Bulletin Nr. 21; Januar 1998
Wie Polizei und Asylorganisation gemeinsam Sozialfälle schaffen
M. hat eine Aufenthaltsbewilligung («F»: vorläufig aufgenommen) und
eine Stelle. Alles in Butter also? Wenn da nur nicht Polizei,
Asylorganisation (AO) und das BFF wären...
M. fährt an einem Samstag abend, nach einem Krach mit seiner Freundin, ins
Tessin in eine Disco. Er hat seine gesamten Ersparnisse abgehoben. Einen
Teil davon will er nach Hause schicken, den anderen braucht er, um die
Kaution für ein neues Zimmer zu bezahlen, das er sich nun wird suchen müssen.
Auf der Heimfahrt am frühen Sonntagmorgen trifft er einen unbekannten
Afrikaner, der ihn um Hilfe bittet. Er möchte ein Asylgesuch stellen, die
Polizei habe ihm aber nicht gesagt, wo und wie er das tun könne. Im Zug
werden sie von der Grenzpolizei kontrolliert. M. hat nur eine Kopie seines
F-Ausweises bei sich, der unbekannte Flüchtling hat gar keine Papiere. Die
beiden werden, mit Handschellen aneinandergekettet, nach Zürich gebracht
und dort auf der Bahnhofswache der Kapo durchsucht. Die Beamten finden M.’s
Geld (ein Betrag von mehreren Tausend Franken), beschlagnahmen es flugs
z.Hd. des BFF und geben M. eine Quittung. Er wird in die Kaserne gebracht,
erhält aber erst am nächsten Morgen etwas zu Essen und zu Trinken. Bis
Dienstag wird M. im Propog festgehalten, so dass er befürchten muss, seine
Stelle zu verlieren.
Am Dienstag wird er mit noch ganzen 149 Franken entlassen, hat kein Geld
und kein Zimmer und ist vielleicht auch seinen Job los.
Die Kapo bestätigt auf Intervention hin die Beschlagnahmung des Geldes. Es
sei schon zum BFF unterwegs. Das BFF meint, M. würde dann später eine
Verfügung bekommen. Könne er mit Lohnabrechungen beweisen, dass er es
rechtmässig erworben habe, erhalte er es dann zurück. Die Kapo habe ihm
aber zuviel weggenommen. Manchmal treffe es halt die Falschen. Er solle zum
Sozialamt, sich Vorschuss bis zum nächsten Lohn holen gehen.
Der Hindernislauf
Am Donnerstag Morgen geht M. nach der Arbeit zusammen mit einer Schweizerin
zur Asylorganisation. Nach Rückfrage mit dem Chef findet die
Sachbearbeiterin, wenn M. eine Zession unterschreiben würde, könne er einen
Vorschuss haben. Aber vorher wolle sie bei der Kapo noch abklären, ob das
Geld nicht etwa doch noch da sei. M. solle am nächsten Tag (Freitag) wieder
vorsprechen. Immerhin verschafft die AO M. am Donnerstag noch ein kleines
Zimmer. Aber mit dem Termin am Freitag wird nichts. Die Asylorganisation
ist mit den Abklärungen nicht fertig geworden. Bis Montag steht M. ohne
(sein) Geld da.
M. versucht sich noch am Donnerstag ordnungs- und vorschriftsgemäss im
Quartierbüro anzumelden, da er jetzt ja wieder eine Adresse hat. Aber auch
das geht nicht ohne Hindernislauf. Er brauche eine Verlustanzeige seines
F-Ausweises von der Polizei, eine Bestätigung der AO, dass er sich
kostenlos (!) anmelden könne und eine Einzugsanzeige durch die AO, wird ihm
beschieden. Also heisst es noch einmal bei drei Amtsstellen mit insgesamt
vier Schaltern vorzusprechen.
Später verliert M. dann tatsächlich seinen Job, weil «er mit der Polizei zu
tun hatte». Wann er sein Geld zurückbekommen wird und wieviel davon das BFF
zwecks späterer Ausschaffung behält, ist noch nicht klar.
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