Zürcher Komitee gegen das neue Polizeigesetz und Basler Plattform gegen Polizeirepression
Gegen den Polizeistaat
Der Entwurf für das neue Polizeigesetz in Zürich gibt der Polizei
einen Freibrief und hebelt die Grundrechte aus. Um das Gesetz
zu verhindern, haben augenauf und die Demokratischen Ju-
ristInnen ein «Komitee gegen das neue Polizeigesetz» gegrün-
det. In Basel haben fast alle linken Kräfte gemeinsam eine
«Plattform gegen zunehmende Polizeirepression» verabschiedet.
Im Sommer 2005 hat der Zürcher Regierungsrat den Vernehmlassungsentwurf
für ein neues Polizeigesetz vorgelegt. Er knüpft
darin nahtlos an jenes Polizeigesetz an, das 1983 in der Volksabstimmung
bachab geschickt worden ist. Nach dem Willen des
Regierungsrats soll die Polizei alle nur erdenklichen Befugnisse
erhalten. Was auf der Strecke bleibt, ist der Schutz des Einzelnen
vor der Polizei.
Zürich: Angriff auf die Grundsätze eines liberalen Rechtsstaats
Der Entwurf ist voll von Gummiparagrafen. Die Polizei soll bei
möglichst allem, was sie tut, sagen können: «Wir haben nach
Gesetz gehandelt.» Nach dem Konzept des Entwurfs muss man
nichts Illegales gemacht haben, um ins Visier der Polizei zu
geraten. Es genügt, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Insgesamt
gibt der Entwurf der Polizei einen Freibrief und hebelt die
Grundrechte aus.
Zu kritisieren ist nicht nur der viel diskutierte Wegweisungsartikel.
Andere Bestimmungen halten wir für genauso verfehlt,
insbesondere jene bezüglich Schusswaffengebrauchs, Personenkontrollen,
polizeilichen Gewahrsams, Vor-, Zu- und Rückführung,
Überwachung des öffentlichen Raums, Durchsuchung, Sicherstellung,
Verwertung und Vernichtung von sichergestellten
Gegenständen, Datenbearbeitung, einschliesslich Daten über
«gewaltbereite Personen», und die im Entwurf enthaltenen Strafbestimmungen.
Wir haben uns entschlossen,
diesem Angriff auf die
Grundsätze eines liberalen
Rechtsstaates mit einer breiten
Sensibilisierungskampagne
entgegenzutreten. Wir wollen
verhindern, dass mit der
Einführung eines Polizeigesetzes
die Tore für die Transformation
des Kantons Zürich in einen Sicherheitsstaat noch weiter
aufgehen. Mit unserem Widerstand wollen wir die verheerenden
Folgen, die das «Null-Toleranz-Denken» und die «Kontrollstrategien
» auf die gesellschaftlichen Verhältnisse und die Alltagsbeziehungen
haben, sichtbar machen.
Es gehört zu den Pfeilern des Rechtsstaats, dass das Individuum
wirksamen Schutz vor Willkürmassnahmen und Übergriffen
des Staates erhalten muss. Gerade bei der Polizei, die das
Gewaltmonopol des Staates ausübt, ist dies eminent wichtig. Die
Kompetenzen der Polizei dürfen die Grundrechte der Betroffenen
nicht erdrücken. Diesbezüglich weist der vorliegende Entwurf
eine extreme Schieflage auf. Mit unserer Kampagne wollen wir
dieser Schieflage entgegenwirken und den Grundrechtsschutz
wirksam verankern.
Angesichts der Vielzahl von Fällen, in denen der Polizei unrechtmässiges
Verhalten vorgeworfen wurde, halten wir es ausserdem
für notwendig, dass eine unabhängige Kontroll- und Beschwerdeinstanz
für die Opfer von Übergriffen und Willkürmassnahmen
geschaffen wird.
Um einen wirksamen Schutz der Bevölkerung vor Übergriffen
der Ordnungskräfte zu gewährleisten, müssen unserer Meinung
nach zusätzlich Personengruppen, die einer erhöhten Gefahr ausgesetzt
sind, Opfer von Polizeiwillkür zu werden, mit aktiven
Massnahmen geschützt werden.
Mit unserem Komitee wollen wir auf das laufende Gesetzgebungsverfahren
Einfluss nehmen. Wir wollen verhindern, dass
das vom Regierungsrat vorgeschlagene Polizeikonzept Gesetz
wird. Gleichzeitig nehmen wir das laufende Gesetzgebungsverfahren
zum Anlass, um eine breite Sensibilisierungskampagne
zu starten – damit die Opfer der staatlichen Zwangsmassnahmen
wieder jenes öffentliche Interesse erhalten, das Opfern von Übergriffen
und Gewalt zusteht. Schliesslich wollen wir dafür besorgt
sein, dass die Tätigkeit der Polizei von der Öffentlichkeit verstärkt
kritisch beobachtet wird.
Zürich, 13. Februar 2006
Basel: Gegen Repression und für Grundrechte
Die Aufrüstung der Polizei nimmt zu: Mehr PolizistInnen und neue
Waffen wie Schockgranaten und Taser zum Einsatz. Die Polizeieinsätze
richten sich immer öfter gegen Grundrechte wie Streikrecht,
Recht auf Versammlungsfreiheit, Recht auf freie Meinungsäusserung
usw. Die Datensammlungen sind ausufernd und grenzenlos.
Diese Entwicklungen brachten die linken Kräfte in Basel dazu,
eine gemeinsame Plattform gegen Polizeirepression zu verabschieden.
Die Anti-Repressionsgruppe Basel lud im Herbst 2005 alle
interessierten Kräfte zu einer ersten Sitzung ein, an der ein Entwurf
für ein gemeinsames Manifest präsentiert wurde. augenauf
arbeitete von Anfang an entscheidend an der Plattform mit, verschiedenste
VertreterInnen parlamentarischer und ausserparlamentarischer
Organisationen kamen dazu. Althergebrachte Animositäten,
aber auch unterschiedliche Einstellungen wurden
konstruktiv eingebracht. Das führte nach mehreren Sitzungen zu
einer breiten Unterstützung für die Basler Plattform.
Rechtzeitig eine Woche vor der Anti-WEF-Demo 2006 wurde
die Plattform der Öffentlichkeit präsentiert.
In einer ersten gemeinsamen Aktion traten Plattform-Mitglieder
an der Anti-WEF-Demo als BeobachterInnen an den Bahnhöfen
und rund um die Demo auf und behielten das Vorgehen der
Ordnungshüter im Auge. Dabei wurden unverhältnismässige Kontrollen
und Fichierungen vor allem am Bahnhof festgestellt. Die
Unverhältnismässigkeit und die enorme Datensammelwut führte
erneut im Sinne der Plattform zu verschiedenen Reaktionen der
beteiligten Organisationen. Die Anti-Rep-Gruppe Basel schrieb
beispielsweise einen offenen Brief an den Vorsteher des Sicherheitsdepartements,
Jörg Schild, der bis Redaktionsschluss unbeantwortet
blieb. Die SP machte eine Anfrage im Grossen Rat.
Basler Plattform gegen zunehmende Polizeirepression
Unsere Grundrechte werden zurzeit massiv eingeschränkt:
Demonstrationen werden verboten oder willkürlich eingeschränkt
und die Verbote mittels polizeilicher Gewalt durchgesetzt.
Präventive Repressionsmassnahmen werden ausgeweitet.
Streikposten werden von Polizeieinheiten geräumt und festgenommen.
Besetzte Häuser werden geräumt, noch bevor eine
Räumungsklage eingereicht wurde, und die Polizei verhindert
Verhandlungen der BesetzerInnen mit den HauseigentümerInnen.
Die Bewegungsfreiheit von Menschen wird mittels Rayonverboten
und Vertreibungspolitik beschnitten.
Dieser Entwicklung der fortschreitenden Aushöhlung von Grundrechten
und der Tendenz zu polizeistaatlichem Krisenmanagement
steht heute zu wenig entgegen, sowohl auf politischer als
auch auf gesellschaftlicher Ebene.
Mit dem Netzwerk der diese Plattform unterstützenden Einzelpersonen
und Organisationen wollen wir versuchen, diese Entwicklung
aufzudecken, dagegen anzugehen und den von Repression
betroffenen Personen Unterstützung zu gewähren.
1. Wir halten fest, dass die Grundrechte für alle gelten,
ungeachtet ihrer Herkunft, Nationalität und ihres sozialen
Hintergrunds.
2. Das Demonstrationsrecht ist integraler Bestandteil des
Rechts auf freie Meinungsäusserung und Versammlungsfreiheit
und darf nicht durch eine willkürliche
Bewilligungspraxis eingeschränkt werden.
Demonstrationen dürfen nicht verboten werden mit der Begründung,
dass es zu gewalttätigen Ausschreitungen kommen
könnte. Wir lehnen die Stigmatisierung von Gruppen
und Einzelpersonen als gewaltbereit durch die Polizei ab.
Provokationen der Polizei im Ordnungsdienst gegenüber
DemonstrationsteilnehmerInnen sind zu unterlassen. Es
kann nicht angehen, dass Demonstrationsrouten durch die
Innenstadt nicht bewilligt werden mit der Begründung, dass
den Geschäften und den KonsumentInnen dies nicht zugemutet
werden könne. Demonstrationen ohne Publikum
verlieren ihren Sinn, Demonstrationsrouten und -zeiten dürfen
keiner generellen Beschränkung unterliegen.
3. Politische Aktivitäten dürfen nicht kriminalisiert werden.
Die Kriminalisierung und Fichierung von Tausenden DemonstrantInnen
und AktivistInnen in den letzten Jahren hat
den Zweck, die TeilnehmerInnen einzuschüchtern und von
der Wahrnehmung ihrer Grundrechte abzubringen.
Beispielsweise wurden im Frühling 2003 über 130 SchülerInnen
bei einer Anti-Kriegs-Demonstration eingekesselt und
kontrolliert; viele mussten anschliessend eine DNA-Probe
abgeben.
Während des WEF 2004 wurden in Landquart über 1000 Personen
auf der Rückreise von einer bewilligten Demonstration
in Chur kontrolliert und fichiert, während des WEF 2005 wurden
bei der verhinderten Demonstration in Basel mehrere
hundert Personen kontrolliert und registriert.
4. Präventive Repression und Überwachung sind zu unterlassen.
Jenseits von konkretem Verdacht auf einen Straftatbestand
werden – den Behörden nicht genehme Demonstrationen bereits am
Versammlungsort von einem Grossaufgebot der Polizei eingekesselt
und alle Teilnehmenden erkennungsdienstlich
behandelt und fichiert,
– Fussballfans eingekesselt und fichiert,
– bei Grossanlässen wie dem WEF potenzielle DemonstrationsteilnehmerInnen
bereits an der Grenze oder am Bahnhof
abgefangen, in Haft gesetzt und am Betreten bestimmter
Quartiere gehindert. Dieser Praxis der Einschüchterung und
Datensammlung muss Einhalt geboten werden.
5. Das Recht auf Streik ist legitimer Ausdruck der Organisationsfreiheit
der ArbeitnehmerInnen und zentrales
Kampfmittel und darf unter keinen Umständen eingeschränkt
werden.
Das Streikrecht ist in der Bundesverfassung verankert, wird
in der Praxis jedoch unterlaufen, wenn die Polizei auf Geheiss
der ArbeitgeberInnen StreikbrecherInnen in die Betriebe
lotst und die Informationstätigkeit der Gewerkschaften
strafrechtlich verfolgt wird.
6. Die Bewegungsfreiheit von Menschen darf nicht auf
Grund von Aussehen, Nationalität und sozialem Hintergrund
eingeschränkt werden.
Menschen mit dunkler Hautfarbe wird auf blossen Verdacht
hin, mit Drogen zu handeln, verboten, sich in innerstädtischen
Zonen aufzuhalten (Rayonverbot). Diese Polizeipraxis
muss ein Ende haben. Ebensowenig dürfen DrogenkonsumentInnen,
AlkoholikerInnen, Obdachlose etc. von zentralen
Plätzen der Stadt vertrieben werden, wie dies heute sogar
mit dem Argument der Stadtbildverschönerung geschieht.
7. Wir wehren uns gegen eine stete Ausweitung polizeilicher
Befugnisse und deren Legitimierung.
Die Kompetenzen, wann und wie die Polizei eingreifen soll und
darf, müssen klar formuliert und transparent sein und dürfen
nicht seitens der Polizei stillschweigend ausgeweitet werden.
So darf es nicht sein, dass die Polizei Räumungen durchführt,
ohne dass eine Räumungsklage eingereicht wurde oder dass
sie z.B. LiegenschaftsbesitzerInnen zu Räumungsklagen
drängt. Es geht nicht an, dass die Polizei Politik macht.
Wir wehren uns gegen eine Politik der Verdrängung, die gesellschaftliche
und wirtschaftliche Probleme mittels Polizei und
Repression zu bewältigen sucht.
Die unterzeichnenden Organisationen und Einzelpersonen verpflichten
sich, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten
zu intervenieren, wenn Organisationen oder Einzelpersonen
Opfer polizeilicher oder staatlicher Repression im oben beschriebenen
Sinn werden oder wenn solche Vorfälle beobachtet werden.
Zudem werden sie gemeinsam die Situation weiterverfolgen,
sich gegenseitig über entsprechende Vorkommnisse informieren
und ein gemeinsames Vorgehen entwickeln.
Unterzeichnende Organisationen (in alphabetischer Ordnung)
Anti-Repressions-Gruppe Basel, Armutskonferenz Basel, augenauf
Basel, Basels starke Alternative (BastA!), Basler Appell gegen Gentechnologie,
Basler Gewerkschaftsbund (BGB), Bewegung für den Sozialismus
(bfs), Demokratische JuristInnen Basel (DJS), Föderation
der kurdischen Kulturvereine (FEKAR), Gewerkschaftsbund Baselland
(GBBL), Grüne Partei Basel-Stadt, Interprofessionelle Gewerkschaft
der ArbeiterInnen (IGA), JungsozialistInnen Basel-Stadt (JUSO),
Komitee Sans Papiers, Nordwestschweiz, Liste 13 – gegen Armut
und Ausgrenzung, Neue Partei der Arbeit Basel (Neue PdA), Roter
Faden, Solidaritätsnetz Region Basel, Sozialdemokratische Partei
Basel-Stadt (SP), Sozialistische Alternative (SoAL), Union der ArbeiterInnen
ohne geregelten Aufenthalt, Uni Guerilla, Villa Rosenau.