Bulletin Nr. 16; Januar 1997
Migrantin ohne Papiere
Aus dem Fenster getrieben und ausgeschafft
Gegen die Ausschaffung von H. gab es auf dem Flughafen Kloten am
17.10. eine Protestaktion. H., eine Immigrantin, wurde trotz schwerer
Verletzungen ausgeschafft. 40 Leute besammelten sich vor der Passkontrolle.
Sie trugen ein Transparent und Schilder mit der Aufschrift: "Schluss mit
Ausschaffungen", "Keine Razzien gegen die Frauen im Sexgewerbe", "Illegale
Menschen gibt es NICHT". Den eincheckenden Reisenden wurden Flugblätter
verteilt. Nach ca. 20 Minuten intervenierte die Polizei. Es war aber
trotzdem möglich, die Normalität im Flughafen ein wenig zu stören.
Am 27. September stürzte sich die ausländische Prostituierte H. aus ihrem
Fenster. Zuvor trieben sie zwei Zivilpolizisten bei einer Razzia an der
Hohlstrasse in die Enge.
H. war von einem Polizisten, der sich als Freier ausgegeben hatte, in ihr
Zimmer begleitet worden. Dort kam noch ein zweiter Mann dazu, der sich
nicht auswies. Dieser schrie H. an und riss ihre Sachen aus dem Schrank. Er
befahl ihr zu packen, da sie ausgeschafft werde, hinderte sie jedoch
gleichzeitig daran. Als sie sich umziehen wollte, um auf den Polizeiposten
zu gehen, versuchte er, sie auch daran zu hindern.
Aus ihrem Gedächtnisprotokoll: "Ich wusste nicht mehr was, machen und
setzte mich weinend aufs Bett. Er packte meine Hände und schleppte mich
über den Boden und schrie, dass ich die Sachen zusammenpacken solle. (...)
Da kam ich auf den Gedanken, dass die zwei vielleicht gar keine Polizisten
waren, da der Grosse sich nicht ausgewiesen hatte und da ich beim anderen
nicht genau gesehen hatte, was er mir gezeigt hatte. Ich begann zu glauben,
der Grosse sei ein Verrückter, der mich schlagen und töten würde. Und dann
sah ich das offene Fenster... Die Art und Weise, wie mich der Polizist
behandelte, liess mich verzweifeln. Ich wollte mich nicht umbringen oder
vor der Polizei flüchten, ich hatte einfach nur Angst, wahnsinnige Angst.
Als ich das Fenster sah, stand der Polizist mit der Brille neben der Türe
und der Grosse stand in meiner Nähe und bewarf mich mit Sachen. Ich
erinnere mich nur, dass ich plötzlich im Fenster hing. Eine Weile, die mir
sehr lang erschien, vielleicht zwei Minuten, hing ich da,
schaute hinunter und hatte Angst. Ich sah den grossen Polizisten im
Fenster, sein Gesicht und vor allem seine Hände. Ich sah, dass er die Hände
rausstreckte, aber ich erinnere mich nicht mehr, ob er mir helfen wollte
oder ob er mich hinunterstiess."
Als H. verletzt auf dem Boden lag, gab einer der Polizisten ihr Fusstritte
und befahl ihr aufzustehen, um ihre Sachen zu holen. Er rief keinen
Krankenwagen, dies tat schlussendlich der Verwalter des Hauses. H. lag eine
halbe Stunde ohne ärztliche Hilfe auf dem Asphalt bis endlich die Ambulanz kam.
Im Spital liess man H. nicht telefonieren. Sie sagt, sie wurde schlecht
behandelt: "Wenn ich grosse Schmerzen hatte, liessen sie mich lange warten.
Einmal stritt ich mich mit einer Krankenschwester, weil ich auf den Topf
musste. Ich rief sie und sie brachte mir den Topf etwa zwei Stunden später
mit dem Kommentar, ich sei nicht die einzige Patientin im Spital. (...) Ich
war etwa 7 oder 8 Tage von der Umwelt isoliert, bis eine Gassenarbeiterin
zu mir kam und ich endlich Kontakt aufnehmen konnte, mit meinen
Freundinnen, zu meiner Familie und zu anderen Leuten, die mir halfen."
Am 17.10. wurde H. vom Flughafen Kloten im Rollstuhl, beide Beine
eingegipst, nach Lateinamerika zurückgeschafft, obwohl die ärztliche
Behandlung nicht abgeschlossen war. Eine für ihre Genesung unerlässliche
Operation wurde nicht gemacht. Die Begründung im Austrittsbericht des
Unispitals: Keine Versicherung.
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