Die von der Asylfürsorge Ausgeschlossenen haben laut Bundesverfassung (BV) Anrecht auf Nothilfe. Im Artikel 12 der BV heisst es: «Recht auf Hilfe in Notlagen. Wer in Not gerät und nicht in der Lage ist, für sich zu sorgen, hat Anspruch auf Hilfe und Betreuung und auf die Mittel, die für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlich sind.»
Kein Wort von befristeter Hilfe. Es ist offensichtlich, dass eine weggewiesene Person in Not ist, ohne Obdach, ohne Geld, ohne Arbeitsbewilligung. Die Kantone interpretieren nun diese Nothilfe, wie es ihnen gefällt. Fünf Tage Unterkunft und vorgekochtes Essen, zum Beispiel im Kanton Aargau.
Am Freitag Nachmittag vor Pfingsten ruft S. an: Er ist aus dem Durchgangszentrum rausgeschmissen worden und hat nun fünf Tage in einem Notlager verbracht. Jetzt steht er auf der Strasse. Was nun? «Setz dich vor die Kirche, sichtbar, bettle die Leute um Essen an!», kann man ihm raten. Er muss nicht befürchten, in Ausschaffungshaft zu kommen, die hat er schon hinter sich. Im Mittelalter waren es die Klöster, die den Obdachlosen Suppe verteilten. Nachdem sich der Staat von seinen Pflichten verabschiedet hat, kommen wir wohl zurück auf mittelalterliche Zustände: Betteln auf der Strasse.
Es ist völkerrechtlich verboten, eine Grenze ohne gültige Dokumente zu überqueren. So begründen die Haftrichter jeweils die Ausschaffungshaft. Wenn die Behörden Leute auffordern, ohne Dokumente die Schweiz zu verlassen, verhalten sie sich völkerrechtswidrig. Wer klagt?
Das Krankenversicherungsgesetz verlangt, dass jede auf dem Gebiet der Schweiz anwesende Person die obligatorische Grundversicherung abzuschliessen hat. Das Schweizerische Versicherungsgericht hat dies in einem Urteil im Dezember 2002 bestätigt. Die Kantonsregierungen reduzieren die ärztliche Versorgung für NEE-Abgewiesene auf Notfälle, ohne eine Grundversicherung abzuschliessen. Gelten Bundesgesetze für Kantone nicht mehr?
Wann war es, als Max Frisch von einem verluderten Staat sprach?
augenauf Zürich
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