Bulletin Nr. 27; März 2000
Aufenthalt im Freien verboten?
Ein Fall von Polizeiwillkür
Eine Frau steht vor einer Kontakt- und Anlaufstellen (K+A) für
Drogenkonsumierende. Das genügt der Polizei, um die in Zürich wohnende Frau
in Handschellen zu legen und zu zwingen, die Nacht im Rückführungszentrum
zu verbringen.
B.C. berichtet augenauf über ihr Erlebnis: Ein Abend Ende September 1999,
es ist etwa 20 Uhr. B.C. kommt soeben aus der Kontakt- und Anlaufstelle, wo
sie zu Abend gegessen hat. Sie will mit dem Velo nach Hause fahren.
Plötzlich springen vier Polizisten aus einem Polizeiauto und wollen eine
«Ausweiskontrolle» machen. Sie und vier andere Umstehende müssen sich auf
den Boden setzen. Die Polizisten werden von zwei Leuten begleitet, welche
sofort anfangen die Szene zu filmen - ohne sich vorzustellen. B.C. wendet
sich ab, weil sie nicht gefilmt werden will, ein Polizist befielt ihr,
stillzusitzen und sich nicht abzuwenden. Auf ihre Frage, was das solle,
kriegt sie eine undeutliche Antwort auf französisch. Der zweite Filmer
meint, die Gesichter würden ohnehin nicht gefilmt. Die Polizisten fordern
B.C. auf, «die Drogen» herauszugeben. Sie hat keine auf sich.
Trotzt ihrer Identitätskarte und der Tatsache, dass sie in Zürich wohnt und
arbeitet, wird sie in Handschellen gelegt und ins Rückführungszentrum
gebracht. Zuvor muss sie allerdings im Polizeiauto noch eine halbe Stunde
warten. Der Grund: Die Polizisten werden von den Filmern interviewt.
Im Rückführungszentrum angekommen erklärt B.C. der zuständigen Polizistin,
sie müsse am nächsten Morgen zur Arbeit. Sie erhält zur Antwort, man würde
am angebenen Arbeitsplatz anrufen und abklären, ob B.C. tatsächlich da arbeite.
B.C. wird nicht einvernommen, dennoch wird verlangt, dass sie ein
Protokoll unterschreibe. Dort steht drin, sie habe Drogen auf sich gehabt.
Als B.C. dies bemerkt und protestiert, bedeckt der Polizist die betreffende
Stelle des Protokolls und sagt, das gehe sie nichts an. Sie solle
unterschreiben, damit sie die Sachen (Hausschlüssel, Geld etc.), die man
ihr abgenommen hatte, zurückbekomme.
Die Polizistin verspricht ihr, dass sie morgens um 9.30-10.00 Uhr wieder
gehen dürfe. Sie wird dann am nächsten Morgen aber erst um 10 Uhr 30
herausgelassen. Auf ihre Frage, weshalb sie überhaupt verhaftet und ins
Rückführungszentrum gebracht worden sei, antwortet der Polizist, sie hätte
sich nicht vor der Kontakt- und Anlaufstelle aufhalten dürfen.
Rückführungszentrum: Wo bleibt das Recht auf Bewegungsfreiheit?
Das sogenannte Rückführungszentrum ist Teil der repressiven Strategie des
Zürcher Stadtrates zur Bekämpfung der offenen Drogenszene. Die rechtliche
Grundlage des Rückführungszentrums ist nach wie vor umstritten. In der
offziellen Lesart geht es darum, Drogenkonsumierende aus anderen Gemeinden
und Kantonen, die in der Stadt Zürich aufgegriffen werden, in ihre
Wohngemeinde zurückzuführen und den zuständigen Sozialbehörden zu übergeben.
Das allein widerspricht dem in der Bundesverfassung garantierten Recht auf
Bewegungsfreiheit. Hinzu kommt, dass je länger je mehr auch Personen mit
Wohnsitz in der Stadt Zürich in das Rückführungszentrum gebracht werden.
Damit hat das Rückführungszentrum nichts anderes als die Funktion einer
kurzfristigen Inhaftierungsanstalt unerwünschter Personen, wohl mit dem
Ziel der «Vergällung» des Aufenthaltes an bestimmten Orten oder der
willkürlichen Bestrafung eines bestimmten Outfits. Dies widerspricht mit
Sicherheit rechtsstaatlichen Grundsätzen.
Zurück zum Inhaltsverzeichnis
Zurück zum Archiv
URL dieser Seite