Bulletin Nr. 39; Oktober 2003

Rubrik Kurzmeldungen

Auge drauf

 
Schwarz = kriminell
Ein neuer Fall in der langen Liste der von der Polizei misshandelten Schwarzen wurde augenauf aus Buchs SG gemeldet, wo ein dort wohnhafter Mann auf einem Spaziergang von einer Polizeipatrouille in Zivil gestoppt wurde. Er zeigte seinen Ausländerausweis, an dem die Beamten jedoch gar nicht interessiert waren, da sie ihn gleich mit Handschellen verhaften wollten. Da der Schwarze den Grund für seine Anhaltung wissen wollte, wurde er von den Polizisten am Hals gepackt, gewürgt und getreten, sodass er stürzte. Erst beim Abtransport im Kastenwagen erachteten die Polizisten es als nötig, den Ausweis des Mannes anzuschauen, um überrascht festzustellen, dass es sich bei ihm um einen Österreicher handelte. Nun hat er eine Anzeige am Hals. Zwei Tage später kommentierten Lokalzeitungen den Vorfall getreu den Vorgaben des Polizeicommuniqués, wonach «ein Mann aus Sierra Leone» von der Polizei «überwältigt» worden sei, nachdem er die Beamten angegriffen habe. Dieser Fall zeigt einmal mehr zwei düstere Tatsachen: Erstens entspricht die Strategie der Polizei, Menschen zuerst zu misshandeln und danach anzuzeigen, einem schweizweiten Phänomen. Zweitens müssen Menschen dunkler Hautfarbe, egal woher sie kommen und welche Papiere sie besitzen, mit der Haltung der Schweizer Gesetzeshüter leben: Schwarz = schwarz und schwarz = kriminell.
 
Lügen-BFF
Bei der Papierbeschaffung ist dem BFF alles recht - und Madame Metzler schützt ihre Angestellten. Der Fall des papierlosen Afrikaners M. B. ist besonders krass. Von vier Gutachtern haben zwei festgestellt, dass er aus Sierra Leone stammt; zwei gaben an, dass er möglicherweise aus Gambia kommt. Der stellvertretende Sektionschef der Abteilung Vollzugsunterstützung des BFF, Herr Michael Büchi, wusste natürlich, dass für eine Deportation von M. B. nur die Gambia-Piste Erfolg versprechend war. Deshalb log er das «Test»-Ergebnis zurecht. Dem gambischen Generalkonsul teilte er mit, dass ausgeschlossen werden könne, dass M. B. aus Sierra Leone stamme. Der Generalkonsul glaubte dem Berner Beamten und stellte ein Laisser-Passer aus. Im März wurde M. B. per Charter nach Banjul deportiert. augenauf wandte sich am 25. März mit einer Aufsichtsbeschwerde an Ruth Metzler. Wir wiesen unter anderem darauf hin, dass es ausserordentlich problematisch sei, wenn BFF-Beamte offizielle VertreterInnen westafrikanischer Staaten anlügen würden. Metzler liess uns durch einen ihrer Chefbeamten mitteilen, dass kein Fehlverhalten von Büchi festgestellt worden sei. Aus unserer Erfahrung wissen wir, dass die Abteilung Vollzugsunterstützung auch heute mit extralegalen Mitteln arbeitet. Mit dem Segen der Bundesrätin.
 
Hunde, wollt ihr ewig beissen?
Am Morgen des 13. 9. 2003 umstellte die Polizei ein Geschäftshaus in der Basler Innenstadt, in dem ein Einbrecher vermutet wurde. Der Diensthund «Kimon», der eigentlich das Haus durchschnüffeln sollte, zeigte sich nicht besonders motiviert. Statt nach dem bösen Buben zu suchen, trottete er auf die Strasse hinaus und verbiss sich im Bein eines Gaffers. Gemäss polizeilicher Medienmitteilung wurde das bislang unbescholtene Tier «fristlos vom Dienst suspendiert». Nichts Vergleichbares hat man bisher bezüglich der anderen beissfreudigen Polizeihunde gehört (vgl. augenauf-Bulletin Nummer 38).
 
Die Polizei macht Drogenpolitik
Auf den Vorplätzen der Basler Gassenzimmer bilden sich immer wieder grössere Ansammlungen konsumierender und «mischelnder» Suchtkranker. Dies einerseits aufgrund mangelnder Kapazitäten der Lokale und andererseits wegen des Fehlens sonstiger Treffpunkte. Wenn die Polizei dies duldet, könnte sie verschiedene opportune Gründe dafür anführen, angefangen vom Respektieren eines geschützten Ortes, über die Vermeidung der Ausbreitung der Szenen auf nachbarschaftliche Grundstücke oder die verbesserte Selbstkontrolle des Deals durch die Süchtigen, bis hin zum Umstand, dass ein solch konzentrierter Handelsplatz auch der Überwachung entgegenkommt. Der Grund für die Duldung in der Vergangenheit lag jedoch anderswo: An einer Orientierung erklärte der stellvertretende Polizeikommandant, man «habe die Zügel bewusst schleifen lassen, um so Druck aus der Bevölkerung aufzubauen». Oder anders gesagt: Lässt man die Situation vorsätzlich entgleisen, dann darf auch mit einer breiten Akzeptanz für eine repressivere Gangart in der Drogenpolitik gerechnet werden.
 
Vorsorglicher Übereifer
Ch. hat eigentlich eine Wegweisung erhalten. Es ist ihm jedoch eine Fristerstreckung gewährt worden, da er nach einer komplizierten Operation noch gehbehindert ist und weitere Kontrollen und Therapie braucht. Er ist einverstanden mit der Rückkehr in sein Heimatland, sobald seine Gesundheit dies erlaubt. Noch innerhalb der Fristerstreckung wird Ch. frühmorgens in seinem Zimmer von Polizeibeamten überrascht, verhaftet und in Handschellen nach Frauenfeld verbracht. Gefangenentransport und Vorführung bei der heimatlichen Botschaft zwecks Ausstellung eines Laisser-Passer! Auf der Botschaft war er jedoch freiwillig und aus eigenem Antrieb schon vor seiner Operation gewesen und hatte daselbst auch einen Termin für einen nächsten Besuch erhalten. Da inzwischen die Fristerstreckung in Kraft war, sah er keinen dringenden Grund, diesen Termin wahrzunehmen. Nach seiner Freilassung ruft er seine Rechtsvertreterin an: er ist völlig konsterniert über diese Behandlung und er hat sich auch beim Botschafter darüber beklagt. Ein Telefonanruf ans zuständige Ausländeramt ergibt eine seltsame Rechtfertigung: es gebe eben nur selten Termine bei dieser Botschaft, und andere hätten immer wieder den Termin versäumt. Aufgrund des Verhaltens anderer wird also einer verhaftet, in Handschellen abgeführt und zwei Tage in Gefangenschaft gehalten? Der verlangte Entschuldigungsbrief an den zu Unrecht polizeilich Vorgeführten kommt nie an. Aber: Das Amt verhält sich plötzlich sehr zuvorkommend und verlängert die Ausreisefrist noch einmal. Was den Wandel bewirkt hat? Mir wei nid grüble ...
 
Nichts Neues von der ORS
Vor einem guten Jahr verlas augenauf bei einem Zwischenhalt einer Demo vor der Notunterkunft (NUK) Unterstrasse in Zürich 6 einen Protest gegen die Zustände im unsäglichen Etablissement. Die Not dauert an. Es ist immer noch in Betrieb. Der kurzfristige Aufenthalt der Flüchtlinge von sechs bis acht Wochen, wie der Presse von der Direktion für Soziales und Sicherheit versichert wurde, kann Monate dauern. Die Öffentlichkeit nimmt keine Notiz vom NUK, solange nicht Protest aus dem Quartier wegen befürchteter Gefährdung von Schulkindern durch die «unheimlichen» Fremden laut wird. Die prekären Lebensbedingungen für neu ankommende Flüchtlinge haben sich nicht verbessert: es gibt immer noch keine abschliessbaren Schränke für die wichtigsten persönlichen Gegenstände wie Ausweis, Portemonnaie, Dokumente und Kleider. Vom Wochengeld von 14 Franken wird ein Franken als Depot für ein Trinkglas abgezogen. Vielleicht müssen wir schon froh sein, dass in diesem heissen Sommer überhaupt ein Trinkglas zur Verfügung steht? Die Gemeinschaftsdusche ist eine Stunde pro Tag offen. Ein nicht mehr ganz junger Mann, politischer Gefangener in seinem Heimatland, gefoltert und in heikler psychischer Verfassung, sagt mit ernster Stimme: «We muslims are not used to show us naked.» Ein junger Flüchtling, traumatisiert von Gewaltszenen in seinem Haus in Somalia, erwacht schreiend: er träumte, er ersticke. Muss das sein? «Besser als nichts», war damals die lakonische Antwort eines Empfangsstellenleiters. Kein Wunder, sind Asylsuchende kränker als der Durchschnitt der Bevölkerung.

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