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Bundesministerium des Inneren, Juni 1999

Bericht
an den Innenausschuß des Deutschen Bundestages
über den Tod des sudanesischen Staatsangehörigen
Aamir Omer Mohamed Ahmed AGEEB
bei dessen Rückführung am 28. Mai 1999

1. Sachverhalt

Der sudanesische Staatsangehörige AGEEB verstarb am 28. Mai 1999 anläßlich seiner Rückführung in den Sudan. Er war in Begleitung von drei BGS-Beamten, gegen die am 2. Juni 1999 Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main eingeleitet wurden. Gleichzeitig wurden durch den Präsidenten des Grenzschutzpräsidiums Mitte disziplinare Vorermittlungen gemäß § 26 (1) BDO gegen die Beamten eingeleitet und gemäß § 17 (2) BDO bis zum Abschluß der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ausgesetzt.
Die Beschuldigten wurden am 7. Juni 1999 durch Kriminalbeamte des von der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main mit den Ermittlungen beauftragten Bundeskriminalamtes förmlich vernommen, wobei sie keine Angaben zur Sache machten.

Die endgültige Todesursache steht bislang noch nicht fest, ebensowenig, ob ein schuldhaftes Handeln des BGS-Beamten vorliegt. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main macht ihre Entscheidung über eine weitere Obduktion von dem Votum der Rechtsmedizin der Universität Frankfurt/Main abhängig.

Die bisherigen Erkenntnisse über den Todesfall beruhen auf eigenen Sachverhaltsermittlungen und informatorischen Befragungen der betroffenen Beamten durch die erstbefaßte Staatsanwaltschaft Landshut. Danach stellt sich der Vorfall wie folgt dar:

Der sudanesische Staatsangehörige AGEEB reiste am 09. April 1994 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 04. Mai 1994 einen Asylantrag, der am 25. August 1995 vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Da er durch eine zwischenzeitliche Heirat mit einer deutschen Staatsangehörigen ein Aufenthaltsrecht erlangte, nahm er seinen noch nicht rechtskräftigen Asylantrag am 17. April 1996 zurück.

Nach Scheidung von seiner Ehefrau wurde seine Aufenthaltsgenehmigung mit Bescheid der Kreisverwaltung Pinneberg vom 28. April 1998 nachträglich zeitlich bis zum 04. Juni 1998 befristet. Ferner wurde der Betroffene zur Ausreise aufgefordert und ihm die Abschiebung im Falle der Nichtbeachtung der Ausreisepflicht angedroht. Die Abschiebeandrohung war seit dem 29. Mai 1998 vollziehbar.

Da Herr AGEEB seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkam, wurde er zur Festnahme ausgeschrieben und am 09. April 1999 in Karlsruhe festgenommen. Seit diesem Zeitpunkt befand sich Herr AGEEB in Abschiebehaft in der Justizvollzugsanstalt Mannheim. Eine für den 16. April 1999 geplante unbegleitete Rückführung mußte kurzfristig verschoben werden, da der sudanesische Staatsangehörige einen Mitarbeiter der Ausländerbehörde im Rahmen der Betreuung in der JVA Mannheim mit einem Messer bedroht hatte und somit nur noch eine Rückführung mit Sicherheitsbegleitung in Frage kam. Von diesem Vorfall hat der BGS erst nach dem Todesfall Kenntnis erlangt.

Eine erneute Rückführung, die für den 04. Mai 1999 vorgesehen war, mußte aufgrund eines Asylfolgeantrages ebenfalls abgebrochen werden. Nach Ablehnung des Folgeantrages durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge wurde der Termin für die Rückführung auf den 28. Mai 1999 festgelegt. Nach einem Haftprüfungstermin am 20. Mai 1999 randalierte Herr AGEEB am Folgetag in seiner Gewahrsamszelle, wobei er sich eine leichte Stirnverletzung sowie oberflächliche Hautabschürfungen zuzog. Ferner versuchte er, sich mit einer in Streifen zerrissenen Decke zu strangulieren. Auch diese Umstände sind den mit der Rückführung beauftragten Stellen des Bundesgrenzschutzes durch das Regierungspräsidium Karlsruhe - Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge - weder bei der Flugbuchung, noch zu einem sonstigen Termin im Vorfeld der Rückführung mitgeteilt worden. Das Regierungspräsidium Karlsruhe hatte in seinen die Übergabe begleitenden Schreiben an das Bundesgrenzschutzamt Flughafen Frankfurt/Main vom 19. und 26. Mai 1999 die im Vordruck enthaltene Frage c) "Liegen der mitteilenden Behörde Erkenntnisse vor, daß der Ausländer zur Verhinderung der Rückführung sich selbst Verletzungen beibringen könnte?" mit "Nein" beantwortet. An dieser Stelle hätte im ausgefüllten Formular ein Hinweis durch die überstellende Behörde erscheinen müssen, um den die Rückführung vornehmenden BGS-Beamten die situationsgerechte Vorbereitung der Rückführungsmaßnahme - u.a. durch Einschaltung eines Arztes - zu ermöglichen.

Die o.g. Frage ist Bestandteil eines Fragenkataloges, der gemäß Absprache mit den Ländern vor jeder Rückführung im Rahmen einer vertrauensvollen und effektiven Zusammenarbeit durch die zuführende Ausländerbehörde beantwortet wird, um seitens des BGS eine ausreichende Gefährdungsanalyse vornehmen zu können. Dieser Fragenkatalog wurde in der Vergangenheit auch immer wieder in Clearing-Stellen-Tagungen behandelt und ist Bestandteil der BGS-internen "Dienstanweisung für die grenzpolizeiliche Begleitung von rückzuführenden Ausländern im Luftverkehr"(DA - BL).

In strafrechtlicher Hinsicht war Herr AGEEB in der Bundesrepublik Deutschland bereits mehrfach in Erscheinung getreten. In den Jahren 1995 und 1998 wurde Herr AGEEB durch Strafbefehl wegen versuchter Nötigung rechtskräftig zu Geldstrafen verurteilt.
1999 wurde gegen ihn ein Strafbefehl wegen versuchter Störung öffentlicher Betriebe erlassen, in dem er ebenfalls rechtskräftig mit einer Geldstrafe belegt wurde.

Die Staatsanwaltschaft Itzehoe hatte am 22. Januar 1998 Anklage gegen Herrn AGEEB wegen sexueller Beleidigung einer Schülerin erhoben. Das Verfahren war jedoch am 22. Januar 1999 wegen unbekannten Aufenthaltes des Herrn AGEEB gem. § 205 StPO wegen Abwesenheit vorläufig eingestellt worden.

Weiterhin wurde gegen ihn ein Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft Itzehoe aufgrund einer Anzeige seiner geschiedenen Ehefrau wegen Vergewaltigung in der Ehe eingeleitet. Auch dieses Verfahren war wegen unbekannten Aufenthaltes des Angeschuldigten am 2. Juni 1998 gem. § 205 StPO vorläufig eingestellt worden.
Aufgrund der geschilderten Vorfälle wurde Herr AGEEB anläßlich der Vorbereitung seiner Rückführung vom Regierungspräsidium Karlsruhe - Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge - gegenüber dem Bundesgrenzschutzamt Flughafen Frankfurt am Main als gewalttätig und renitent eingestuft. Dementsprechend wurde Herr AGEEB am 28. Mai 1999 um 10.45 Uhr durch Beamte der Landespolizei Baden-Württemberg mit auf dem Rücken gefesselten Händen an den BGS am Flughafen Frankfurt/Main übergeben, um ihn über Kairo/Ägypten nach Khartoum/Sudan rückzuführen. Sodann wurde er in eine Gewahrsamszelle verbracht und ihm die Stahlfesseln abgenommen. Anschließend wurde sein Gepäck und seine Bekleidung im Rahmen der Luftsicherheitskontrolle überprüft. Während der Durchsuchung leistete der Rückzuführende keinen Widerstand. Im Anschluß daran wurde er mit Plastikfesseln an Händen und Füßen gefesselt.

Dem Rückzuführenden wurde zu seinem Schutz ein handelsüblicher lntegralhelm - ohne Visiereinrichtung - aufgesetzt, der ihm zu einem späteren Zeitpunkt wieder abgenommen wurde. Während des weiteren Aufenthalts in der Gewahrsamszelle wurde Herr AGEEB in regelmäßigen Abständen überwacht. In Gesprächen mit den Begleitbeamten deutete Herr AGEEB an, daß er lieber Suizid begehen würde, als in den Sudan zurückzukehren.

Gegen 13.45 Uhr wurde der Rückzuführende in gefesselten Zustand durch fünf Polizeivollzugsbeamte des BGS - darunter die drei vorgesehenen BegIeitbeamten - mit einem Dienstfahrzeug zum Flugzeug gebracht. Während der Fahrt zeigte Herr AGEEB keine Anzeichen von Renitenz. Erst nach dem Stillstand des Fahrzeuges an der Halteposition des Flugzeugs schlug Herr AGEEB seinen Kopf gegen die Fensterscheibe des Fahrzeugs. Nachdem diese Handlung zu keiner offensichtlichen Verletzung führte, wurde ihm der Integralhelm erneut zu seinem Schutz aufgesetzt. Im Anschluß mußte Herr AGEEB in das Flugzeug getragen werden, da er sich weigerte, es freiwillig zu betreten. Er wurde sodann auf dem Mittelsitz der letzten Dreier-Sitzreihe des Flugzeugs angeschnallt, wobei aus Sicherheitsgründen weder die Fesselung noch der lntegralhelm abgenommen wurden. Um die Fesselung zu verdecken, wurde eine Decke über die Oberschenkel von Herrn AGEEB gelegt. Die Außentüren des Flugzeugs wurden um 14.40 Uhr geschlossen. Der Start erfolgte um 15.18 Uhr.

Als das Flugzeug zum Start rollte, versuchte Herr AGEEB, sich - trotz Fesselung und angelegtem Sitzgurt - aus dem Sitz zu stemmen, und er begann laut zu schreien. Die beiden Beamten, die zu seinen Seiten saßen, drückten Herrn AGEEB daher in seinen Sitz zurück und dessen Oberkörper nach vorne in Richtung Oberschenkel. Der dritte Beamte, der den Platz direkt vor Herrn AGEEB eingenommen hatte, drückte zusätzlich dessen Kopf nach unten. In dieser Haltung wurde der Rückzuführende während des gesamten Startvorgangs festgehalten. Da der sudanesische Staatsangehörige bei einem kurz vor dem Start mit den Begleitbeamten geführten Gespräch Selbstmordabsichten geäußert hatte, fragten die Begleitbeamten den Sudanesen mehrmals, ob er "OK" sei, was dieser nach Angaben der Beamten daraufhin auch bestätigt habe. Zudem kontrollierten die Beamten zweimal den Puls des Rückzuführenden, ohne hierbei Auffälligkeiten festzustellen.

Als die Begleitbeamten Herrn AGEEB nach dem Erlöschen der Anschnallzeichen wieder aufrichten wollten, stellten sie fest, daß seine Augen geschlossen waren und er nicht mehr reagierte. Da Herr AGEEB kein Lebenszeichen von sich gab, wurde das Flugpersonal gebeten, nach einem Arzt unter den Passagieren zu fragen. Es meldeten sich drei Ärzte, die ca. 10 bis 15 Minuten lang versuchten, den Betroffenen wiederzubeleben. Sie konnten jedoch nur noch den Tod von Herrn AGEEB feststellen. Aufgrund dieser Sachlage entschied der Pilot des Flugzeugs, außerplanmäßig in München zu landen. Die Landung erfolgte um 16.58 Uhr. Nach der Landung betraten u.a. drei Beamte der Landespolizei die Maschine, befragten die Passagiere und nahmen deren Personalien auf.

Gegen 18.10 Uhr traf eine Staatsanwältin der Staatsanwaltschaft Landshut am Ort des Geschehens ein und ließ sich über den Sachstand informieren und befragte die Beamten informatorisch. Gegen 18.20 Uhr gab sie die Maschine zum Weiterflug frei.

2. Aussetzung der vom BGS begleiteten Rückführungen auf dem Luftweg und weitere Maßnahmen

Nach Anordnung von Herrn Bundesinnenminister Schily dürfen einstweilen keine Rückführungen unter Beteiligung des BGS auf dem Luftweg erfolgen, sofern mit Widerstandshandlungen der Rückzuführenden zu rechnen ist.
Rückführungen mit Unterstützung (Begleitung) des BGS können jedoch nach wie vor durchgeführt werden, wenn eine Begleitung zur Gewährleistung der ärztlichen Versorgung erforderlich ist oder rein vorsorglich aufgrund der hohen Anzahl von Rückzuführenden erfolgt, ohne daß Anhaltspunkte für Widerstandshandlungen vorliegen. Eigene Rückführungsmaßnahmen der Länder werden hierdurch nicht berührt, d.h., die Länder können - wie auch schon zuvor - Abschiebungen in eigener Verantwortung durchführen.

Bis auf die Stadtstaaten Hamburg und Berlin haben alle Bundesländer seit dem 29. Mai 1999 keine begleiteten Rückführungen auf dem Luftweg mehr durchgeführt. In Bremen und Niedersachsen laufen zur Durchführung solcher Rückführungen entsprechende Planungen. Die Bundesländer Brandenburg, Bayern, Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen und Nordrhein-Westfalen wollen bei längerer Fortdauer der Aussetzung den Einsatz von eigenen Kräften prüfen. Der BGS hat sowohl am 8 Juni 1999 als auch am 15. Juni 1999 begleitete Sammelrückführungen nach Vietnam durchgeführt.

Durch die Aussetzung der Rückführungen durch den BGS soll aus Vorsorge- und Fürsorgegründen der notwendige Freiraum geschaffen werden, um die derzeitige Rückführungspraxis des BGS zu überprüfen und um zukünftig einen solchen Fall unbedingt zu vermeiden. Hierfür ist auch die Klärung der Todesursache von Herrn AGEEB durch die Staatsanwaltschaft von erheblicher Bedeutung.
Zur Überprüfung der Rückführungspraxis und der damit verbundenen Anwendung von Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges wurde am 31. Mai 1999 eine Ad-Hoc-Arbeitsgruppe "Begleitete Rückführung Luftweg" eingerichtet.
Ferner wurden sämtliche zentralen und dezentralen Fortbildungsmaßnahmen, die das Thema "Begleitete Rückführung auf dem Luftweg" zum Inhalt haben, am 3. Juni 1999 mit sofortiger Wirkung bis auf weiteres ausgesetzt.
Ziel ist eine Überprüfung und ggf. Anpassung der Fortbildungsinhalte im Hinblick auf etwaige neue Erkenntnisse, die möglicherweise nach abschließender Bewertung aus dem Todesfall des Herrn AGEEB gezogen werden können.

Mit Schreiben des Herrn Staatssekretärs Schapper vom 9. Juni 1999 wurden die Abteilungen Bundesgrenzschutz und Polizeiangelegenheiten des Bundesministeriums des Innern sowie ihr jeweils nachgeordneter Geschäftsbereich aufgefordert, zu einem Fragenkatalog Stellung zu nehmen. Die Stellungnahmen des nachgeordneten Bereiches werden zur Zeit noch ausgewertet und zu einem Gesamtbericht über die Modalitäten der Rückführung zusammengefaßt.

Für den 18. Juni 1999 wurde eine Konferenz mit Polizeifachärzten und Gerichtsmedizinern einberufen, um die aus ärztlicher Sicht gebotenen Maßnahmen zu erörtern, die sicherstellen, daß es bei Anwendung von Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges nicht zu einer Lebensgefahr für den Rückzuführenden kommt. Dabei sollen auch medizinische Aspekte des Positional-Asphyxia-Phänomens (siehe Nr. 3) besprochen werden. Zu der Konferenz sind auch externe Experten sowie in der Rückführung erfahrene BGS-Beamte eingeladen.
An eine Wiederaufnahme von Rückführungen mit BGS-Begleitung ist erst nach genauerer Kenntnis der Todesursache von Herrn AGEEB gedacht. Den Ländern bleibt es in der Zwischenzeit unbenommen, Rückführungen in eigener Verantwortung durchzuführen.

3. Das Positional-Asphyxia-Phänomen

Medizinische Untersuchungen in den USA über plötzliche Todesfälle anläßlich von Festnahmen nach hoher Zwangsanwendung haben ergeben, daß der Tod in den untersuchten Fällen aufgrund heftigster körperlicher Anstrengung verbunden mit hohem Sauerstoffverbrauch bei gleichzeitiger erheblicher Einschränkung der Atmung eingetreten ist. Dieses Zusammentreffen mehrerer Faktoren kann zu einer Hirnschädigung durch Sauerstoffmangel (Positional-Asphyxia-Phänomen) führen, das heißt, der Körper verbraucht mehr Sauerstoff als ihm die Atmung wieder zuführen kann.
Diese Gefahr ist besonders dann gegeben, wenn der durch heftigen Widerstand ohnehin atemlose Festgenommene nach Aufgabe seines Widerstandes - möglicherweise wegen bereits eintretender mangelnder Sauerstoffversorgung - aus Sicherheitsgründen in der Festnahmeposition gehalten wird und dabei zum Beispiel bäuchlings auf dem Boden fixiert bleibt und ggf. noch zusätzlich niedergedrückt wird.

Auf dieses Phänomen, das vor dem Todesfall AGEEB bei der deutschen Polizei lediglich vereinzelt - z.B. beim Polizeipräsidium Frankfurt/Main und beim Bundeskriminalamt - bekannt war und das auch noch nicht eingehend untersucht wurde, ist das Bundesministerium des Innern erstmals im Zuge seiner Untersuchungen im Todesfall AGEEB gestoßen:

Ein Unterausschuß der lnnenministerkonferenz "Führung, Einsatz und Kriminalitätsbekämpfung" hat sich mittlerweile der Thematik angenommen und mit Schreiben vom 8. Juni 1999 erläuternde Unterlagen an seine Mitglieder versandt.

Ob der Tod des Herrn AGEEB auf das oben beschriebene Phänomen oder aufgrund anderer Ursachen, wie zum Beispiel körperliche Vorschäden, zurückzuführen ist, muß letztlich dem abschließenden Ergebnis der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main vorbehalten bleiben.

4. Tod des nigerianischen Staatsangehörigen BANKOLE anläßlich seiner Rückführung im Jahr 1994

Der nigerianische Staatsangehörige BANKOLE verstarb 1994 bei seiner Rückführung. Aufgrund von Widerstandshandlungen wurde er durch die Begleitbeamten gefesselt. Ferner wurde ihm ein selbst hergestellter Mundschutz angelegt, um die Beamten vor Bissen zu schützen. Außerdem wurde ihm durch einen Arzt ein Beruhigungsmittel verabreicht. Wie die späteren staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ergaben, hatte Herr BANKOLE einen Herzfehler und verstarb aufgrund eines Herzversagens.

Die staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren gegen die Begleitbeamten wurden nach § 170 (2) StPO eingestellt, gegen den behandelnden Arzt nach § 153a StPO gegen Zahlung einer Auflage.
Anläßlich dieses Vorfalls wurden die Maßnahmen des Bundesgrenzschutzes im Zusammenhang mit der Rückführung ausländischer Staatsangehöriger umfassend überprüft. In der Folge wurde die Verabreichung von Medikamenten ebenso wie der Einsatz von Klebeband oder eines Beißschutzes zum Verschließen des Mundes durch das Bundesministerium des Innern untersagt. In diesem sachlichen Zusammenhang wurde außerdem ein lntegralhelm ohne Visiereinrichtung für die Rückführung zugelassen, um die Beamten vor Bißverletzungen und den Rückzuführenden vor Selbstverletzungen des Kopfes zu bewahren.

Die Verwendung von lntegralhelmen wurde von dem Frankfurter Arzt Claus Metz in seinem Schreiben vom 19. Oktober 1995 vorgeschlagen.

Anläßlich eines Ad-Hoc-Besuches des Anti-Folter-Ausschusses der EU auf dem Flughafen Frankfurt/M. im Mai 1998 wurden die Delegierten ausführlich über den Einsatz des Integralhelmes informiert. Kritik an der Verwendung dieses Helmes äußerte der Ausschuß nicht. Er empfahl jedoch in seinem Bericht, den Einsatz dieses Helmes in der Rückführungsdokumentation festzuhalten, da dies bislang nicht der Fall war. Diese Anregung wurde unmittelbar nach dem Besuch des Anti-Folter-Ausschusses umgesetzt.

5. Tod eines nigerianischen Staatsangehörigen bei seiner Rückführung durch österreichische Behörden

Nach dem Tod eines Rückzuführenden in Österreich am 01. Mai 1999 wurde auf Veranlassung von Herrn Bundesminister Schily die Rückführungspraxis des Bundesgrenzschutzes erneut überprüft. Dabei ist festgestellt worden, daß die Umstände, die offenbar zu dem Tod des Ausländers führten, die Rückführungspraxis des Bundesgrenzschutzes nicht berühren. Nach Mitteilungen der Presse verstarb der Rückzuführende durch Ersticken, da ihm die Begleitkräfte den Mund mit einem Klebeband verschlossen haben sollen. Im Bundesgrenzschutz ist der Einsatz von Klebeband oder eines Beißschutzes in Form eines Knebels zum Verschließen des Mundes seit dem Jahr 1994 bei Rückführungen ausdrücklich untersagt. Zudem wird jeder Beamte, der mit der Begleitung von Rückzuführenden beauftragt ist, hierüber ausdrücklich mit der Aushändigung eines Merkblattes - gegen Unterschrift - belehrt.

Aus der österreichischen "Richtlinie für die Organisation und Durchführung von Abschiebungen auf dem Luftwege" vom 28. Mai 1999 geht hervor, daß die Verwendung von Klebebändern, Leukoplast oder ähnlichen Produkten ausnahmslos untersagt ist. Die Verwendung von lntegralhelmen nach deutschem Vorbild ist von den österreichischen Behörden nicht übernommen worden, mit der Begründung, daß man Verletzungen der eigenen Beamten (z.B. durch Kopfstöße des Rückzuführenden mit dem lntegralhelm) nicht riskieren will.

6. Allgemeines zur Rückführung auf dem Luftweg

Im Jahr 1998 mußten von den bundesweit über 42.000 durchgeführten Rückführungen über 4.000 Rückführungen durch insgesamt mehr als 9.000 Sicherheitskräfte begleitet werden. Dies bedeutet, daß im Durchschnitt jede zehnte Rückführung begleitet wurde. Hierbei wurden 41 .Polizeivollzugsbeamte - zum Teil erheblich - verletzt. Am Frankfurter Flughafen kam es im Zeitraum vom 01. Januar 1998 bis zum 30. April 1999 zu 33 Fällen von Widerstandshandlungen gegen Polizeivollzugsbeamte in Verbindung mit einer Körperverletzung der Beamten. In 10 Fällen kam der lntegralhelm ohne Visiereinrichtung im Jahr 1998 zum Einsatz.