Bulletin Nr. 39; Oktober 2003

Das BFF ist nicht fähig, eine Übersetzung Französisch-Deutsch zu organisieren

Integration - Fremdwort

Ein Linguatest hat einer Mutter eine falsche Herkunft attestiert. Deshalb erhielt die fünfköpfige Familie keine vorläufige Aufnahme. Seither lebt sie zwischen Stuhl und Bank.
Das Asylgesuch wurde im Februar 1996 eingereicht, der Negativentscheid kam im September 2000. Eine angolanische Familie mit drei Kindern, die nicht - wie die andern Familien aus Angola zu jener Zeit - vorläufig aufgenommen wurde. Was war da schief gelaufen? - Ein Linguatest, welcher der Mutter ein anderes Herkunftsland zuordnete. Ein Linguatest-Ergebnis, das ist so gut wie Gottes Wort, dagegen kommt keine Beschwerde auf. Seither lebt die Familie zwischen Stuhl und Bank, denn - das war voraussehbar - das zugeordnete Land hatte nicht das geringste Interesse, die fünfköpfige Familie aufzunehmen, da der Vater ohne Zweifel Angolaner ist. Ni rester - ni partir: Der Vater hat Arbeitsverbot, die Mutter ist depressiv, die Kinder sehen keine Zukunft und haben zunehmend Schulschwierigkeiten. Eine jugendpsychiatrische Abklärung bringt bei Christine, der ältesten Tochter, ernsthafte post-traumatische Störungen an den Tag. Das Bundesamt beschäftigt sich seither nur noch mit ihr, der Rest der Familie geht vergessen. Nach einem Jahr wird ein neuer Bericht angefordert, der keine Besserung feststellt, hingegen zunehmend depressive und suizidale Tendenzen. Christines Schulzeit wird bald enden, und das junge Mädchen sieht keine Chance für eine Berufslehre, schliesslich ist die Familie rechtskräftig weggewiesen. Nun bekommt Christine eine Vorladung zur Direktbefragung beim Bundesamt für Flüchtlinge in Givisier in der Romandie. Die Rechtsvertreterin klärt im letzten Moment ab, in welcher Sprache denn diese Befragung stattfinden soll. «En français, pourquoi?» Christine spricht am Telefon breiten Ostschweizer Dialekt. Die Mutter sagt, dass alle Kinder zu Hause nur noch Deutsch sprechen. Rückmeldung ans BFF: Die Befragung muss auf Deutsch stattfinden. Grosse Verlegenheit am andern Ende der Leitung. Eine Übersetzerin von Französisch auf Deutsch ist nicht zu finden in kurzer Zeit. Das ist zwei Monate her.
 
Vorschlag ans Bundesamt
Warum nicht einen Linguatest anordnen für Christine? Das Resultat wäre eindeutig: Dialektfärbung und Landeskenntnisse sprechen mit höchster Wahrscheinlichkeit für eine Sozialisierung im Osten der Schweiz. Auszuschaffen wäre die Familie nicht, sie ist schon dort, seit sieben langen Jahren. P.S.: Wenn Ruth Metzlers Sparprogramm in der nächsten Session vom Parlament angenommen wird, was dann? Dann steht die Familie auf der Strasse und kann betteln gehen. augenauf Zürich

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