Bulletin Nr. 48; April 2006

Massenverhaftung in Altstetten – Teilerfolg für die Betroffenen

Der Zürcher Stadtrat krebst zurück

Der Zürcher Stadtrat krebst zurück Zum Einsprache-Entscheid zu den Polis-Daten der Basler Fussballfans: Obwohl die Begehren abgewiesen wurden, ist die Ablehnung ein Erfolg für den Datenschutz.

Am 17. Januar hat der Zürcher Stadtrat bekannt gegeben, dass die Zugriffsrechte auf die im Polizeicomputer Polis gespeicherten Daten der am 5. Dezember 2004 am Bahnhof Altstetten verhafteten Basler Fussballfans massiv eingeschränkt wurden. Der Einsprache der Basler Fans, die die bedingungslose Löschung der Daten gefordert hatte, ist damit zwar nicht stattgegeben worden. Der Entscheid des Stadtrates ist trotzdem eine Kehrtwende in Sachen Datenerfassung. Die Beschränkung der Zugriffsrechte auf die vier Beamten des Rechtsdienstes sowie die Protokollierung und die jährliche Rechenschaftspflicht über allfällige Zugriffe verändern die Lage für die Betroffenen ganz erheblich. Die Gefahr, bei einer Polizeikontrolle verhaftet zu werden, weil man in Altstetten mit dabei war, ist damit gebannt: Die 4000 PolizeibeamtInnen, die auf die Polis-Daten Zugriff haben, können nach der Beschränkung der Zugriffsrechte diese Information im Megacomputer der Polizei nicht mehr abfragen. Mit dem Zürcher Stadtrat hält eine Behörde endlich wieder einmal fest, dass es neben «Sicherheitsbedürfnissen der Bevölkerung » auch Schutzbedürfnisse des Einzelnen vor Willkürmassnahmen des Staates gibt. Der Druck auf die für Polis verantwortlichen kantonalen Behörden, minimale Standards beim Umgang mit heiklen Polizeidaten einzuführen, wird damit erhöht.

Einsatz war völlig unverhältnismässig
Ein Wermutstropfen ist allerdings, dass der Stadtrat im Rahmen seines Einsprache-Entscheids darauf verzichtet hat, die Zugriffsrechte auf Polis-Daten von Opfern vergleichbarer Massenverhaftungen anzupassen – zu denken w äre in diesem Zusammenhang insbesondere an die bei der Razzia in der Zürcher Dachkantine am 2. und 3. Dezember 2005 kontrollierten Personen. Festzuhalten ist ausserdem, dass die teilweise befriedigende Klärung der datenschutzrechtlichen Fragen auch als Freipass für die Polizei verstanden werden kann, auch künftig Massenverhaftungen durchzuführen. Es bleibt deshalb festzuhalten, dass der Einsatz in Altstetten völlig unverhältnismässig war. Daran kann auch der Entscheid des Stadtrates nichts ändern.

Staatsrechtliche Beschwerde gegen Polis-Verordnung des Regierungsrates ZH

Die Demokratischen Juristinnen und Juristen Zürich sowie 14 ExponentInnen von augenauf, AL, Gewerkschaften, 1. Mai-Komitee, der Schwulen- und Lesbenbewegung, aus der Migration, der Südkurve FCZ und der Partyszene haben gegen die vom Regierungsrat des Kantons Zürich auf den 1. Januar 2006 in Kraft gesetzte Polis-Verordnung staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Grundrechts auf Schutz der persönlichen Daten (Art. 13 Abs. 2 Bundesverfassung) erhoben.
Gerügt werden die mangelnde gesetzliche Grundlage, die zu weit gefasste Zweckbestimmung für die polizeiliche Datenbank, der Umfang der erfassten Daten, der praktisch uneingeschränk- Staatsrechtliche Beschwerde gegen Polis-Verordnung des Regierungsrates ZH te Zugriff auf alle Daten durch rund 4000 PolizistInnen und die überlange Löschungsfrist. Falsche oder nicht mehr aktuelle Daten werden nicht von Amtes wegen berichtigt bzw. gelöscht. Die vorgesehene Berichtigungsmöglichkeit ist selbst nach Ansicht des kantonalen Datenschutzbeauftragten verfassungswidrig. Die BeschwerdeführerInnen beanstanden schliesslich, dass neu auch Gemeindepolizeien ein Zugriffsrecht erhalten sollen. Die Datenbank Polis wird von der Kantonspolizei Zürich sowie den Stadtpolizeien Zürich und Winterthur seit Jahren ohne jegliche gesetzliche Grundlage betrieben. Bereits heute sollen rund 900 000 Personen in der Datenbank erfasst sein.

augenauf Zürich

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