Bulletin Nr. 37; März 2003

Die Polizei verhindert die Teilnahme von MigrantInnen am Open Forum in Davos

Flüchtlinge müssen draussen bleiben

Die Polizei hat eine augenauf-Protestaktion gegen die Veranstaltung «Arbeitskräfte gesucht: Migration und ihre Folgen» am so genannten Open Forum des WEF in Davos verhindert. Chronik eines fremdenfeindlichen Montags.

Am Montag, 27. Januar 2003, fand in Davos im Rahmen des WEF ein so genanntes Open Forum Migration statt. augenauf hat die Besetzung des Podiums mit den Chefs der International Organisation for Migration, des Roten Kreuzes und weiteren den westlichen Staaten treu dienenden Organisationen - die Betroffenen waren einmal mehr nicht erwünscht - als Einladung zum Protest verstanden. Wir planten eine Pressekonferenz am Nachmittag, einen kleinen Protestmarsch mit Kundgebung vor dem Forum und Redebeiträge am Forum selbst. Es waren hauptsächlich Organisationen von MigrantInnen in der Schweiz, die dort hätten zu Wort kommen sollen. Die Kundgebung war kurzfristig bewilligt worden, allerdings lag augenauf die schriftliche Bewilligung nicht vor.
Am Vormittag des besagten Montags ist Hanspeter Michel, Davoser Statthalter und Vermittler zwischen WEF-GegnerInnen und Behörden, nicht erreichbar. Wir rufen die Kantonspolizei an, um eine Kontaktmöglichkeit zu erhalten, falls es zu Schwierigkeiten kommen sollte. Der versprochene Rückruf ist bis heute nicht erfolgt. Gegen 12 Uhr fährt der Bus mit den KundgebungsteilnehmerInnen von Bern los. Nach einem Zwischenstopp in Zürich fährt er fast voll Richtung Davos, anwesend sind nun auch die Delegationen der Flüchtlinge, die an der Pressekonferenz und am Open Forum sprechen sollen. Um 14 Uhr versuchen wir nochmals, einen Kontakt mit der Polizei herzustellen, wiederum wird ein Rückruf versprochen.
 
Die Polizei will das volle Programm durchziehen
Um ca. 15.30 Uhr wird der Car in Fideris auf den Platz der samstäglichen Schleusen herausgewinkt und von einer Spezialeinheit der Genfer Polizei umstellt. Mit Nagelbändern wird der Car blockiert. Bei den Verhandlungen vor Ort weiss der Gruppenchef nichts von einer bewilligten Kundgebung. Er kann aber auch nicht erklären, warum er dann dort steht, wenn er gar nicht informiert worden ist. Die Polizei hat sich auf das volle Programm vorbereitet: Kontrolle von Identität, Tascheninhalten und Gepäck aller Bus-InsassInnen, Kontrolle des Busses. Ist dies die neue Meinungsäusserungsfreiheit? Schon aus prinzipiellen Gründen muss diese Art von Kontrolle im Vorfeld einer kleinen bewilligten Kundgebung verweigert werden. Um 16 Uhr gelingt es uns endlich, den Statthalter telefonisch zu erreichen. Er verspricht, sich dafür einzusetzen, dass der Bus ohne Kontrolle nach Davos fahren kann. Was aber kann ein Statthalter ausrichten, wenn die Polizei ihr Sicherheitskonzept üben will? Ein erneuter Anruf direkt bei der Polizei führt zwar zu einer Entschuldigung, weil sich noch niemand gemeldet hat, aber mit der Einsatzleitung wird man trotzdem nicht verbunden.
 
Dem Polizeichef fehlts an Anstand
16.15 Uhr, die Pressekonferenz sollte beginnen. Die Redner sitzen im Bus fest, nur ein Journalist scheint sich für die Voten der Flüchtlinge zu interessieren: Hannes Britschgi, Chefredaktor des Nachrichtenmagazins «Facts» und Podiumsleiter des Open Forum über Migration. Er hat viel Zeit, um sich mit unserer Kritik auseinander zu setzen und wird parallel über den Fortschritt der Verhandlungen informiert. Einmal gelingt es, per Handy direkt mit dem Gruppenchef in Fideris zu sprechen. Er scheint klare Anweisungen zu haben, die Kontrollen wie geplant durchzuführen. Von einem Missverständnis kann nicht die Rede sein. Er behauptet, dass dies eine Bewilligungsauflage sei, was vom inzwischen an der Pressekonferenz anwesenden Statthalter zu Recht bestritten wird. Die Zeit rinnt dahin, es bewegt sich nichts.
Die wenigen nicht per Bus angereisten AktivistInnen entschliessen sich, beim Open Forum gegen die Polizeiblockade zu protestieren und machen sich auf den Weg zur Veranstaltung in der Alpinen Mittelschule. Kurz darauf stattet Polizeichef Gianfranco Albertini per Helikopter in Fideris einen Kurzbesuch ab. Wenigstens wissen wir jetzt, wer nicht einmal genug Anstand besitzt, nach mehreren Telefonaten zurückzurufen.
Am Open Forum stellen wir uns mit einem Transparent neben der Bühne auf. Nach einer kurzen Einführung durch Hannes Britschgi erhalten wir das Wort und erzählen, wie eine bewilligte Kundgebung und der Besuch des Open Forum durch die Polizei verhindert wird. Nach der kurzen Rede verlassen wir den Saal. Es begleitet uns das von verschiedenen Seiten ausgedrückte Bedauern über diesen unangenehmen Zwischenfall.
Dafür wissen wir nun etwas mit absoluter Sicherheit: Das Konzept, alle Beteiligten einer Kundgebung vorgängig einer Personenkontrolle zu unterziehen, wird auch bei Kleinstveranstaltungen mit 50 Personen angewandt. Die Sicherheitskräfte sind offensichtlich der Meinung, dass sie die Verfassung und die Menschenrechte, hier speziell das Recht auf freie Meinungsäusserung, nach Belieben ein- und ausschalten können. Hier geht es um eine prinzipielle Frage. Solche Kontrollen können auch in Zukunft nie akzeptiert werden, solange wir uns für die Demokratie einsetzen.
 
 
Trouvaillen aus der Demo-Bewilligung
«Die Anreise zu dieser Demonstration hat ausschliesslich mit Bussen zu erfolgen [...]. Die Kennzeichen der Busse sind vorgängig [...] bekanntzugeben.»
«Der Marsch zur Aula der Mittelschule ist so durchzuführen, dass weder der private noch der öffentliche Verkehr und auch die Fussgänger nicht behindert werden.»


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