen. In seiner Begleitung sucht P. S. zuerst den Leiter der Rechtsberatungsstelle für Asylsuchende Schaffhausen und danach die Notfallaufnahme des Kantonsspitals Schaffhausen auf. Der behandelnde Arzt untersucht ihn auf ein Neues und lässt sich zusätzlich von seinem Kollegen in Genf das Untersuchungsprotokoll zufaxen. Versehen mit den medizinischen Attesten begibt sich P. S. in Begleitung des Asylgruppenmitglieds auf den Polizeiposten in Schaffhausen und erstattet Anzeige gegen die Genfer Beamten. Bis zum heutigen Zeitpunkt, zwei Monate nach dem Übergriff, hat P. S. noch nichts über Fortschritte bezüglich der Anzeige gehört. Körperlich geht es ihm allmählich wieder besser. Dank einer neuen Zahnprothese kann sein Mund wieder lächeln. augenauf Basel

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