Bulletin Nr. 37; März 2003

Der verweigerte «Drittel» als illegale Ausschaffungs- und Beugehaft

Ausländer rein! - in die Gefängnisse ...

Wer in einem Schweizer Gefängnis sitzt, hat oft keinen roten Pass. Dies gilt als Beweis der besonderen Gefährlichkeit von Ausländern. Aber: Nichtschweizer kommen leichter in den Knast und sitzen länger dort.

Moustafa (Name geändert) versteht die Welt nicht mehr. Obwohl er die «normale» Haftzeit im Zuchthaus Lenzburg abgesessen hat, sitzt er immer noch dort. Moustafa ist Kabyle, ein Angehöriger einer Minderheit in Algerien also, der die Missetaten des algerischen Militärs nicht mitmachen wollte und sich dem Dienst durch Flucht ins Ausland entzog - ein so genannter Refrektär. Ein ehrenwerter, sanfter junger Mann mit einer grossen Begeisterung für Fussball.
Im Laufe seiner Flucht erreichte Moustafa die Schweiz und stellte hier ein Asylgesuch. Als Asylbewerber schaffte er den Anschluss an eine Fussballmannschaft in einer unteren Liga. Sein Asylgesuch wurde abgelehnt - sich dem Militärdienst durch Flucht zu entziehen gilt auch in der Schweiz als Delikt, und Refrektäre (aus Algerien, Russland oder welchem Land auch immer) werden prinzipiell nicht als Flüchtlinge anerkannt.
Moustafa blieb auch nach der Ablehnung seines Asylgesuchs in der Schweiz, denn in Algerien erwartete ihn eine Bestrafung, weil er sich dem Militärdienst entzogen hatte. Als «Untergetauchter» kam er mit dem Gesetz in Konflikt. Zuerst wurde er zu drei Wochen Gefängnis wegen Zuwiderhandlung gegen das ANAG (Gesetz über Aufenthalt und Niederlassung von Ausländern) verurteilt - ein Delikt das Schweizer gar nicht begehen können. Danach wurde er in St. Gallen für sechs Monate in Ausschaffungshaft gesteckt, auch dies kann einem Schweizer nicht passieren. In dieser Zeit erhielt er ein Urteil wegen Diebstahls und Hehlerei aus Zürich sowie das Angebot, die zwei Monate Strafe mit gemeinnütziger Arbeit abzudienen. Wie sollte er - er sass ja in Ausschaffungshaft?
 
Fast zwei Jahre Knast statt bedingter Strafe
Schliesslich wurde Moustafa in St. Gallen wegen Eigentumsdelikten zu weiteren 16 Monaten Gefängnis verurteilt. Bei einem Schweizer mit gutem Leumund hätte es wohl noch zu einer bedingten Strafe gereicht. Moustafa wurde ins Zuchthaus Lenzburg verlegt und wartete geduldig das Ende der Strafe ab. Nach zwei Dritteln beantragte er, der sich im Gefängnis brav verhielt, den bedingten Straferlass, den «Drittel». Als Antwort erhielt Moustafa eine lange Verfügung aus St. Gallen. Ja, hiess es dort, er habe sich untadelig verhalten, brav gearbeitet und seine Chancen für eine Resozialisierung seien bestens. Nein, entlassen werde er nicht.
Da er zusätzlich zu Landesverweis verurteilt worden sei, könne man ihn nicht entlassen. Er würde ja gleich wieder straffällig, da er nicht nach Algerien ausreisen wolle. Seine Bitte um Entlassung, damit er wenigstens in ein weiteres Land abhauen könne, wurde selbstredend nicht gewährt.
Moustafa bleibt nichts anderes übrig, als die Strafe bis zum letzten Tag abzusitzen. Dann, so ist zu befürchten, werden die St. Galler Behörden versuchen, ihn gleich wieder in Ausschaffungshaft zu setzen. Moustafa wird also fast zwei Jahre (22 Monate) in Schweizer Knästen verbracht haben, für Delikte, bei denen ein Schweizer sehr wahrscheinlich mit ein paar Tagen Untersuchungshaft oder dann wenigen Monaten Gefängnis davongekommen wäre. Der verweigerte «Drittel» dient heute als zusätzliche - illegale - Ausschaffungs- und Beugehaft. Und füllt die Knäste mit Ausländern.
 
 
Kasten: Kein Einzelfall
Moustafa ist kein Einzelfall. augenauf sind mindestens zwei ähnliche Fälle bekannt. Der krasseste Fall betrifft einen türkischen anerkannten politischen Flüchtling. Ihm wurde der «Drittel» nicht gewährt, zusätzlich wird auf ihn mit falschen Angaben Druck ausgeübt, damit er sich «freiwillig» um eine Ausreise bemüht. Obwohl sowohl die Uno-Flüchtlingskonvention wie auch die europäische Menschenrechtskonvention die Ausschaffung von Menschen, die durch Folter bedroht sind, verbietet, behaupten ihn besuchende Frepo-Leute, sie würden ihn nach der Haft ausschaffen.
Interessierte Anwälten wären bereit, einen solchen Fall von verweigertem «Drittel» juristisch über alle Instanzen weiterzuziehen. Bitte melden Sie Fälle, bei denen die Rekursfrist noch nicht abgelaufen ist, an augenauf Zürich.


Zurück zum Inhaltsverzeichnis

Zurück zum Archiv

URL dieser Seite