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texte von marco camenisch

 
Behandlung anlässlich einer radiologischen Untersuchung
Presse-Erklärung vom 1.07.2002
 

Verlegung des Unterzeichnenden am 1. Juli 2002 um 15.30 Uhr ins Institut für Diagnostische Radiologie des Universitätsspitals Zürich, um einer Magnetresonanz-Untersuchung unterzogen zu werden.

Um 14.30 Uhr verlasse ich die Zelle, im Erdgeschoss erwarten mich zwei Zivilpolizisten und drei od. vier uniformierte Kantonspolizisten.

 
 

Ich informiere den Beamten in Zivil, der sich benimmt, als sei er der Einsatzleiter, dass ich etwa eine halbe Stunde vor der ärztlichen Untersuchung Wasser, das ich in einer Plastikflasche bei mir trage, zu mir nehmen müsse, denn für die Kontrolle ist eine volle Blase vonnöten. Ich übergebe dem Beamten das Schreiben der Uniklinik mit den diesbezüglichen Anweisungen. Für den Fall, dass mir Fussfesseln angelegt würden, frage ich, ob mir für die möglicherweise lange Dauer meines Klinikaufenthalts ein Rollstuhl organisiert werden könne. Der Beamte sagt mir, ich solle mir keine Sorgen machen, sie kümmerten sich darum. Mir werden Handschellen hinter dem Rücken angelegt, auch die Füsse werden zusammengekettet; vom Funkkontakt her kann ich erahnen, dass das Sicherheitsdispositiv grösser ist, als ich ausmachen kann. Mit Fussketten ist die Höhe vom Erdboden zum Boden des Kastenwagens nicht zu überwinden (ohne Trittbrett), also bin ich gezwungen, mich auf den Wagenboden zu knien und mich irgendwie mit den Händen hinter dem Rücken hochzuhieven, um auf die Sitzbank zu gelangen.

Sie informieren mich, dass die Fahrt etwa 20 Minuten dauert. Die Lüftung in der Gefangenenkabine ohne Öffnung oder Fenster funktioniert nicht. Bei der Ankunft, wahrscheinlich im Hof einer Polizeikaserne in Zürich, wird die hintere Tür des Wagens und auch die Gittertüre innen geöffnet. Sie teilen mir mit, dass wir hier bis zum genauen Termin der Untersuchung warten würden.

Ein Beamter führt mir die Flasche zum Mund, damit ich trinken kann. Darauf frage ich, ob sie mir die Handschellen nicht vorne anlegen könnten. Der Einsatzleiter weigert sich und sagt: "Sie wissen, wie das geht." Worauf ich erwidere: "Sicher, ich bin mehr als 12-14 Jahren im Knast, aber noch nie mit Fussfesseln und Handschellen auf dem Rücken." Der Beamte antwortet: "Sie kennen ihren Ruf", worauf ich erkläre, dass diese Art von Fesselung/Ankettung eine erniedrigende Misshandlung sei, typisch für faschistische amerikanische und schweizerische Methoden, unnötig bei einer derartigen militärischen Aufstellung und Überzahl.

"So oder gar nicht", sagt der Beamte. Darauf leere ich die Flasche, die der zweite Zivilbeamte hält. Ich verweigere mich nicht, da ich die Notwendigkeit der ärztlichen Kontrolle nicht leichtfertig mit einer diesbezüglichen Verweigerung in Frage stellen möchte. Bis zur Abfahrt bleibt die hintere Wagentüre zu Belüftungszwecken geöffnet, allerdings mit geschlossener Gittertür und unter Bewachung. Nach einer Weile, so um 15.30 Uhr, informiert mich der Einsatzleiter, dass wir losfahren zur Kontrolle. Beim Aussteigen vor dem Krankenhaus - ich nehme an, nahe beim Haupteingang - muss ich mich auf den Boden setzen. Zuerst halte ich mich mit den auf dem Rücken gefesselten Händen am Sitz fest, dann krieche ich auf dem Hintern aus dem Wagen raus. Knien ist gefährlich (Sturzgefahr) und schmerzhaft, wegen der Invalidität von Beinen und Knien durch Schussverletzungen. Der Einsatzleiter teilt mir mit, dass leider keine Rollstühle zur Verfügung stünden, aber die Strecke sei auch nur kurz. Die Strecke vom Erdgeschoss zum Lift und vom Lift zur Etage C bis zur Radiologie entpuppt sich aber als lang, v.a. mit den Ketten an den Beinen, die keine Schritte erlauben, sondern einzig lächerliche Schrittchen. Die Fesselung an den Knöcheln schmerzt nicht, weil ich mir präventiv drei Paar Socken angezogen habe.

 
 

Das sichtbare Aufgebot in Uniform und Zivil zählt etwa acht Polizisten, darunter eine Frau. In der Radiologie frage ich erneut, ob mir die Handschellen abgenommen oder wenigstens vorne angelegt würden, in Anbetracht dessen, dass man sich für die Durchführung der Magnetresonanz auf den Rücken legen muss und es ebenfalls vonnöten ist, sich zu drehen, um den Rücken auf Höhe der Nieren untersuchen zu können. Auf diese Weise wird ausserdem die korrekte Atmung und das notwendige Anhalten des Atems nicht beeinträchtigt. Die Beamten fragen den Arzt, was nötig sei, dieser antwortet, dass er tun werde, was unter den gegebenen Umständen möglich sei. Ich würde auch mein Hemd anheben müssen, ich mache klar, dass es auch notwendig sein würde, die Hose herunterzulassen, und sicher würde ich keinem Polizisten erlauben, an meinem Hosenschlitz herumzuwirtschaften. Aber hier in der Schweiz ist es nicht nötig, die Hose herunterzulassen. Immer noch aus der ob. erwähnten Notwendigkeit heraus, lege ich mich auf den Rücken, d.h. auf Arme und Hände, die dahinter gefesselt sind, sowie auf die Handschellen, die ich möglichst weit links hervorzustrecken versuche. Zuerst informiere ich den Arzt über die zu untersuchende Krankheit: linker Krampfaderbruch, Blutgefässtumor der Leber, Tumor an der rechten Nebenniere. "Der Krampfaderbruch betrifft mich nicht, hier stehen nur die Nieren geschrieben, ich kann auch noch die Leber untersuchen", sagt der Arzt. Ich wiederhole zum zweiten Mal, dass ich die gleiche Untersuchung mehrere Male als Spezialgefangener in Italien durchgemacht habe, jedoch ohne Handschellen, weil anders diese Kontrolle nicht korrekt durchgeführt werden könne. Der Einsatzleiter sagt: "Es gibt nichts zu diskutieren." Ich sage, dass dies eine faschistische Schweinerei sei.

Die Kontrolle dauert etwa 20 Minuten. Der Arzt untersucht die Organe von oben und von der Seite auf einer viel kleineren Körperoberfläche als bei früheren Kontrollen. Die Handschellen schneiden die Arme und Hände auf dem nackten Rücken ein, ich winde mich in starken Schmerzen, während mir der Arzt sagt, ich solle stillhalten. Vor der Rückfahrt habe ich kein Bedürfnis, aufs Klo zu gehen. Ich fahre zurück, ohne Lüftung und in Schweiss gebadet, ich denke an die 300 Schweine, die vor kurzem in der Nähe von Pfäffikon vor Hitze krepiert sind wegen einer beschädigten Lüftung, und dass die faschistischen Schweinerein, und jene der Schweizer Justiz, keine Schweinereien, sondern "Menschereien" sind.

In Pfäffikon angekommen, nehmen sie mir die Handschellen und Ketten ab. Ich frage den Einsatzleiter, ob er der Gruppenchef sei, und er bejaht. Ich bitte ihn, mir seinen Namen und Dienstgrad zu nennen. Unsicher fragt er mich, warum, ich antworte nicht. Dann sagt er, ich werde seinen Namen erfahren, aber nicht jetzt. Ich mache ihm klar, dass er, Herr Anonym, von mir hören werde. Die Wachen, die mich empfangen, fragen mich, ob ich Probleme hätte. Ich frage sie, wie hoch die Aussentemperatur sei. Sie beträgt 28 Grad C.

 
 
  1. Die Gefangenenkabine im Kastenwagen ohne Lüftung, weder auf dem Hin- noch auf dem Rückweg, ist aus Blech, sie hat die Länge von zwei Sitzen, die Breite des Wagens und ist ein bisschen weniger als 1.5 m hoch. Die einzige Öffnung: ein Belüftungsloch mit einem Durchmesser von etwa 20 cm, verschiedenen Gitterschichten und einem Blechdeckel aus dünnen Lamellen. Als ich raus kam, erschienen mir die 28 Grad C kalt.
  2. Mit Handschellen auf dem Rücken zu reisen, ist eine Tortur, wegen der extrem unbequemen Position, und weil die Handschellen in die Handgelenke einschneiden. Sehr alarmierend ist ebenfalls die erhöhte Verletzungsgefahr im Falle eines Unfalls. Kopf und Brustkasten lassen sich nicht instinktiv mit den Armen und Händen schützen. Es gibt keine Schutzpolsterung auf Kopfhöhe, ausser einem Stück in Fahrtrichtung, welches höchstens im Falle eines leichten Auffahrunfalls schützt. Kommt es zu einem schweren Unfall, wird die Person in verschiedene Richtungen geschleudert.
  3. Viele Male forderten die Ärzte bei Magnetresonanz-Untersuchungen mit Bestimmtheit, dass die Handschellen zu entfernen seien, falls die Polizei ihnen nicht zuvorgekommen ist, oder aber, dass sie ausschliesslich vorne angelegt werden sollten, weil es anders unmöglich sei, die Kontrolle durchzuführen. Die Untersuchung der Nierengegend und der Leber wurde jedes Mal auf einer grösseren Unterleibsfläche durchgeführt. Die heute in Zürich gemachte Untersuchung ging vonstatten, ohne dass ich die Hose herunterlassen musste, während diese bei den vorherigen Malen immer geschah, auch wurde eine viel kleinere Fläche abgetastet und dabei die Untersuchung des Rückens auf Höhe der Nieren ganz unterlassen.
  4. Fraglich ist, ob der Arzt seinen ärztlichen Pflichten nachgekommen ist, als er die notwendigen Bedingungen für eine korrekte Kontrolle nicht durchzusetzen versuchte und folglich, nach bestem Wissen und Gewissen, die Kontrolle nicht korrekt durchgeführt hat.
  5. Augenscheinlich ist die Verantwortung des Einsatzleiters für die unmenschliche, erniedrigende Behandlung, für das Verursachen von Schmerzen und für die bewusste und vorsätzliche Verhinderung einer korrekten medizinischen Untersuchung.
  6. Es ist nicht zweitrangig, dass Fussketten, die zu einer lächerlichen, langsamen und beschwerlichen Gangart zwingen, angelegt wurden, um mit einer spektakulären Bewachungstruppe einen öffentlichen Raum von ansehnlicher Grösse und Belebtheit zu durchqueren - eine, wenn nicht gewollte, so doch akzeptierte, erniedrigende Zurschaustellung eines Gefangenen, gleichzusetzen mit dem mittelalterlichen Pranger.
  7. Die Untersuchung ist von zweifelhafter Sachlichkeit und Nutzen, auch weil man gezwungen ist, den Rücken für eine halbe Ewigkeit zu krümmen, um nicht das ganze Gewicht des Unterleibs auf die gefesselten Hände zu legen, was bedeutet, dass die gesamte Unterleibs- und Rückenmuskulatur während der ganzen Zeit angespannt bleibt, inkl. der daraus resultierenden Deformation und dem Druck auf die Organe. Es ist zu bezweifeln, dass unter diesen Umständen die Ausmessung der Tumore durch die Magnetresonanz zuverlässige Ergebnisse erzielt.

Ich bitte um die Verbreitung unter Menschenrechtsorganisationen.

Liebe Grüsse, Marco

Gefängnis von Pfäffikon, 17.00 Uhr, 1. Juli 2002
Übersetzt November 2002