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Index A.R.T Worte zum A.R.Tag: Fallbeispiel

Ruhe am Rhein!

An einem lauen Frühlingsabend Ende Mai 2004 sitzt Ringo Drömmeli mit einigen Freunden am Kleinbasler Rheinufer auf der Treppe vor der Kaserne. Rundherum viel Betrieb, Boule-Kugeln klicken, Buvette-Gäste trinken, lachen und diskutieren und Scharen von flanierenden SpaziergängerInnen wollen das urbane Leben auskosten. Dass Ringo Drömmeli und sein Freund Guschti Klampfe die Stimmung in Musik umsetzen und zur Erbauung der Anwesenden ein Gitarre - Conga Duett zum Besten geben, ist der kulturelle Sahnetupfer des Abends.

Wenige Tage zuvor hat die Basler Polizei angekündigt, dass man nächtliches Musizieren auf Allmend verschärft als Nachtruhestörung zu ahnden gedenke.

Die Zeit verstreicht viel zu schnell,- der Zeiger rückt auf 22 Uhr vor. Die Zuhörerschaft applaudiert, die Spielleute gewähren geschmeichelt eine Zugabe. Mitten im Publikum ein betont unauffällig sportlich leger gekleideter Herr mittleren Alters mit Knopf im Ohr, unschwer als Polizist in Zivil erkennbar, tritt einige Schritte zurück und avisiert seine Kollegen. Nun, er hätte ja seinen Ausweis zücken und die Musiker auffordern können, die Instrumente wegzulegen. Die Dramaturgie scheint jedoch nicht vorzusehen, die rechtlich seit 5 Minuten bestehende Nachtruhestörung zu unterbinden ... hier muss mit grosser Kelle angerührt werden!

Als einige Minuten später ein Streifenwagen auftaucht, outet sich der Undercover-Agent und schnauzt die Musikanten an. Der Gitarrist verstaut sein Instrument sofort im Koffer, währenddem sich Ringo Drömmeli auf eine Diskussion mit den Vertretern des Staates einlässt. Vielleicht wäre es besser gewesen, er hätte sich mit schuldbewusst gesenktem Haupt weggeschlichen ... so aber kommt es, wie es kommen musste.

Erst Ausweiskontrolle, dann Sicherstellung des Tatwerkzeugs gemäss Polizeigesetz § 52 und § 53. Zwei Uniformierte mühen sich ab, die Congas - nicht etwa billige 08/15-Modelle, sondern erlesen edle Exemplare - in das Polizeiauto zu quetschen. Ringo Drömmeli erhält eine Quittung über «2 Bongo Trummeln» (Sicherstellungsgrund: «Lärm nach 22 Uhr») und wird stehen gelassen.

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Übertretungsstrafgesetz BS
Nach diesem Gesetz wird bestraft:
[...]
Lärmende Tätigkeit während der Nacht
§ 33. Wer ohne behördliche Bewilligung oder ohne Zustimmung der Nachbarn in der Zeit von 22.00–7.00 Uhr eine lärmende Tätigkeit verrichtet.
«Musik wird störend oft empfunden,
weil sie stets mit Geräusch verbunden»

(W. Busch, 1874)
 

Am nächsten Tag will er sein Eigentum auf dem Polizeiposten abholen - da die Nacht vorbei ist, besteht schliesslich kein Sicherstellungsgrund mehr. Doch weit gefehlt. Ihm wird beschieden, dass die Congas als Beweismittel bis auf weiteres sichergestellt blieben und ausserdem bestünde Wiederholungsgefahr. Ringo Drömmeli schraubt seine Erwartungen zurück, bittet nur darum, die Felle entspannen zu dürfen, damit die wertvollen Instrumente bei der Lagerung keinen Schaden nehmen. Man passe schon auf, ist die Antwort, er brauche sich keine Sorgen zu machen.

Einen Monat ist Funkstille. Dann erhält Ringo Drömmeli eine Gerichtsurkunde: er ist schuldig gesprochen worden, gegen Art. 33 des Übertretungsstrafgesetzes verstossen zu haben («Lärmende Tätigkeit während der Nacht»). Der Richter verfügt Fr. 200.- Busse, Fr. 60.- Urteilsgebühr und - die Rückgabe der Congas. Doch von letzterem will der Schalterbeamte auf dem Polizeiposten nichts wissen. Nach einem Briefwechsel erlaubt der zuständige Community-Police-Officer dafür entgegenkommenderweise, dass Drömmeli seine Instrumente besuchen und sich von der sachgemässen Lagerung überzeugen darf. Der Eingeladene verzichtet. Weitere Briefe mit Verwaltungsstellen werden gewechselt.

Und endlich - im August - flattert die frohe Nachricht in's Haus, die «Trummeln» könnten abgeholt werden.

Immerhin - der Staat verzichtet auf eine Lagerungsgebühr ...

Die Frage nach der Verhältnismässigkeit des Eigentumsentzuges über Monate hinweg, begründet mit einer geringfügigen Übertretung, wird nicht beantwortet. Eine besonders harte Praxis, da der in einer Gruppe spielende Musiker für seine Auftritte Congas mieten musste.


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