Touristen in Basel
Auszüge aus dem Erinnerungsprotokoll

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Wir mußten aus dem Polizeibus steigen und durch den gesamten Bahnhof in Handschellen laufen bis wir zum Dienstgebäude der Kantonspolizei gelangten. Wie Schwerverbrecher wurden wir ohne jegliche Begründung abgeführgt. Als ich den Grund für die Aktion erfahren wollte, wurde mir in unfreundlicher Weise gesagt, ich solle «die Schnauze halten» bzw. dass meine Fragerei den Polizisten «auf den Sack gehen würde».

Auf dem Polizeirevier angekommen, wurden wir in jeweils verschiedene Räumlichkeiten verbracht, wobei man mir die Handschellen nicht abnahm. Diese hatte ich noch über eine halbe Stunde an meinen Händen. Ich wurde in eine Art Ausnüchterungszelle bzw. in einen Raum, an dem sich Sitzbänke an der Wand befanden, gebracht. Die Aussentür sperrte man zu.

Nach einer halben Stunde kam einer der Polizisten zu mir in die Zelle und löste mir die Handschellen. Danach forderte er mich grob auf, meine Tascheninhalte in eine Aufbewahrungsschale zu tun, die er mir hinstellte. Ich mußte im sogar vorzählen wieviel Euro und sonstige Fremdwährung ich im Geldbeutel hatte. Meinen Notizblock, meinen Fotoapparat und sonstige Gegenstände wie Gürtel mußte ich ebenfalls hineintun. Ich bat den Polizisten, mir ein Telefon zu besorgen, damit ich mich an die Deutsche Botschaft wenden könnte. Er teilte mir barsch mit, ich hätte nicht das Recht etwas zu fordern, sondern solle «die Schnauze halten». Er hätte hier das Sagen und könnte mit uns machen was er wollte. Danach verließ er die Zelle erneut. Nach einiger Zeit kam ein anderer Polizist zu mir in die Zelle und brachte mich in einen Raum, in dem zuerst meine Größe festgestellt wurde, danach wurden mir Fingerabdrücke genommen und zu guter Letzt wurde ich fotografiert. Auf meine Bitte endlich mit der Botschaft telefonieren zu dürfen, habe ich keine Antwort erhalten. Nachdem man mich erkennungsdienstlich abgefertigt hatte, wurde ich erneut in die Zelle verbracht. Ich habe erneut darum gebeten, mir endlich das Recht zu gewähren, mit der Deutschen Botschaft zu telefonieren. Erneut ohne Erfolg. Man sagte mir, man würde mich aus dem Polizeirevier ganz sicher nicht telefonieren lassen, allerdings hätte ich die Möglichkeit nach Beendigung der ganzen Angelegenheit, mich selbst an die Botschaft zu wenden, die sich neben dem Bahnhofsgebäude befindet. Die gesamte Zeit war das Verhalten und die Sprechweise der Polizisten sehr barsch und unfreundlich.

Mein Bruder wurde ebenfalls erkennungsdienstlich erfasst. Dasselbe gilt für meinen Vater. Auch Sie mußten sämtliche Taschen leeren. Alles Geld, was wir dabei hatten, wurde gezählt und notiert.

Wir haben die ganze Zeit den Grund wissen wollen für die Vorgehensweise der Polizisten bzw. was denn gegen uns konkret vorliegen würde, allerdings wurden uns jegliche Erklärungen verweigert.

Wir wurden menschenunwürdig behandelt, man hat uns das Gefühl gegeben, Schwerverbrecher zu sein. Mein Vater mußte sogar seine Hosen samt Unterhosen ausziehen und sich so den Beamten zur Schau stellen. Das Hemd und die Schuhe mußte er sogar zweimal ausziehen. Seine Bitte, sich endlich wieder anziehen zu dürfen, wurde im ausgeschlagen, obwohl die Klimaanlage an war und es sehr kalt war. Zum Schluss wurde meine Vater mit mir in die gleiche Zelle eingesperrt, die Tür wurde von außen zugesperrt. Auf mehrfaches Klingeln meines Vaters wurde nicht reagiert. Er wollte nur seine Sachen zum Anziehen haben. Auch meine Versuche, endlich ein Telefon zu bekommen, blieben erfolglos, weil die Polizeibeamten uns einfach ignorierten.

Die Polizei hat ebenfalls unser Auto durchsucht und die gesamten Sachen, die sich im Handschuhfach befanden bzw. an den Türinnenseiten so durcheinander gebracht, dass wir, als wir dann am Abend endlich nach Hause fuhren, ein Chaos vorfanden. Auch im Gepäckaufbewahrungsraum war alles durcheinander gebracht. Der Ersatzreifen lag nicht an seinem Platz und auch andere Gegenstände lagen über die ganze Fläche verstreut.

Im Auto hat man natürlich nichts gefunden. Im Laufe unseres Aufenthaltes wurde mein Vater dann beschuldigt er hätte CS-Reizgas bei sich gehabt und müßte dafür nun zahlen. Reizgas hatte mein Vater, der 61 Jahre alt ist, nicht dabei. Vielmehr ist im Versuch der Polizeibeamten, meinem Vater dieses Gas unterzuschieben, die Enttäuschung der Kantonspolizei zu sehen, nichts gefunden und nichts gegen uns in der Hand zu haben. Man wollte uns so lang wie möglich festhalten. Deshalb wurde nun das Reizgas ins Spiel gebracht. Mein Vater wurde mehrfach dazu aufgefordert, ein Dokument zu unterschreiben, in welchem er durch seine Unterschrift bestätigen würde, CS-Reizgas bei sich gehabt zu haben. Dieses Dokument hat mein Vater nicht unterschrieben.

Sie sehen mit welchen Mitteln versucht wurde uns irgendeiner Straftat zu beschuldigen. Es war menschenverachtend und derartiges habe ich in meinem ganzen Leben nicht erlebt. Meinem Vater wurde sogar physische Gewalt angedroht, als er auf die Toilette in Begleitung eines Polizisten ging. Mein Vater wollte nur endlich wissen, weshalb wir festgehalten werden. Dies allein reichte aus, um physische Gewalt anzudrohen. Sie müssen wissen, dass mein Vater 61 Jahre alt ist und schwerbehindert ist (60 % laut Schwerbehindertenausweis). Geht man so mit Menschen um? Müssen sich Menschen nackt ausziehen? All dies ist erschreckend. Ich dachte ich befinde mich in einem demokratischen Land, in der Schweiz, aber ich wurde eines besseren belehrt. Im Herzen Europas geschehen Menschenrechtsverletzungen der schlimmsten Art. Das ist nicht tolerierbar und ich kann dieses menschenverachtende Verhalten durch die Kantonspolizei nicht so hinnehmen.

Da mein Vater nicht unterschreiben wollte, dass er CS-Reizgas mitführte, wurde von zwei Beamten diese Unterschrift geleistet. Ihm wurde verkündet, er müsse ca. 400 EURO für illegalen Waffenbesitz entrichten. Mein Vater verweigerte die Bezahlung, da dieses Reizgas ihm nicht gehört.

Daraufhin wurde er einfach ausgeraubt, der Polizeibeamte nahm die sich im Geldbeutel befindlichen 250 EUR an sich und stellte einen Beleg über diese Summe aus. Ich machte den Polizisten darauf aufmerksam, dass er dies nicht dürfe, er entgegnete mir: «Haben Sie eine Ahnung was ich alles darf». Wo leben wir? Im Mittelalter etwa oder im 21 Jahrhundert. Der Willkür durch die Polizei nach zu urteilen wohl eher in der Vergangenheit. Es ist einfach unerhört und mir zittern immer noch die Hände und ich bekomme wahnsinniges Herzklopfen, wenn ich an gestern zurückdenke. Sie wissen gar nicht welche Angst wir durchlebt haben. Ständig der Gedanke, dass man physische Gewalt anwenden würde bzw. dass man uns ohne Grund noch längere Zeit festhalten würde. Wir waren der Polizei schutzlos ausgeliefert, man schrie mich bzw. uns an. Die Funktion der Polizei sollte es eigentlich sein, Bürger zu schützen und nicht zu bedrohen. Schließlich leben wir in einer Demokratie, was auch für die Schweiz gelten sollte. In unserem Falle ist die Machtbefugnis der Polizisten deutlich überschritten worden.

Nach drei Stunden Festhalten wurde uns dann der Grund genannt, weshalb wir festgehalten wurden. Mein Bruder hätte angeblich einem jungen Mann ähnlich gesehen, der vor kurzem eine Straftat in Basel begangen habe. Und deshalb war es auch notwendig, dass mein Vater Hosen samt Unterhosen ausziehen musste oder? Bitte entschuldigen Sie meine Ironie, aber ich bin einfach außer mir. Ich habe die ganze Nacht kein einziges Auge zugetan, ständig hatte ich das Anschreien und die Drohungen der Kantonspolizei vor Augen. Ich hatte gestern auch unheimlich große Angst um meinen Vater, da dieser mittlerweile schon 61 Jahre alt ist und sich bei derartigen Situationen so aufregt, dass es zu lebensgefährlichen Gesundheitsproblemen kommen könnte.

Als wir die Polizeistation verließen, wollte ich ein Protokoll von den Beamten haben. Ich wollte schließlich etwas Schriftliches haben, aus dem hervorgeht, weshalb man uns auf diese Weise gequält hatte. Die Aushändigung eines Protokolls wurde mir schlicht verweigert. «Sie bekommen gar nichts» lautete die Antwort. «Und jetzt verschwinden Sie endlich». So war der Wortlaut. Ich sagte zu den Herren, dass ich nicht gehen würde, bevor ich mir die Namen nicht notiert hätte. Zuerst wollte man mir auch hier nicht entgegen kommen. Dann aber überreichte mir einer der Herren seine Visitenkarte. Auf die Frage hin, wer sein Vorgesetzter sei, antwortete er: «Ich habe keinen Vorgesetzen, mein Vorgesetzter der bin ich selbst». Wie soll man derartige Aussagen werten. Wo leben wir. Wo haben diese Polizisten Ihre Ausbildung gemacht? Etwa im Busch? Auch Buschbewohner, da bin ich mir sicher, würden sich nicht so verhalten.

Ich musste dann diese Visitenkarte dann nehmen, mir blieb ja nichts anderes übrig.

Auf unsere Bitte, uns doch bitte zu unserem Fahrzeug zurückzubringen, wurde uns gesagt: «Sie sind doch jetzt drei Stunden hier gesessen, seien Sie doch froh, dass Sie jetzt ein wenig laufen können. Laufen ist ja schließlich gesund».

Muss ich mir als rechtschaffener Bürger Deutschlands so etwas bieten lassen? Muss ich mich so verachten und in meiner Menschenwürde so herabsetzen lassen? Ich habe mir in meinem ganzen Leben nie etwas zu Schulden kommen lassen. Ich habe zwei Hochschulabschlüsse (Diplom-Übersetzer und MBA). Geht man so mit Menschen um? Die gestrige Vorgehensweise der Polizei will und darf ich nicht auf sich beruhen lassen. Gesetze gelten für alle Menschen, auch für Polizisten. Auch diese müssen sich daran halten. Wo kommen wir denn dann hin, wenn die Polizei über dem Gesetz steht und mit Menschen verfahren kann, wie es ihnen gerade in den Sinn kommt. Das darf nicht sein.

Etwas derartiges wie gestern habe ich während meines ganzen Lebens nicht erlebt und ich wünsche keinem Menschen, etwas derartiges zu durchleben.

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12. Mai 2005

Anmerkung: Im Allgemeinen veröffentlichen wir auf der Homepage keine Erinnerungsprotokolle im Originalwortlaut. In diesem Fall schien es jedoch angebracht, da es nicht nur die Ereignisse detailliert schildert, sondern zudem die persönliche Betroffenheit und das Erleben des Autors exemplarisch zur Geltung bringt.