Bulletin Nr. 27; März 2000

Die Westafrika-Route des BFF

500 Franken Kopfgeld

Am 17. Juni 1999 hat augenauf an einer Pressekonferenz in Zürich dargestellt, wie das Bundesamt für Flüchtlinge (BFF) papierlose afrikanische Ausschaffungshäftlinge an sogenannte Vertrauensanwälte nach Abidjan (Elfenbeinküste) ausliefert, Vertrauensanwälte, die anschliessend die Abschiebung der Häftlinge in westafrikanische Krisengebiete organisieren. Eine im Januar 2000 in der Westschweizer Zeitschrift «L‘Hebdo» erscheinende Reportage der Journalistin Béatrice Gelpa bestätigt die Aussagen von augenauf über die sogenannte «Westafrika-Route» des BFF vollumfänglich und bringt erschreckende Details ans Tageslicht.
Nach ihrer Ankunft werden die Ausschaffungshäftlinge - 90 Personen im letzten Jahr - unter menschenunwürdigen Bedingungen in Gefängniszellen festgehalten und von «Vertrauensleuten» der Schweizer Botschaft rüde verhört. Die sogenannten Vertrauenleute erhalten pro Ausgeschafften von der Schweizer Botschaft 500 Franken. Die Schweizer Behörden selbst haben keinerlei Kontrolle über die Behandlung der Ausschaffungsgefangenen. Kann deren richtige Identität nicht festgestellt werden, werden sie ins Gefängnis gesteckt. Spätere Versuche die Afrikaner in ihre vermuteten Heimatländer abzuschieben, misslingen regelmässig. Grund: Die dortigen Behörden anerkennen die von der Schweiz ausgestellten Reisedokumente nicht. Diese sind Eigenfabrikationen der Abteilung Vollzugsunterstützung des BFF.
Laut «L‘Hebdo» gibt es zwischen der Schweiz und der Elfenbeinküste nicht einmal ein offizielles Abkommen für derartige «Transporte» nach Abidjan. Es gibt nur einen Deal zwischen dem Sicherheitsdienst des Landes und Vertrauensleuten der Schweizer Botschaft. Demnach zahlt die Schweiz der Polizeibehörde der Elfenbeinküste pro Ausgeschafften 120 Franken. Die Recherchen des «L'Hebdo» ergaben aber, dass dieses Geld von den Schweizer «Vertrauensleuten» bisher nie an die Endbegünstigten weitergeleitet wurde. Ausserdem stellte «L‘Hebdo» bei ihrem Augenschein fest: Obwohl die Schweizer Botschaft in Abidjan den Ablauf der Rückschaffungen selbst überwachen müsste, lassen sich die zuständigen Botschaftsmitarbeiter nicht vor Ort blicken.
«L’Hebdo» kommentiert die Ausschaffungspraxis mit harschen Worten: «Die Schweiz benutzt die Elfenbeinküste, wie wenn dieses Land ein ‘Kehrichtkübel’ wäre. Sie exportiert abgewiesene Asylbewerber, mit denen sie selber nicht zu Rande kommt, kurzerhand nach der Hauptstadt Abidjan». Damit mache sie sich zum Komplizen im Handel mit Menschen.
Das Bundesamt für Flüchtlinge reagierte beleidigt auf solche Worte. Die Art und Weise, wie augenauf und das Westschweizer Magazin über Ausschaffungen nach Westafrika berichtet habe, sei «reine Polemik», hiess es. So, wenn augenauf von «Schmiergeldern» spreche, bloss weil die Schweiz die dortigen Behörden für ihre Umtriebe bezahle. Ebenso verfehlt sei der Ausdruck «Kopfgeld». Mit den 500 Franken, die der Vertrauensanwalt der Botschaft pro Fall erhalte, werde der grosse Aufwand des Mannes abgegolten, der jeweils zu den verschiedenen Botschaften gehen müsse, um die Identität der betreffenden Person zu klären.
 
Recherchen von augenauf bestätigt
augenauf hat bereits am 22. Juni 1999 die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Nationalrates über die Westafrika-Route informiert und sie gebeten, im Rahmen der parlamentarischen Aufsicht Nachfragen bei den beteiligten Departementen – dem EJPD und dem EDA – zu tätigen. Die Demokratischen Juristinnen und Juristen der Schweiz (DJS) haben im gleichen Sinne interveniert. Im September hat der Präsident der Sektion Behörden der GPK, Fulvio Pelli, über die Abklärungen der GPK informiert und festgehalten, dass sich das BFF bei den «Rückführungen (...) über die Westafrika-Route (...) in einem rechtlich abgesicherten Rahmen» bewege. Die zuständigen Beamten im BFF haben die GPK-Vertreter offensichtlich im Unklaren über die wahren Umstände der Ausschaffungen über die Westafrika-Route gelassen. Es muss angenommen werden, dass die Parlamentarier von BFF-Beamten angelogen wurden. Sollte sich dieser Verdacht erhärten, müssten disziplinarrechtliche Massnahmen gegen die verantwortlichen BFF-Beamten geprüft werden. Aufgrund der neuen Informationen hat augenauf das BFF aufgefordert, Ausschaffungen nach Abidjan umgehend zu stoppen. Wir sind ausserdem der Meinung, dass die Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte die Westafrika-Route des BFF einer detaillierten Prüfung unterziehen und dafür sorgen muss, dass bei der Abschiebung von Flüchtlingen künftig weder internationale Verpflichtungen noch rechtsstaatliche Grundsätze verletzt werden.

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