Bulletin Nr. 16; Januar 1997
Polizeiübergriffe und kein Ende
In unserem ersten Bulletin, erschienen vor fast zwei Jahren, berichteten
wir vom Polizeiübergriff gegen den Lybier H.L. Dieser wurde am Letten und
auf der Polizeiwache von mehreren Polizisten zusammengeschlagen. Im Spital
attestierte die Ärztin eine die Lungenfunktion beeinträchtigende
Brustkorbverletzung, zwei gebrochene Rippen sowie Kontursionen am linken
Knie, dem rechten Unterschenkel und dem rechten Wangenknochen. H.L.
schwebte mehrere Tage in Lebensgefahr. Sein Fall dokumentierte auch Amnesty
International in ihrem Jahresbericht 1996. H.L. reichte nach seiner
Misshandlung eine Strafanzeige gegen die prügelnden Polizisten ein. Diese
revanchierten sich.
Inzwischen sind die beteiligten Polizisten allesamt vor Obergericht
freigesprochen worden. H.L. wurde ausgeschafft. Die Sache ist vom Tisch.
Und die Gasse heute?
Im Oktober starteten wir eine kleine Umfrage, um zu ermitteln, wie
DrogenkonsumentInnen heute von der Polizei behandelt werden. Das Resultat
ist erschreckend. Nach wie vor finden Übergriffe en masse statt. Dabei hat
sich bei allen Beteiligten eine gewisse Gewöhnung eingestellt. Anwohner
schauen bei Polizeikontrollen und den Übergriffen diskret weg und
Betroffene wissen, was sie erwartet, und hüten sich, aus Angst vor noch
mehr Repression, Übergriffe anzuzeigen – die Erfahrung lehrt schliesslich,
dass Verfahren gegen Polizisten eingestellt werden.
Wer beim Drogenkonsumieren oder mit Drogen in der Tasche auf der Strasse
erwischt wird, muss mit polizeilicher Willkür und Übergriffen rechnen.
Systematisch werden auch StadtzürcherInnen ins Rückführungszentrum Kaserne
gebracht. Den Drogenkonsumierenden soll es vergällt werden, sich in Zürich
weiterhin frei zu bewegen, genau wie dies Polizeichef Neukomm nach der
Schliessung des Lettens auch angekündigt hatte. Stadtzürcher
DrogenkonsumentInnen sollen ihre Drogen in den Kontakt- und Anlaufstellen
(K+A’s) spritzen, unter sozialarbeiterischer Kontrolle – der öffentliche
Raum wird ihnen vorenthalten. Dabei sind die Spielregeln in den K+A Räumen
stur. Obwohl auf der Gasse viele Drogen rauchen und nicht spritzen, ist
dies in den K+A’s verboten. Eine Forderung von Drogenkonsumierenden nach
Öffnung eines FolienraucherInnen-Raums wurde vom Sozialamt abgelehnt.
Drogenkonsum soll schliesslich nicht auch noch Spass machen!
Wer nicht StadtzürcherIn ist, soll aus der Stadt ganz wegbleiben. Um das
Prinzip „vergällen“ durchzusetzen, haben die polizeilichen Übergriffe, die
verbalen Attacken und Schläge, aber auch die Schikanen im
Rückführungszentrum eine Funktion. Sie sind nicht einfach nur Ausdruck von
Machthunger und Sadismus (das sind sie wohl auch), sondern sie sind
integraler Bestandteil der Zürcher Drogenpolitik.
Asylbewerber: Sowieso alles Dealer
Eine weitere Zielgruppe polizeilicher Willkür sind die AsylbewerberInnen.
Vor allem Nicht-Weisse AsylbewerberInnen werden systematisch kontrolliert
und schikaniert. Die jahrelangen rassistischen Kampagnen der Rechtsparteien
und gewisser Zürcher Regierungsmitglieder gegen «kriminelle Asylbewerber»
haben ihre Wirkungen auch im Polizeikorps nicht verfehlt. AsylbewerberInnen
wird bei Kontrollen lapidar mitgeteilt, sie hätten in der Stadt Zürich
nichts zu suchen. Die Wirklichkeit überholt die Gesetze: schon bald jeder
Polizist hält sich ermächtigt, willkürlich "Rayonverbote" auszusprechen...
Keine Papiere, keine Rechte
Illegalisierte sind für die Polizei völliges Freiwild. Die Haftbedingungen
für Ausschaffungsgefangene haben sich in den letzten Monaten aufgrund der
öffentlichen Proteste, Proteste der Gefangenen selbst und einiger
Bundesgerichtsurteilen verbessert. Sie sind jetzt im Ausschaffungsgefängnis
Kloten nicht mehr unter schlechteren Bedingungen als «normale »
Untersuchungsgefangene inhaftiert. Ihre Haftsituation ist aber immer noch
schlechter als jene im Strafvollzug. Die Situation in den
Polizeigefängnissen, wo Ausschaffungshäftlinge in den ersten Tagen
ebenfalls einsitzen müssen, sind jedoch nach wie vor katastrophal. Und der
Skandal der Zwangsmassnahmen an sich, dass Tausende von Menschen einzig
aufgrund fehlender Papiere monatelang im Knast sitzen, bleibt bestehen.
Stark betroffen von der behördlichen Hetzjad sind in den letzten Monaten
auch die illegalisierten Frauen, die meist als Prostituierte arbeiten
müssen. Eine grosse Koalition von Saubermännern, Anwohnern, Polizei und
Illegalisierte sind für die Polizei völliges Freiwild. Die Haftbedingungen
für Ausschaffungsgefangene haben sich in den letzten Monaten aufgrund der
öffentlichen Proteste, Proteste der Gefangenen selbst und einiger
Bundesgerichtsurteilen verbessert. Sie sind jetzt im Ausschaffungsgefängnis
Kloten nicht mehr unter schlechteren Bedingungen als «normale »
Untersuchungsgefangene inhaftiert. Ihre Haftsituation ist aber immer noch
schlechter als jene im Strafvollzug. Die Situation in den
Polizeigefängnissen, wo Ausschaffungshäftlinge in den ersten Tagen
ebenfalls einsitzen müssen, sind jedoch nach wie vor katastrophal. Und der
Skandal der Zwangsmassnahmen an sich, dass Tausende von Menschen einzig
aufgrund fehlender Papiere monatelang im Knast sitzen, bleibt bestehen.
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