Bulletin Nr. 21; Januar 1998

Frauen in Ausschaffungshaft im Flughafengefängnis

Seit einem Jahr gibt es im Ausschaffungsgefängnis am Flughafen Kloten eine Frauenabteilung. Zu den Haftbedingungen und der spezifischen Situation von Frauen in Ausschaffungshaft dokumentieren wir Aussagen von gefangenen Frauen, die augenauf besucht hat.

Mit der Eröffnung des zweiten Gefängnisses am Flughafen Kloten am 16. Dezember 1996, in dem fortan die Abteilung Ausschaffungshaft untergebracht wird, wurde eine Frauenabteilung im Flughafengefängnis eingerichtet. Früher sassen die Frauen im Bezirksgefängnis Dielsdorf in Ausschaffungshaft. Laut Gefängnisdirektorin Ludwig hat es jedoch erst seit April 97 tatsächlich weibliche Ausschaffungsgefangene in Kloten. Die Frauenabteilung habe Platz für 4 bis 8 Frauen (wenn es mehr als vier sind, werden Kajütenbetten in die Zellen gestellt) und durchschnittlich seien etwa 3 Frauen dort, manchmal sei die Abteilung auch leer. Sie blieben durchschnittlich weniger lange inhaftiert als die Männer. Zu den Entlassungsgründen konnte Ludwig seltsamerweise nur Vermutungen äussern: quasi ausschliesslich Ausschaffungen.
 
Haftbedingungen
Die Frauenabteilung befindet sich im 4. Stock und ist durch eine Glasscheibe und einen Vorhang von der Männerabteilung getrennt. Unter der Woche sind die Zellen von 8 bis 18 Uhr, am Wochenende bis 15.30 Uhr offen, und frau kann sich in der Gemeinschaftszelle aufhalten. Frühstück gibt es um 6.00 Uhr. Es wird laut einer Gefangenen einfach in die Luke der Zellentüre gestellt, und wenn frau nicht aufwacht bis es wieder abgeräumt wird, kriegt sie nichts mehr.
 
Die Schlüssel den Männern
Auf der Frauenabteilung arbeitet weibliches und männliches Personal. Alle uniformierten Aufseher, die Schlüsselinhaber, sind männlich, die BetreuerInnen (ohne Uniform) männlich oder weiblich, wobei laut Ludwig «logischerweise» die Betreuerinnen hauptsächlich auf der Frauenabteilung arbeiten. Von Logik kann ja kaum die Rede sein, wenn nicht ausschliesslich Frauen auf der Frauenabteilung arbeiten. Ludwig betont, dass alles ganz korrekt ablaufe. Vorschrift sei, dass sich nie ein Mann allein auf der Frauenabteilung aufhalte. Das heisst aber nicht etwa, Männer nur in Begleitung einer Frau, sondern zwei Männer. Mit einer solchen Massnahme Übergriffe verhindern zu wollen ist schlicht absurd, was Aussagen von gefangenen Frauen auch bestätigen.
Die Frauen können arbeiten und verdienen dabei dasselbe wie die männlichen Gefangenen, nämlich je nach Arbeit zwischen 10 und 30 Franken im Tag. Sie arbeiten auf der Frauenabteilung selbst. Laut Ludwig hat es auch eine Nähmaschine, mit der Frauen etwas für sich selbst machen können. Es gebe ein breiteres Angebot für Frauen, da sie einfacher zu betreuen seien, denn sie seien weniger «dramatisch» als die Männer.
Seit Anfang Dezember kommen «neue» weibliche Gefangene nicht mehr sofort auf die Frauenabteilung, sondern wie die Männer auf eine Eintrittsabteilung im 1. Stock. Männer und Frauen sind dort in getrennten Zellen, Umschluss gibt es nicht. Sie bleiben ca. eine Woche dort.
 
Berichte von Besucherinnen
Seit Herbst letzen Jahres habe ich zwei Frauen im Flughafenknast besucht. A. regelmässig und B. einmalig.
Bei meinem ersten Besuch war A. alleine auf der Frauenabteilung, dann waren ausser ihr eine, acht, vier, sechs Frauen dort.
A. und B. bestätigen, dass sie arbeiten können, mit der Einschränkung: «wenn es Arbeit gibt». Wenn nicht, gibt es auch keine Zigaretten, Telephonkarten – nichts. B. erzählt, dass sie für das Personal gewaschen und gebügelt hat für Fr. 3.– pro Stunde. Frau Ludwig weiss von nichts und klärt ab: Es handle sich nicht um persönliche Wäsche vom Personal, die würden sie selber machen, sondern um die Pikettwäsche, die wöchentlich eine Frau auf der Waschmaschine der Insassinnen wasche und dafür Fr. 15.– erhalte. Es sei auch schon vorgekommen, dass Gefangene eine kaputte Matratze geflickt hätten. Auch könnten sie putzen, wenn sie wollen. Das sei aber mehr als Beschäftigung gedacht und werde besser bezahlt als die gewöhnliche Arbeit, die Männer und Frauen machen.
Die Männer können ihre Stunde draussen auf dem Hof verbringen, die Frauen zur gleichen Zeit auf dem Dach. Im Hof kann mann Fussball spielen, auf dem Dach hat frau dafür keinen Platz. A. würde auch gerne Fussball spielen. Die Frauen gingen nie raus während der Stunde «Hofgang», da sie keine Lust hätten aufs Dach zu gehen. In den Hof würden sie gerne gehen, was sie auch schon mitgeteilt haben, aber es hiess, dass das nicht ginge. Warum, weiss A. nicht.
 
Sexuelle Übergriffe
Die Gefangene A. berichtet von Übergriffen seitens der Wärter. Sie erzählt, dass sich die Wärter häufig (zu zweit) auf der Frauenabteilung aufhalten und zum Teil auch in die Zellen der Frauen gehen. Vor allem am Wochenende, wenn der Chefwärter nicht präsent sei, würden sie auf der Frauenabteilung rumhängen und sogar mit ihnen essen.
Einmal, als A. mit dem Lift zu einem Besuch hinunterfuhr, wie üblich von zwei Wärtern begleitet, sagte ihr der eine, sie solle sich oben ausziehen, damit er sehen könne, ob sie etwas in die Besuchszelle zu schmuggeln versuche. Der andere sagte: «Ja, schauen, schauen». Als A. sich wehrte und sagte, sie werde es dem Chef melden, habe der Wärter sie angefleht, es nicht zu tun.
Derselbe Wärter ist auch einmal einfach in A.s Zelle gekommen und hat sie aufs Hinterteil geschlagen. Beides, einfach in die Zelle eindringen und sie aufs Hinterteil tätscheln, tue er auch bei anderen Frauen. Einer Frau habe er ins Gesicht geschlagen, als sie sich weigerte, nach dem Umschluss in die Zelle zu gehen.
Das jüngste Beispiel von Übergriffen seitens dieses Wärters ereignete sich während der Weihnachtsfeier 1997 im Flughafengefängnis. Als A. in den Raum kam, in dem das Fest stattfinden sollte, bemerkte sie, dass sie die einzige Muslimin war, alle muslimischen Männer waren nicht anwesend. Daraufhin wollte sie wieder gehen. Besagter Wärter brachte sie alleine (!) wieder auf die Frauenabteilung. Es war auch keine der gefangenen Frauen dort, da alle am Fest waren. Als der Wärter A. in ihre Zelle gebracht hatte, forderte er sie auf, mit ihm «slow» zu tanzen. Als sie ihn aus der Zelle stiess, schloss er sie dafür ein.
Nachdem mir A. von diesen Übergriffen erzählt hatte, wollte sie sich auch bei Ludwig darüber beschweren. Als sie einem Wärter mitteilte, dass sie mit Frau Ludwig sprechen wolle, meinte dieser, Ludwig werde tags darauf zu ihr kommen. Nach einer Woche war sie jedoch immer noch nicht erschienen.
Am 12. Dezember gab es im ganzen Ausschaffungsgefängnis eine Razzia. Sie suchten nach Drogen. Auf die Frauenabteilung kamen sie mit Hunden, und die Frauen mussten sich vor den Polizistinnen ganz nackt ausziehen. Gefunden haben sie auf der Frauenabteilung nichts.
 
Frauen werden schneller ausgeschafft
B. sagt, dass laut Krankenschwester erst einmal eine Frau auf freien Fuss gesetzt worden sei, alle anderen Entlassungen seien Ausschaffungen gewesen. Während ihrer zweimonatigen Zeit im Gefängnis seien viele Frauen gekommen und gegangen, die meisten seien viel kürzer geblieben als sie. Viele Frauen stammten aus Ex-Jugoslawien, einige aus afrikanischen Ländern. B. wurde vier Tage vor ihrer Auschaffung der Termin mitgeteilt. Obwohl sie ein Papier unterschrieb, dass sie die Schweiz verlassen werde, wurde sie direkt vom Gefängnis auf den Flughafen gebracht. Zuvor hatte bei der Haftrichterverhandlung eine Schweizerin für ihre Ausreise garantiert, damit sie aus dem Knast entlassen wird, aber auch das wurde abgelehnt.
B. erzählt, dass den Frauen, die Geld mit ins Gefängnis bringen und es abgeben, dieses nicht mehr zurückgegeben und der Flug damit bezahlt werde. Laut einer Anwältin ist dies gängige Praxis, da die Ausgeschafften für ihre «Rückreise» selbst bezahlen müssten.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

Zurück zum Archiv

URL dieser Seite