Bulletin Nr. 40; Dezember 2003

Notorischer Rassismus und Straffreiheit für Polizisten

Die eigentliche Ursache für die Einstellung der Verfahren liegt jedoch nicht beim ewigen Nichtwissen der Polizeichefs. Die Ursache liegt im Umgang mit Menschen ausländischer Herkunft, besonders AsylbewerberInnen, und in der Art, wie Verfahren gegen Polizeibeamte geführt werden.
Am Anfang steht die Lagebeurteilung. Der massive Einsatz der Glarner Kantonspolizei kommt dadurch zustande, dass eine Beurteilung vorgenommen wird, die sich aller Klischeesbedient. Kernaussage des Kripochefs: «Es bestehen konkrete Anhaltspunkte, dass der Drogenhandel in Glarus in die Hände von Schwarzafrikanern übergeht.» Um ein wirklich gefährliches Bild zu bekommen, sind einige Puzzle-Teile notwendig, die lächerlich wären, hätten sie nicht so eine Wirkung. - Der Chef der Fremdenpolizei Glarus teilt mit, dass er von «deliktischen Tätigkeiten» in den Durchgangszentren weiss. Dies aufgrund eines Informanten, d. h. eines Asylbewerbers, der sich zum Ausspionieren seiner MitbewohnerInnen anstellen liess. - Gegen mindestens einen Mann besteht ein konkreter Verdacht wegen Drogenhandel und Hehlerei. Dieser wohnt aber nicht mehr in einem Durchgangszentrum. - Es ist bekannt, dass Drogenhändler vor einer Durchsuchung Drogen schlucken, ins Klo runterspülen oder an unmöglichen Orten verstecken. - Es ist bekannt, dass Asylsuchende bei einer Hausdurchsuchung fliehen. Beispiele aus anderen Kantonen liegen vor. - Es ist bekannt, dass Asylsuchende gewalttätig sind. - Die Leitung der Zentren wird verdächtigt, mit den Kriminellen unter einer Decke zu stecken: «Ein Mitarbeiter der DZ-Leitung hat eine von uns verdächtigte Person als vertrauenswürdig deklariert.» Dies ist das Rohmaterial für eine paranoid-rassistische Lagebeurteilung: Da ein Beispiel irgendwo automatisch für alle gilt, kommt dabei Folgendes heraus: Es hat vier konkret Verdächtige (von denen übrigens nur zwei verhaftet werden, einer wird am gleichen Tag wieder freigelassen) und eine unbekannte Anzahl weiterer Krimineller in diesen Durchgangszentren. Sie sind bewaffnet, gewalttätig und jederzeit zur Flucht bereit. Kurzum: Jeder Asylant ist ein potenzieller Krimineller.
 
Es gilt, was die Polizei sagt
Eine wesentliche Ursache, warum in der Schweiz kaum Polizisten für ihre Taten verurteilt werden, ist ihre überhöhte Glaubwürdigkeit. Es gilt der Grundsatz, dass PolizistInnen immer die Wahrheit sagen, alle anderen aber eventuell lügen. Dies gilt auch, wenn in einem Verfahren die Beschuldigten Beamte sind. Auch die vorliegende Einstellungsverfügung stützt sich fast ausschliesslich auf die Aussagen der Polizei. Abweichende Aussagen der Betroffenen werden schlichtweg ignoriert: - Alle Betroffenen sagen aus, sie hätten erst nach stundenlanger Fesselung realisiert, dass sie von der Polizei überfallen wurden. Diese Tatsache wird schlicht ignoriert. Die Polizeichefs sagen aus, sie hätten sich immer ordnungsgemäss «in einer international verständlichen Sprache» als Polizisten vorgestellt. - Ein Betroffener sagt aus, dass ihm der Schuhsack über den Kopf bis zum Hals hinuntergezogen wurde. Die Aussage des Grenadierchefs, er hätte die Leute klar instruiert, den Sack nur bis zur Nase herunterzuziehen, klärt diesen Punkt: So wird es gewesen sein.
 
Geheimjustiz in der Schweiz
In einem weiteren Punkt entspricht dieses Verfahren dem üblichen Vorgehen, jedoch nicht unseren Gesetzen: Viele Akten, auf denen der Entscheid basiert, sind geheim. Erneut weigert sich eine Untersuchungsbehörde, entsprechende polizeiinterne Unterlagen wie Dienstbefehle und Ausbildungsunterlagen herauszugeben. Der Anwalt der Betroffenen wird der Möglichkeit beraubt, selbst festzustellen, ob die angewendeten Massnahmen den internen Reglementen und Ausbildungen überhaupt entsprechen. Dies widerspricht einmal mehr allen rechtsstaatlichen Grundsätzen, die offensichtlich einem schwammigen Sicherheitsbedürfnis der Polizei geopfert werden.

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