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WIPE OUT WEF / DAVOS 2003
Anti-Repressions-Telefon Region Basel

B I L A N Z    24. - 27.01.2003

 
Das Telefon war von Freitag Mittag bis Montag Abend nahezu durchgehend besetzt.  

Um es vorweg zu nehmen: In der Region Basel war es sehr ruhig;- die meisten Anrufe betrafen den Infoaustausch mit anderen Stellen in der Schweiz.

Die Stationen:

 

Grenzdemo Basel, 24. Januar 2003
 

Die farbenfrohe Demo verlief friedlich (gemäss BaZ soll es eher nach Jugendzirkus-Vorstellung als nach Demo ausgesehen haben): Verkehrsbehinderungen waren kaum und Sachbeschädigungen gar nicht zu verzeichnen. Die Polizei beschränkte sich auf zivile Demobegleitung (die einsatzbereiten OD-Truppen hielten sich diskret ausser Sichtweite).

Dennoch gab es im Anschluss an die Demo vereinzelte Festnahmen: augenauf wurde der Fall von 2 Schülern gemeldet, welche wegen Anbringens eines Klebers (ca 5*10 cm) an einer Signalisationsstange festgenommen wurden. Nach einer knappen Stunde auf dem Polizeiposten wurden sie wieder entlassen. Ihnen droht nun eine Verzeigung.

Es ist nicht auszuschliessen, dass nach Demo-Ende noch weitere Festnahmen erfolgten. Betroffene und ZeugInnen sollen sich bitte mit augenauf Basel in Verbindung setzen (061 681 55 22)!


Grenzübergänge / Einreisesperren / Rückweisungen
 

Angesichts der Medienmeldungen im Vorfeld (Einreisesperren, Verstärkung der Grenzen mit Polizei und Militär) rechnete man mit massiven Problemen bei der Einreise in die Schweiz.
Zumindestens in der Region Basel blieb jedoch alles ruhig. Der einzige uns gemeldete Fall betraf einen Kleinbus, welcher nach intensiver Überprüfung der Insassen schliesslich weiterfahren durfte.

 

Etwas anders die Situation in der Ostschweiz: vom Grenzübergang Konstanz-Kreuzlingen erreichte uns der Anruf eines Mannes, welchem aufgrund mitgeführten Infomaterials die Einreise in die Schweiz verweigert wurde. Zudem wurde er sowohl von Schweizer als auch von Deutschen Zöllnern einer schikanösen Ganzkörperkontrolle unterzogen.
Das "Bündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz" veröffentlichte eine Presseerklärung mit detaillierter Schilderung des Vorfalls.

Presse-
Erklärung

Gemäss offiziellen Angaben (Bundesamt für Polizei) wurden bis Freitag Abend gesamtschweizerisch 13 Personen wegen ungültiger Ausweispapiere (4 I / 2 F / 7 D), sowie eine Person aufgrund einer bestehenden Einreisesperre zurückgewiesen.
Am Montag wurde bekanntgegeben, dass insgesamt 17 Personen abgewiesen worden seien (2 wegen Einreisesperren, 15 wegen "Bewaffnung oder ungültiger Reisedokumente").
In der Region Basel soll es keine einzige Rückweisung gegeben haben...

 

Die an sich geringe Zahl an Rückweisungen darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Behörden bemühten, potenziellen Demoteilnehmenden den Weg nach Davos zu erschweren. Und das nicht nur mittels penibler Grenzkontrollen, Sperrung von Zufahrtsstrassen und dem unsäglichen «Viehgatter» in Fideris.
So war zu erfahren, dass die Zürcher Polizei durch Anrufe bei Car-Unternehmen verhinderte, daß die Gewerkschaften in der Schweiz Busse für den Transport nach Davos mieten konnten. Die schließlich in Deutschland gemieteten Fahrzeuge wurden mehrere Stunden an der Grenze festgehalten

Im Vorfeld des WEF berichteten die Medien, dass gegen 100 Personen Einreisesperren bestünden. Am 31.1. korrigierte die Bundespolizei diese Zahl nach oben auf 600.

 

Besammlung im Bahnhof SBB (Basel, 25.01.03)
 

Am Vorabend ging auf dem AntiRep-Telefon ein Droh-Anruf ein: «Faschos» hegten die Absicht, die sich besammelnden DemonstrantInnen «aufzumischen».
Ausserdem ging das Gerücht um, «Greifertrupps» der Polizei könnten sogenannt «gewaltbereite» Demo-TeilnehmerInnen an der Abreise behindern.

Weder das Eine noch das Andere traf ein...

 

Kontrollgatter in Fideris

Aus Fideris erreichten uns Anrufe, welche die Situation schilderten, insbesonders als die Polizei die vorher gegebene Zusage widerrief, anstelle der «Viehgatter»-Abfertigung Stichprobenkontrollen in den Zügen durchzuführen.

Nachbemerkung: Der Entscheid der Behörden, nur Demonstrierende mit dem Label «staatlich geprüft und für harmlos befunden» nach Davos zu lassen, sorgte in der inländischen Tagespresse weder für Kopfschütteln noch zur kritischen Hinterfragung des Demokratie-Verständnisses, sondern wurde im Einklang mit behördlicher Propaganda unisono für legitim erklärt.
Etwas kritischer reportierten Blätter, welche «weiter weg vom Schuss» sind, wie z.B. die Frankfurter Rundschau, welche die Quelle der sich später entladenden Wut in dieser Kontroll-Schikane ortete.

Frankfurter-
Rundschau

Eine detaillierte Zusammenstellung der Geschehnisse in Fideris bietet der am 3.2.03 erschienene Bericht der unabhängigen BeobachterInnengruppe der «Demokratischen Juristinnen und Juristen Schweiz»

DJS-Bericht

Einkesselung in Landquart





Ebenfalls gut flossen die Informationen aus Landquart, sowohl zum Zeitpunkt, als noch Hoffnung bestand, das Demonstrationsrecht in Davos wahrnehmen zu können, als auch später, als die Polizei Tausende von Wartenden mit Tränengas einnebelte und mit Hartgummi und Hochdruck-Wasserstrahl beschoss.

Gemäss den ZeugInnenberichten vor Ort intervenierte die Polizei wesentlich heftiger, als dies später von den Medien vermeldet wurde. Und dies beileibe nicht nur gegen sogenannt «gewaltbereite» Demonstrierende.

Das «Wehe, wenn sie losgelassen» - Syndrom offenbarte sich besonders krass, als ein vollbesetzter Zug, welcher in Richtung Zürich abfuhr, aus kurzer Distanz (3-5 m) mit Hartgummi-Projektilen beschossen wurde. Das angesichts mehrerer offener Fenster erhebliche Verletzungsrisiko wurde billigend in Kauf genommen...

Am Sonntag lagen erste Bilanzen vor:

  • 8 durch Gummigeschosse verletzte Personen
    • Fall 1: Zwei blutende Rissquetschwunden im Gesicht(Augenbrauen / Stirn)
    • Fall 2: Blutende Rissquetschwunde im Gesicht(unterhalb des Auges)
    • Fall 3: Blutende Rissquetschwunde im Gesicht(seitlich über Schläfe)
    • Fall 4: Offene Verletzungen an beiden Handinnenflächen (Hände vor Gesicht gehalten)
    • Fall 5: kurzzeitige Bewusstlosigkeit nach Gummigeschossen auf Brust
    • Fälle 6 u. 7: in abfahrendem Zug durch Gummigeschoss getroffen: blutende Rissquetschwunde am Kinn
    • Fall 8: in abfahrendem Zug durch Gummigeschoss getroffen: blutende Rissquetschwunde am Schädel
  • 2 durch Wurfgeschosse von Rechtsextremen Verletzte
    • Fall 1: Kopfverletzung durch Flaschenwurf
    • Fall 2: Kopfschwartenriss durch Schneeball (mit Stein?)
  • gegen 100 Augenspülungen durch die Sani-Gruppe
[Quellen: indymedia, pigbrother]

Auf indymedia berichteten zudem mehrere Zeugen, wie Polizisten einen Jugendlichen hinter einen Kastenwagen schleppten und verprügelten.


Nachdemo in Bern



Dass sich die durch die Ereignisse des Tages angestaute Wut bei einigen Demoteilnehmenden irgendwo entladen musste, war abzusehen. Dass dies in Bern geschehen würde, entsprach dem Polizeidispositiv,- nicht umsonst bummelte der Sonderzug in Absprache mit der Polizei so langsam nach Bern, dass interkantonale Polizeikräfte genügend Zeit fanden, mittels «Super-Puma»-Hubschraubern an den neuen Einsatzort zu dislozieren...
Bereits eine Stunde vor Ankunft des Zuges war die Polizei auf Krawall eingestellt: per Communiqué wurde der Bevölkerung geraten, zu Hause zu bleiben.

Obwohl ein Grossteil der ca. 1000-1300 Zugpassagiere nicht auf Konfrontation aus war, wurden wahllos alle, welche dem Bahnhof entströmten, ohne Vorwarnung mit Tränengas und Gummigeschossen eingedeckt.

Ganz nach Einsatzplan (gemäss Polizeisprecher Märki gegenüber dem «Bund») drängte die Polizei die DemonstrantInnen zum Kullturzentrum «Reitschule» ab, wo sich zu diesem Zeitpunkt ca. 600 völlig unbeteiligte Personen aufhielten.
Dies hinderte die Polizei jedoch nicht daran, die Liegenschaft einzukesseln und mit Tränengaspetarden zu beschiessen,- Panik und gesundheitliche Langzeitschäden in Kauf nehmend.
Ausserdem wurde gemäss mehreren Zeugenberichten die an sich geächteten "schweren" Hartgummiprojektile (18 g) verschossen.

Im Verlauf der Nacht wurden 180 Personen kontrolliert, 30 davon vorübergehend festgenommen.

Wie nicht anders zu erwarten war, bedankte sich die Bürgerlichkeit für den «erfolgreichen und verhältnismässigen» Polizeieinsatz, forderte einmal mehr die Schliessung der «Reitschule», die Registrierung von "pre-pay"-Handys sowie schärfere Gesetze gegen Demonstrationen. Der Polizeidirektor Wasserfallen bezeichnete die Demonstrierenden gar als «Terroristen übelster Sorte»...

Die Medien berichteten ausführlich über die Sachschäden, über verletzte Polizisten und darüber, dass ein Demonstrant wegen «versuchter Tötung» eines Polizeibeamten angeklagt werden solle. Von verletzten Demonstranten und Unbeteiligten liest man nichts...

Beim Basler Anti-Rep-Telefon gingen im Zusammenhang mit Bern keine Meldungen ein, auch in den folgenden Tagen erreichten uns keine entsprechenden Meldungen.

Das AntiRep-Telefon des Oltner Bündnisses erliess einen Aufruf an alle, welche im Zusammenhang mit der Demo in Bern verhaftet wurden mit der Bitte, sich zu melden!

Aufruf des
AntiRep-
Telefons

Nochmals Fideris (27.01.2003)
 

Wer glaubte, die Kontrollschleuse in Fideris sei nach dem 25. Januar aufgehoben worden, sah sich getäuscht. Ein Bus mit Teilnehmenden einer (bewilligten) Kundgebung am «open forum» (siehe Flyer) wurde angehalten. Im Gegensatz zum Samstag wollten die Beamten nun sogar Ausweise sehen,- eine Forderung, die angesichts des Umstandes, dass sich auch «Sans-Papiers» im Bus befanden, schon beinahe grotesk war).
Die Verweigerung der Ausweiskontrolle hatte zur Folge, dass die Polizei auch die Rückreise des Busses mittels Nagelsperren verhinderte und den Weg erst nach längeren Verhandlungen wieder frei gab

augenauf protestierte umgehend mittels einer Pressemitteilung.
augenauf
Communiqué