Bulletin Nr. 42; Juni 2004

Basler Polizisten als Zeugen vor Gericht - ein eher peinlicher Auftritt

Juristisches Nachspiel eines Hundebisses

Am 1. Mai 2003 biss ein Polizeihund den Passanten Ueli V. (Name geändert), der danach für anderthalb Monate arbeitsunfähig war (siehe augenauf-Bulletin Nummer 38). Fast ein Jahr später stand er mit einem Teilnehmer der Nachdemo vor dem Strafgericht. augenauf hat den Prozess beobachtet.
Die Verhandlung, die auf einen ganzen Tag angesetzt worden war, wärmte die Vorgeschichte sowie die Umstände der Nachdemo und jener Schlägerei mit Rechtsradikalen auf, aus welcher der Hundebiss resultierte. Ein Dreiergericht befragte Ueli V. und den Teilnehmer der Nachdemo. Als Zeugen waren ein Demonstrant und drei Polizisten geladen, darunter der Hundeführer. Die Polizisten zeigten in ihren Zeugenaussagen ein ausserordentliches Langzeitgedächtis: Alle drei konnten sich im April 2004 besser an das Geschehene erinnern als bei der ersten Befragung kurz nach dem Vorfall. Alle hatten dieselbe Situation gesehen und schwächten ihre «hundertprozentig sicher»-Aussagen immer erst ab, wenn der Richter sie auf Widersprüche aufmerksam machte. Ein Beispiel: Im Gegensatz zu den Angeklagten sagten alle Polizisten unisono aus, dass der Passant den einen Polizisten - als dieser versuchte, ihn festzunehmen - angegriffen, mit Händen und Füssen getreten und zu Boden gerissen habe. Ein zufällig aufgenommenes Video, das vor Gericht abgespielt wurde, zeigte allerdings einen anderen Tathergang: Der Passant hätte für all seine Gewalttätigkeiten, welche den Polizisten in erstaunlicher Übereinstimmung präsent waren, höchstens eine halbe Sekunde Zeit gehabt, bevor er mit einem Polizeihundegebiss im Bein selber (als einziger) am Boden lag. Die drei Uniformierten schwiegen zuerst betreten. Ihre weiteren Aussagen bestanden zunehmend aus einem nervösen Abwiegeln. Ihr eher peinlicher Auftritt wirkte aufs Gericht aber offenbar anders als auf die meisten im Publikum. Denn ungeachtet all dessen, was in der Verhandlung gebogen, gelogen und erzählt wurde, hielt es die Aussagen der Polizisten für glaubwürdig und sprach beide Angeklagten schuldig. Der Teilnehmer der Nachdemo kassierte sechs Monate Gefängnis bedingt wegen eines ganzen Rattenschwanzes von Delikten, die er am 1. Mai 2003 begangen haben soll. Auch der Passant wurde wegen Hinderung einer Amtshandlung verurteilt. Allerdings sah der Richter bei ihm wegen des Hundebisses von einer Bestrafung ab. Bleibt zu spekulieren, ob in Zukunft Menschen, die im Kanton Basel-Stadt Zivilcourage zeigen und deshalb vor die Schranken des Gerichts zitiert werden, unter einer breiteren Palette von Strafen aussuchen können: neben Haft oder Busse beispielsweise der Biss eines Polizeihundes, Peitschenhiebe oder Pranger... Zwei Nachträge: Der Polizeihund wurde nachträglich strafrechtlich rehabilitiert - aber trotzdem kurz nach seinem Einsatz am 1. Mai unehrenhaft aus dem Polizeidienst entlassen. Der Grund: auf der Suche nach einem Einbrecher hatte er sich ins leichter erreichbare Bein eines Schaulustigen verbissen. Über den rätselhaften «schwarzen Block», der während der Verhandlung immer wieder erwähnt wurde, wusste ein Polizist auf die Frage eines Verteidigers folgende präzise Beschreibung: Das seien die Linksextremen aus Basel. Sie seien engagiert. Einige von ihnen wohnten an der Elsässerstrasse. Und manchmal würden sie demonstrieren. augenauf Basel

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