Bulletin Nr. 21; Januar 1998

44 Tage Hungerstreik

Nicht nur im zürcher Ausschaffungsgefängnis Kloten II gab es anfangs November 97 einen Hungerstreik, sondern auch in Genf und Bern. Im Gegensatz zu Zürich gelang es den Behörden in Genf und Bern, eine Informationssperre aufrechtzuerhalten. Dies führte dazu, dass die Öffentlichkeit erst gegen Ende der Hungerstreiks in Bern und Genf überhaupt davon erfuhr. Bis heute ist nur wenig über die Gründe für den Streik und die Auswirkungen für die Gefangenen aus erster Hand bekannt. Einzig aus Bern können wir folgendes berichten:
Der Sudanese M. hungerte seit anfangs November im Regionalgefängnis Bern und nahm in dieser Zeit zwanzig Kilo ab. Am 17 Dezember brach er die Essensverweigerung ab. Der Gefängnisarzt wollte ihn in die geschlossene Abteilung des berner Inselspitals verlegen und künstlich ernähren lassen. M. ersparte sich diese lebensgefährliche Prozedur und gab auf. M. hatte zusammen mit fünf Mitgefangenen am 3.11. mit der Essensverweigerung begonnen, als sie vom Hungerstreik der Ausschaffungsgefangenen in Zürich und Genf hörten. Anders als in den speziell eingerichteten Ausschaffungsabteilungen von Kloten und Favra (Genf) sind die Haftbedingungen der Gefangenen im berner Regionalgefängnis, dem Amtshaus, wesentlich schlechter. Die Häftlinge sind im wesentlichen einem normalen Gefängnisregime unterworfen. Sie haben keinen freien Zugang zum Telefon und auch ein viel eingeschränkteres Besuchsrecht. Zudem sind sie in 23 Stunden am Tag in Kleingruppenisolation. So erfuhr die Öffentlichkeit erst über die Zeitung «Der Bund» nach einem Monat vom Streik. Vier der sechs hatten mit dem Hungerstreik-Abbruch in Kloten, genauso wie die acht streikenden Ausschaffungsgefangenen von Genf, auch wieder angefangen zu essen. Zwei Gefangene jedoch streikten weiter. Ein Mann aus Mazedonien verweigerte einen Monat lang die Nahrung, M. 44 Tage. M. sagte in einem Gespräch mit dem alternativen berner Lokalradio RaBe, er sitze während 23 Stunden in völliger Isolation. Über seine Haftdauer sei er nie informiert worden, und das Essen sei schlecht. Sein Asylgesuch sei abgelehnt, und er befürchte die Ausschaffung. Auch in Bern war die authentische Berichterstattung Ausnahme: Die bürgerlichen Medien beschränkten sich vor allem auf die Informationen, welche von offizieller Seite zu erfahren waren. In unbeteiligt sachlichem Ton wurde über Möglichkeit von Zwangsernährung von M. rapportiert und die berner Fremdenpolizei mit den Worten zitiert: «Wir lassen uns nicht erpressen.»

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

Zurück zum Archiv

URL dieser Seite