Zum Tod des Asylbewerbers Samson Chukwu in der Ausschaffungshaft Beiträge im augenauf-Bulletin
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Erschienen im Bulletin Nr. 31; Juni 2001 Walliser Sondereinheit an der Arbeit Der zweite Tote bei der Ausschaffung Am 1. Mai stirbt Samson Chukwu an den Folgen eines Ausschaffungsversuches im Kanton Wallis. Für seinen Tod fühlt sich niemand verantwortlich. Aus der ersten tödlichen Ausschaffung vor zwei Jahren sind keine Konsequenzen gezogen worden. Am Morgen des 1. Mai um 2 Uhr stürmten zwei Beamte der «unité spéciale d'intervention» - für Antiterroreinsätze geschulte Beamte der Walliser Kantonspolizei - die Zelle des schlafenden Ausschaffungsgefangenen Samson Chukwu.
Widersprüche und Unwahrheiten Erneut wird ein Opfer, das in der Obhut der Polizei gestorben ist, reflexartig als Drogenhändler und gewalttätig dargestellt. Das laufende Verfahren gegen Chukwu wegen eines Verstosses gegen das Betäubungsmittelgesetz ist zurzeit in zweiter Instanz in Revision, es gibt also noch kein rechtskräftiges Urteil. Der Anwalt des Verstorbenen ist sich ziemlich sicher, dass er einen Freispruch hätte erwirken können. Die angedeutete Verhinderung des ersten Ausschaffungsversuches bestand darin, dass Chukwu auf Frage des Piloten der Linienmaschine geantwortet hat, er wolle nicht nach Afrika zurückfliegen. Darauf hat sich der Pilot geweigert, ihn als Passagier mitzunehmen. Weshalb Samson Chukwu starb, während er von den Polizisten und dem Wärter überwältigt wurde, bleibt bis heute unklar. Aus der Literatur ist bekannt, dass es bei Verhaftungen und bei der Überwältigung von Personen durch die Polizei zu Todesfällen kommen kann, wenn die körperlich und psychisch stark erregten Personen in Bauchlage mit hinter dem Rücken gefesselten Armen festgehalten werden.
Keine Reaktion der eidgenössichen SchreibtischtäterInnen Das Bundesamt für Flüchtlinge (BFF) zeigt sich über die Frage erstaunt, ob der Tod von Samson Chukwu zu einer Änderung der Praxis oder zumindest zu einem Traktandum bei den Koordinationssitzungen führe. Es ist nichts Derartiges geplant. Da die Durchführung der Ausschaffungen bei den Kantonen liegt, fühlt sich das BFF vom erneuten Todesfall nicht betroffen.
Tag der geschlossenen Tür beim Bundesamt für Flüchtlingswesen Am 5. Mai veranstaltete das Bundesamt für Flüchtlingswesen (BFF) in Bern-Wabern einen «Tag der offenen Tür», der sich innerhalb von kürzester Zeit in einen Tag der geschlossenen Tür verwandelte. Rund 50 Menschenrechts-AktivistInnen wollten teilnehmen, wurden aber nicht eingelassen. Mit einem Theater sollte den BesucherInnen vorgeführt werden, wie eine Level-3-Ausschaffung abläuft und wie dabei die Auszuschaffenden verpackt und verschnürt werden. Die Aktion stand für den Protest gegen die Tötung von Samson Chukwu durch Walliser Polizisten.
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Erschienen im Bulletin Nr. 32; September 2001 Autopsiebericht zum Tod von Samson Chukwu: Erstickung wegen polizeilicher Festnahme-Methode Die Polizei hat gehandelt wie immer Samson Chukwu, der zweite Mann, der in der Schweiz bei der Ausschaffung gestorben ist, erstickte jämmerlich. Der Autopsiebericht bestätigt, was augenauf von Anfang an befürchtet hat: Die Polizeibeamten haben zur Fesselung des Nigerianers eine Methode angewandt, die lebensgefährlich ist und vor deren Anwendung in der Fachliteratur gewarnt wird. Am 28. August wird in Zürich Kloten ein Sarg ins Flugzeug mit der Flugnummer SR 264 eingeladen. Samson Chukwu, am 1. Mai in der Zelle im Ausschaffungsgefängnis Granges getötet, wird in seine Heimat zurückgebracht. Begleitet von seinem älteren Bruder und verabschiedet von Schweizer FreundInnen, der nigerianischen Community in der Schweiz und augenauf, startet das Flugzeug um 12.55 Uhr nach Lagos. Die sterblichen Überreste des zweiten Todesopfers aktueller schweizerischer Ausschaffungspolitik verlassen das Land. Am 7. September findet die Beerdigung in seinem Heimatdorf Enugu statt.
Die letzte Viertelstunde Die Polizeibeamten der Walliser Spezialeinheit, die den Auftrag hatten, Samson Chukwu am 1. Mai 2001 nach Zürich zu bringen, haben den Nigerianer getötet. Maduka Chukwu, der ältere Bruder Samsons, hat mit den beiden Beamten geredet. Sie sind sich keiner Schuld bewusst, auch wenn einer der beiden sich wenigstens dazu durchringt zu sagen, es täte ihm leid.
Courant normal Die beiden Beamten der Walliser Spezialeinheit betonen, dass sie gehandelt hätten, wie sie immer handeln - es sei gar nichts Aussergewöhnliches passiert, und sie könnten sich den Tod des muskulösen 27-Jährigen nicht erklären. Dabei führten beispielsweise schon 1999 die deutschen Polizeitrainer Schulungskurse durch, um ihren Polizisten klarzumachen, dass die Position auf dem Bauch nach einer grossen Anstrengung und unter Stress zu Atemnot und damit zum Tode führen kann - ganz zu schweigen davon, wenn sich noch ein schwerer Mann auf den Rücken setzt. Diese Todesart wird «plötzlicher Gewahrsamstod» genannt. In der Schweiz wurde er nach dem Tod des Palästinensers Khaled Abuzarifas im März 1999 in Kloten öffentlich diskutiert. Doch bis heute haben die politisch Verantwortlichen daraus keine Lehren gezogen.
Der Autopsiebericht Am 26. Juli 2001 gab das Untersuchungsgericht des Mittelwallis die Resultate des gerichtsmedizinischen Instituts der Universität Lausanne bekannt. Die Schlussfolgerungen des Autopsieberichtes:
Solidarität und Widerstand augenauf organisierte am 30. Juni zusammen mit der Gruppe Antimythes eine Demonstration in Sion. Die zentrale Forderung: Schluss mit den mörderischen Ausschaffungen! Die Manifestation, an der sich etwa 200 Leute aus der Deutsch- und der Welschschweiz sowie aus diversen afrikanischen Ländern beteiligten, verstand sich als Solidaritätsveranstaltung mit der Familie Samson Chukwus. Vom Bahnhof zog die Demo vor das Rathaus in Sion, wo ein Vertreter der nigerianischen Community sowie je eine Vertreterin von Antimythes und augenauf die Ausschaffungspolitik der Schweiz denunzierten. Zum Schluss wurde ein Communiqué verabschiedet, das den sofortigen Stopp der Zwangsmassnahmen verlangt.
Hommage à Samson Chukwu Am 25. August, drei Tage vor der Repatriierung des Leichnams von Samson Chukwu nach Nigeria, fand in Sion eine Abdankung für den Getöteten statt. Organisiert von der Familie und FreundInnen, vom Centre Suisses-Immigrés Valais, dem Comité Valaisan pour la Défense du Droit d'Asile, Amnesty International und Les Antimythes fanden sich gegen 30 Leute zusammen, um in der Kirche von Samson Chukwu Abschied zu nehmen.
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Erschienen im Bulletin Nr. 33; Dezember 2001 Der Anwalt der Familie Chukwu hat gegen die Einstellung des Verfahrens Rekurs eingelegt Keiner will von der Gefahr gewusst haben Am 27. September hat der zuständige Untersuchungsrichter des Kantons Wallis, Jacques de Lavallaz, entschieden, gegen die beiden Polizisten, in deren Händen der nigerianische Ausschaffungshäftling Samson Chukwu am 1. Mai 2001 gestorben war, kein Strafverfahren zu eröffnen. (siehe Bulletin Nr. 32)
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