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texte von marco camenisch

 
Grussbotschaft von Marco Camenisch
zum 1. Junispaziergang 2002

 

Seid herzlich und freudig gegrüsst, liebe FreundInnen und GenossInnen hier und auch die nicht hier sein können. Es ist nicht bloss ein freudiger Gruss aus einem Knast, sondern auch der Gruss meiner Wiederkehr. Ich freute mich auf Euch, lange vor allem Schrecken den uns alle Widerkehrs*(Kopfnote: Claudia Wiederkehr ist im BAK V für meinen Fall verantwortlich) hier und überall bereiten. Aber ich hatte kein Heimweh, denn unser Zuhause ist überall dort wo sich Menschen und Völker gegen die kapitalistische Zivilisation, ihre Staaten, Ausbeutung, Eroberungs- und Vernichtungskriege, tödliches Elend und Wachstum wehren und für intakten Lebensraum, Selbstbestimmung, Freiheit und Gerechtigkeit darin stehen und kämpfen.

 
   

Mit anderen auch ein Anlass zu sein, dass ihr hier seid, freut mich natürlich nicht unbedingt, mich freut aber zu den Menschen zu gehören, die wissen wie wichtig und unersetzlich ihre verschiedenen Kämpfe zur lebensnotwendigen Aufhebung der kapitalistischen Zivilisation sind, weil sie fühlen oder auch wissen; dass diese Zivilisation als solche bis zur Erschöpfung aller Ressourcen, auch des Lebens, weiterwuchern muss; dass ihr Wesen Knast nötig macht und hat, Knast ist und darum keine Aufhebung von Knast und keine Durchsetzung von Freiheit und Leben ohne ihre Aufhebung möglich ist.

Eine andere Welt ist NOTWENDIG. Sie muss aus vielen einander notwendigen Welten bestehen, wovon keine unmöglich sein darf. Wir sind von diesen Welten, wo Lebensfreude hier und jetzt ist, wo eigene Freiheit und Würde genau die Freiheit und Würde aller anderen notwendigen Welten bedeutet. Wo es keine Primos, Secondos, Terzas und Ultimas gibt. Wo Zärtlichkeit im Leben und Kampf Stärke ist, aber kein Hass sein kann und darf, denn Hass vernichtet, teilt, macht blind und schwach und jeden Kampf zur leeren Hülse. Wo Lebensfreude und Kampf nicht geopfert wird einer ängstlich-unterwürfigen Hoffnung auf die utopische Banalität des Möglichen im konsumistischen Einheitsbrei des kapitalistischen Fortschrittes. Wo, wie und auch immer, nebeneinander, miteinander, gleichberechtigt, kritisch, solidarisch, ehrlich und verantwortungsbewusst nach Fähigkeit und echten Bedürfnissen für diese notwendige Welt gelebt und gekämpft wird. Wo Frieden, Gerechtigkeit ist und nicht eine durch herrschende Ausbeutung- und Gewaltverhältnisse unbewusst oder unehrlich definierte ideologische Floskel zur Befriedung und delegitimierenden Verleumdung von Klassen- und Befreiungskampf und -kämpferInnen. Wo Tod und Leid natürlich sind und keine sinnlose Vernichtung des Seins in der kapitalistischen Warenproduktions- und Verwertungshölle; oder, im Kampf, ein einfacher Mut zur Liebe und zärtliche Hingabe dem Leben sind.

 
 

Aller Tod, alles Leiden, alle Gefangenschaft aller GenossInnen, Menschen und Völker für Freiheit, Gerechtigkeit, Würde und Leben ist die wachsende Kraft und Pflicht unserer empörten Herzen, die wachsende Kraft unserer Stimmen, unseres Willens zum Widerstand.

 

Ehre, Liebe und Dankbarkeit allen unseren Gefallenen!

Solidarität allen Verfolgten, Diskriminierten und Gefangenen!

Freiheit für alle!

Marco, Pf., Ende Mai 2002